Erzähl was
Storytelling. Das Praxisbuch - das neue Buch von Karolina Frenzel, Michael Müller und Hermann Sottong.
Von Winfried Kretschmer
Geschichten sind in. Immer mehr Führungskräfte nutzen sie. Denn Geschichten erzählen nicht nur viel über die Kultur eines Unternehmens, Geschichtenerzählen sagt auch mehr, als faktengespickte PowerPoint-Präsentationen es je könnten: Geschichten vermitteln Zusammenhänge, Sinn, Orientierung und Visionen. Doch ist Storytelling mehr als nur eine Managementmethode. Es ist die Wiederentdeckung der anderen, der narrativen Seite des Denkens. / 17.11.06
Es waren einmal drei Kommunikationsberater, die bei ihrer Arbeit in Unternehmen eine folgenreiche Entdeckung machten: Sie gewannen nämlich "immer stärker den Eindruck, dass wir durch die Geschichten, die uns außerhalb der Meetings, auf den Fluren und in den Kaffeeküchen … erzählt wurden, sehr viel mehr darüber erfuhren, wie das Unternehmen eigentlich 'tickt', als aus den offiziellen Quellen". Ihre Idee war es, das Wissen, das in diesen Geschichten steckte, für Veränderungsprozesse nutzbar zu machen, und als ausgebildete Literaturwissenschaftler verfügten sie über das Werkzeug, um es aus den Geschichten zu extrahieren. Die drei entwickelten die Methode der Storytelling-Analyse, die sie Mitte der 90er Jahre einem großen Unternehmen präsentierten - mit niederschmetterndem Ergebnis: Die Führungskräfte dort konnten sich überhaupt nicht vorstellen, wie man aus Geschichten wertvolle Erkenntnisse über die Kultur des Unternehmens gewinnen sollte. Den dreien blieb nur eine Chance: Sie "boten an, auf eigene Faust und Rechnung eine Mini-Studie zu versuchen": Auf der Basis von Gesprächen mit drei Mitarbeitern wollten sie den Managern bald darauf drei Erkenntnisse über die Kultur des Unternehmens vorstellen, die bereits bekannt waren, sowie drei überraschende, neue. Es gelang: "Man war bass erstaunt, wie viel wir in so kurzer Zeit und mit so wenig Aufwand über Probleme der Unternehmenskultur herausgefunden hatten, die sie seit Jahren beschäftigten." Die drei hatten ihren ersten Auftrag für eine Storytelling-Analyse in der Tasche.

Arbeiten mit Geschichten.


Die drei, das sind Karolina Frenzel, Michael Müller und Hermann Sottong, die mit ihrer neuen Methode zwischenzeitlich einige Bekanntheit erlangt haben. Seit dieser - wahren - Geschichte ist rund ein Jahrzehnt vergangen. Storytelling ist seither zu einer ebenso anerkannten wie bekannten Methode gereift. Sie gilt als ebenso innovativ wie universell. Denn mit ihrer Hilfe lässt sich nicht nur Unternehmenskultur sichtbar machen. Sie lässt sich auch in den verschiedensten Unternehmensbereichen erfolgversprechend anwenden. Und sie hat einen Trend gesetzt: Immer mehr Führungskräfte, Unternehmer, Selbständige arbeiten mit Geschichten. Für sie haben Frenzel, Müller und Sottong ihren zahlreichen Veröffentlichungen über ihre Methode nun ein praxisorientiertes Buch folgen lassen: Storytelling. Das Praxisbuch. Auf 250 Seiten führt es in die Kunst ein, eine gute Geschichte zu erzählen, und gibt einen breiten Überblick über die Einsatzmöglichkeiten im Unternehmen: vom Vertrieb über die Mitarbeitermotivation und das Marketing bis hin zur Selbstdarstellung von Unternehmen, von der Präsentation über den Einsatz im Projektteam bis hin zur Großgruppenarbeit mit 100 Teilnehmern.

Wiederentdeckung der anderen Seite des Denkens.


Neben den ausführlichen praktischen Kapiteln, wo man auch erfährt, wie man Geschichten baut und verbessert, an ihnen feilt und schleift, bietet das Buch eine vergleichsweise kompakte Einführung in Sinn und Zweck des Geschichtenerzählens. "Storytelling heißt, Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt einzusetzen, um wichtige Inhalte besser verständlich zu machen, um das Lernen und Mitdenken der Zuhörer nachhaltig zu unterstützen, um Ideen zu streuen, geistige Beteiligung zu fördern und damit der Kommunikation eine neue Qualität hinzuzufügen", schreiben die Autoren, die die Renaissance der Geschichten zugleich in den größeren Kontext der Denktraditionen einzuordnen wissen. Storytelling sei mehr als nur eine Managementmethode, schreiben sie, sondern "die Wiederentdeckung der anderen Seite des Denkens". Während wir mit dem argumentativen Denken Fakten, Regeln und Gesetze der Welt erfassen, schaffen wir mit dem narrativen Denken Zusammenhänge, Sinn, Orientierung und Visionen für die Zukunft. Frenzel, Müller und Sottong appellieren, diese lange Zeit unter Zahlen- und Faktenmorast verschüttete Dimension des Denkens wieder ans Licht zu holen und sie dem argumentativen, logischen Denken zur Seite zu stellen: "Sehen Sie Prozesse und Projekte als Geschichten, hören Sie auf das, was Ihre Mitarbeiter zu erzählen haben, denken Sie Ihre Kunden als Menschen auf einer Abenteuerreise - kurz, halten Sie ab und zu inne und überlegen: Wie wäre das jetzt als Geschichte?", appellieren die Autoren. "Denken Sie in Geschichten!", lautet die Botschaft ihres Praxisbuches.

Zuhören gehört dazu.


Das verlangt freilich eine veränderte Haltung. Während die Argumentation überzeugen will, gehört zum Geschichtenerzählen das Zuhören dazu. Storytelling und Storylistening seien eins, so Frenzel, Müller und Sottong, und daher nicht so sehr als Instrument der Beeinflussung und Überzeugung anzuwenden, sondern "als Mittel der Verständigung und des Erkenntnisgewinns". Dafür haben sie auch einen Klassikerzeugen gefunden: "Aus dem Erzählen zeigt sich, ob jemand zu hören gewusst habe", meinte schon Johann Gottfried Herder.

Karolina Frenzel / Michael Müller / Hermann Sottong:
Storytelling. Das Praxisbuch,
Carl Hanser Verlag, München 2006,
250 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-446-40698-0
www.hanser.de

Winfried Kretschmer ist leitender Redakteur und Co-Geschäftsführer bei changeX.

© changeX Partnerforum [17.11.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Storytelling. . Das Praxisbuch. . Carl Hanser Verlag, München 1900, 250 Seiten, ISBN 3-446-40698-0

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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