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Mehr Werte schaffen
Mit ökologischen und sozialen Standards schaffen Unternehmen echten Mehrwert - ein Gespräch mit Alexandra Hildebrandt.
Von Ann-Christin Weber
Bio ist in. Längst erstreckt sich der Bioboom nicht mehr nur auf Lebensmittel oder Kosmetika. Verstärkt achten Konsumenten auch bei Kleidung und Textilien auf ökologische und soziale Kriterien. Vor wenigen Jahren noch galten Nachhaltigkeit und Mode als Widerspruch, heute ist "green chic" in - sowohl auf den Laufstegen als auch in den Läden. Damit wächst die Bedeutung von Corporate Social Responsibility (CSR). Denn in moralisierten Märkten wird die Gewähr ökologischer und sozialer Standards zu einem echten Mehrwert für den Kunden. In der Zukunft wird der grüne Lebensstil die Konsummärkte dominieren. / 03.08.07

English version >>
Alxandra HildebrandtAlexandra Hildebrandt leitet den Bereich Kommunikation Gesellschaftspolitik bei der Arcandor AG.
Frau Hildebrandt, im Juli 2007 wurde der KarstadtQuelle-Konzern in Arcandor AG umfirmiert. Warum?
Dahinter stehen die Neuausrichtung auf internationale Geschäftsfelder und zugleich eine Gewichtung auf den Tourismus. Der Name ist ausschließlich für die Konzernholding und die Finanzkommunikation von Bedeutung - die Traditionsmarken Karstadt, Primondo mit Quelle und den Spezialversandmarken sowie Thomas Cook bleiben erhalten.
Was bedeutet Arcandor?
"Arc" bedeutet in verschiedenen Sprachen "Bogen". Die Arcandor AG als Dachgesellschaft spannt also einen Bogen über die operativen Gesellschaften. Das aus dem Lateinischen abgeleitete "candor" unterstreicht den Anspruch, Mehrwert zu schaffen. Unter anderem bedeutet es "glänzend"; in der Silbe "dor" ist das französische "Gold" enthalten. Dieses Sinnbild für Wertsteigerung ist auch im Claim der Arcandor AG enthalten: "Committed to creating value" - "verpflichtet, Werte zu schaffen". Der Leitsatz soll auch die Verpflichtung des Managements und der Mitarbeiter gegenüber den Kunden ausdrücken: Qualität und bestmöglichen Service.
Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für den von Ihnen verantworteten Bereich Kommunikation Gesellschaftspolitik?
Der Bereich Nachhaltigkeit, der hier für alle Gesellschaften gebündelt und unter einem Dach kommuniziert wird, erhält mit der Umfirmierung eine enorme Aufwertung und wird nunmehr auch außen ganz anders wahrgenommen - so ist er im Arcandor-Internet neben dem Bereich Investor Relations zu finden. Denn wer über Werte spricht, sollte auch die Logik der Ökonomie nicht aus dem Auge verlieren. Es reicht nicht, in einem Unternehmen aus dem Geldsäckel schöpfen und verteilen zu wollen - denn der Säckel füllt sich nicht von selbst. Erst der ökonomische Erfolg garantiert die Freiheit, ethisch nachhaltig zu handeln.
Was gehört zu Ihren Aufgaben im Konzern?
Sie sind so vielfältig wie das Leben selbst. Die Nachhaltigkeitskommunikation umfasst die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts, der bei uns alle zwei Jahre erscheint, die Zusammenarbeit mit den Medien, aber auch den Austausch mit NGOs wie zum Beispiel mit der Clean Clothes Campaign, Misereor oder terre des hommes. Zudem nehmen wir Unternehmensmitgliedschaften wahr und wirken an den von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) organisierten internationalen runden Tischen mit. Hier treffen sich Regierungs- und Unternehmensvertreter sowie NGOs. Nachhaltig im besten Sinne sind aber auch unsere Kooperationen mit der Universität Mannheim, mit dem Institut für Corporate Governance an der Universität Witten/Herdecke und mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen. Hier werden wir gemeinsam mit dem Designcenter Norintra in Hongkong wissenschaftliche Beiträge zum Thema Diversity und Fair Fashion erarbeiten. Diversity ist übrigens im Bereich Kommunikation Gesellschaftspolitik ein genauso wichtiges Thema wie Corporate Social Responsibility.
Welche Voraussetzungen muss ein CSR-Manager mitbringen?
Derzeit wird in den Medien sehr viel über das Berufsbild des CSR-Managers gesprochen - ich bin mir nicht sicher, ob es das überhaupt gibt. Jeder, der mit CSR beruflich zu tun hat, ist in diesen Bereich - meistens als Quereinsteiger - hineingewachsen. Und das ist auch gut so, denn sonst sind wir bei vorgefertigten und austauschbaren Persönlichkeitsprofilen und Berufsbildern, wie sie sich Woche für Woche in Karrieremagazinen finden. Abziehbilder sind für einen solchen Job aber völlig ungeeignet. Weil es darauf ankommt, ein eigenes Profil zu hinterlassen und die Privatperson nicht von der im Unternehmen zu trennen. Denn CSR-Verantwortlicher zu sein ist kein Beruf, sondern Berufung.
Wie sollte ein CSR-Verantwortlicher sein?
Ein "A-Player" im Sinne von Jack Welch. Als er noch General Electric vorstand, war Initiative in diesem Konzern etwas, das alle gleichermaßen erfasste - sie wirkte sich nachhaltig auf das Unternehmen aus. Dazu bedurfte es absoluter Konzentration, immerwährender Offenheit für neue Ideen und Leidenschaft für das, was man tat. Menschen, die das verinnerlichten, nannte er A-Player. Sie waren nicht nur in der Lage, sich selbst, sondern auch alle Menschen zu motivieren, die mit ihnen in Kontakt kamen. Produktivität und Spaß an der Arbeit bildeten für sie eine Einheit. Das heißt: Gute Leute warten nicht, bis ihnen jemand sagt, was sie zu machen haben, sie bringen sich proaktiv ins Unternehmen ein und schaffen sich selbst genau die Stelle, die für die Durchsetzung ihrer Sache notwendig ist - über alle Widerstände hinweg. Sie fragen nicht nach Stellenbeschreibungen, sondern sehen es als Herausforderung und Glücksfall an, ein unbearbeitetes Feld bewirtschaften zu können.
Was heißt es, zu etwas berufen zu sein?
HandWenn man das, was man tut, gerne tut und seine Tätigkeit nicht als Arbeit empfindet. Berufen ist, wer seine Hobbys mit in den Beruf nimmt. Für Joseph Schumpeter ist der "berufene" Unternehmer jemand, der es schafft, neue Kombinationen zu entdecken. Er geht Wege, die vor ihm noch niemand gegangen ist. Das unterscheidet den kreativen Unternehmer vom Manager, der nur darauf achtet, dass alles seinen vorgeschriebenen Weg geht. Schon der englische Begriff "to manage" heißt so viel wie "an der Hand führen". Insofern spreche ich auch nicht gern von einem CSR-Manager. CSR-Verantwortliche sind eher Unternehmer, beziehungsweise sollten es sein.
Welche Bedeutung hat glaubwürdige Kommunikation im CSR-Bereich?
Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut überhaupt. Es reicht nicht, sich nur um die Durchsetzung der Sozialstandards in den Produktions- und Lieferländern zu kümmern, ein Unternehmen muss auch dafür Sorge tragen, dass die Aktivitäten glaubwürdig kommuniziert werden. Was kommuniziert wird, ist wichtig - wie kommuniziert wird, ist meiner Meinung nach noch wichtiger. Zu einer nachhaltigen Kommunikation gehört es auch, Arbeitsbeziehungen - zuweilen auch Freundschaften - zu stiften, Netzwerke zu pflegen und Menschen zu mögen. Das ist die Voraussetzung überhaupt.
Welche Tugenden sind für Ihre Arbeit notwendig?
Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Neugier und Mut, aber auch Nüchternheit. Fingerspitzengefühl, Begeisterungs- und Kommunikationsfähigkeit. Man sollte sich nicht scheuen, auch einmal Risiken einzugehen und manchmal auch unkonventionelle Entscheidungen zu treffen. Und man sollte nie aufhören, sich für Neues zu interessieren.
Sie hatten vorhin schon Norintra erwähnt. Welche Bedeutung hat Norintra?
Norintra ist unser Designcenter in Hongkong. Hier sollen die Eigenmarken des Unternehmens zu Premiummarken weiterentwickelt werden. Zudem spielt Norintra auch beim Ausbau des nachhaltigen Produktsortiments eine wichtige Rolle. Aus Kommunikationssicht steht Norintra für Haltung und Lifestyle. Das ist kein Gegensatz. Gutes Design und soziales Gewissen lassen sich nämlich sehr gut miteinander verbinden. Es geht um gelebte Nachhaltigkeit, die nach unserem Verständnis dafür steht, nur Produkte anzubieten, die beim Herstellungsprozess sowie in der Verwendung festgelegten Umwelt- und Sozialstandards genügen. Denn dass das gestärkte Bewusstsein der Kunden für nachhaltige Mode kein kurzlebiger Trend ist, dessen sind sich alle sicher. Der gegenwärtige Biomarkenboom erstreckt sich längst nicht nur auf Lebensmittel oder Kosmetika. Verstärkt achten Konsumenten auch bei Kleidung und Textilien auf ökologische und soziale Kriterien. Noch vor wenigen Jahren wurden Nachhaltigkeit und Mode als Widerspruch gesehen. Heute ist "green chic" in - sowohl auf den Laufstegen als auch in den Läden. Das bestätigt auch die Leiterin unseres Designcenters, Annett Koeman. Norintra reagiert auf die gestiegenen Anforderungen moralisch sensibler Kunden. Im Produktsortiment der Karstadt-Warenhäuser, Quelle und Neckermann wird nachhaltige Mode künftig einen noch größeren Raum einnehmen.
Welche Bedeutung hat für Sie das Akronym Lohas (Lifestyle of health and sustainability)?
Lohas steht symbolisch für ein Umdenken in der Gesellschaft. Ziel ist es, Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein, Genuss, gutes Gewissen, Design, Ethik und Glamour miteinander zu verbinden. Die Lohas-Diskussion zeigt einmal mehr, dass das Thema Sustainability vom grünen Nischendasein in die Mitte der Gesellschaft wandert. Es hat nichts mit den Ökoanhängern der 1970er und 1980er Jahre zu tun - da passten Luxus und Genuss nicht zusammen. Übrigens ist mittlerweile mehr als ein Drittel der Bevölkerung in den USA und in Nordeuropa dem Lohas zuzuordnen, auch in Deutschland fühlen sich etwa 30 Millionen Menschen von einem nachhaltigen Lebensstil angesprochen. Ein schöner Bogen lässt sich in diesem Zusammenhang auch zu Norintra nach Asien schlagen - Lohas bedeutet nämlich im Chinesischen "glückliches Leben". Es freut uns, in wissenschaftlichen Studien zu lesen, dass der grüne Lebensstil spätestens 2015 weltweit die Konsummärkte dominieren wird. Wer diese Entwicklung ignoriert, verpasst mögliche Marktchancen und verliert wichtige Zielgruppen. Norintra ist für uns ein wichtiger Vorreiter und steht symbolisch für das, was im Konzern möglich ist: Politik zum Anziehen!
Der Soziologe Nico Stehr spricht von der "Moralisierung der Märkte". Damit wird ausgedrückt, dass in der Wissensgesellschaft politische Botschaften und Anliegen mithilfe des Konsums vermittelt werden. Stimmen Sie dem zu?
Ja, unbedingt. Das Konsumverhalten ist mittlerweile so etwas wie ein politischer Stimmzettel geworden. Der Kunde erwartet, dass Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Nur dürfen wir nicht arrogant und weltfremd werden, denn viele Menschen können sich die teueren Bioprodukte einfach nicht leisten. Sie konsumieren das Ungesunde, während sich die anderen Gesundheit und Moral kaufen und dabei noch als Gutmenschen erscheinen - während die, die weniger haben, sich zudem noch als bewusstlose Konsumenten maßregeln lassen müssen. Diese Kluft gilt es zu überwinden.
Inwiefern unterscheidet sich die lifestylebezogene Nachhaltigkeitskommunikation von der üblichen Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Nachhaltigkeitskommunikation steht vor einem Paradigmenwechsel. Es findet seit einiger Zeit eine Verschiebung von der ideologisch-moralischen zur ästhetisch-pragmatischen Nachhaltigkeitsdefinition statt. Dabei geht es vor allem um emotionale Lifestyleorientierung. Themen, die bislang in den Medien eher in Nischenbereichen zu finden waren - zum Beispiel Beiträge über Sozialstandards - werden plötzlich ästhetisiert, weil nicht nur ein Teil der Produktions- und Lieferkette im Fokus steht, sondern der gesamte Prozess. Wir erreichen mit der rein sachlichen Kommunikation, die sich etwa Sozialaudits und Kennzahlen widmet, nur einen engen Interessentenkreis, aber kaum den Konsumenten. Es muss also noch etwas hinzukommen - ein "Mehr-Wert", der auch für die Kunden sichtbar ist, und an dem sie sich erfreuen können.
Wie kommunizieren Sie diesen Mehrwert?
Indem wir Kommunikation und Marketing von Anfang an in die Entwicklungsprozesse mit einbinden und nicht erst am Ende, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. So funktioniert nachhaltige Kommunikation nicht. Die Inhalte sind das Entscheidende - und wenn die stimmen, fügt sich "der Stoff" von allein.
Gibt es bei Norintra ein konkretes Projekt mit ethisch-ökologischem Anspruch?
Die Zeiten, in denen Ökokleidung langweilig und unförmig war, sind längst vorüber. Mit dieser Entwicklung geht auch Norintra. So soll im Februar 2008 eine Ökokollektion in die Läden kommen, bei der es sich um Mode aus Biobaumwolle und natürlichen Materialien wie Leinen oder Seide handelt. Giftige Chemikalien kommen bei der Herstellung nicht zum Einsatz. Auch die Einhaltung sozialer Standards wird sichergestellt. Zum Konzept gehört es, mit Lieferanten aus dem chinesischen Markt zusammenzuarbeiten. Norintra kooperiert dabei mit MADE-BY.
Was ist das Ziel von MADE-BY?
MADE-BY ist ein von Modemarken und Einzelhändlern verwendetes Dachlabel, das den Verbrauchern zeigen soll, dass die vom jeweiligen Hersteller angebotene Kleidung auf nachhaltige Art und Weise hergestellt wurde. Die Marken, die sich der MADE-BY-Initiative angeschlossen haben, verwenden biologisch angebaute Baumwolle und arbeiten mit Nähbetrieben zusammen, die sich einen sozialen Verhaltenskodex gegeben haben. MADE-BY möchte den Markt für nachhaltig produzierte Kleidung vergrößern - indem es den Modemarken dabei hilft, ihren Produktionsprozess zu bereinigen -, weltweit verantwortlich agierende Produktionsketten aufbauen und den Verbrauchern eine breite Auswahl von menschen- und umweltfreundlich hergestellten Modeartikeln anbieten.
Ist MADE-BY auch in Deutschland aktiv?
Mittlerweile laufen die Vorbereitungen, das Konzept in Deutschland einzuführen. Das bedeutet jedoch mehr, als nur ein paar T-Shirts aus biologisch angebauter Bauwolle zu produzieren. Es bedeutet, die ernst gemeinte Verpflichtung einzugehen, die Produktion der gesamten Kollektion gesellschaftlich verantwortungsvoller, umweltfreundlicher und transparenter zu machen. Und dazu braucht man mehr als eine Saison. Es ist ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung, der Jahre intensiver Zusammenarbeit zwischen MADE-BY, unserem Unternehmen und seinen Lieferanten erfordert.
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Ann-Christin Weber, Jahrgang 1975, ist Juristin und Journalistin. 2006 erhielt sie ihre Rechtsanwaltszulassung. Zurzeit arbeitet sie bei der Arcandor AG, Bereich Kommunikation Gesellschaftspolitik.
Fotos:
Alexandra Hildebrandt: � Arcandor AG, Foto: Annett Bourquin
Hand: � Arcandor AG, Foto: Axel Jakob Scherer
Kontakt:
Arcandor AG
Dr. Alexandra Hildebrandt
Arcandor AG Kommunikation Gesellschaftspolitik
Theodor-Althoff-Straße 2
D-45133 Essen
Tel.: +49 (0)201/727-96 62
Fax: +49 (0)201/727-69 96 62
E-Mail: alexandra.hildebrandt@arcandor.com
Web: www.arcandor.com
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Ann-Christin Weber

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