Die Marke macht die Musik
Was Marken erfolgreich macht - das neue Buch von Christian Scheier und Dirk Held.
Von Sascha Hellmann
Warum kaufen wir ein bestimmtes Produkt und nicht ein anderes? Letztlich wissen wir es nicht. Die Gründe, die Menschen für ihre Wahl angeben, spielen nur vordergründig eine Rolle - das Entscheidende läuft im Hintergrund. Sagen zwei Neuromarketing-Experten. Ihre These: Produkte sind austauschbar, erst die Marke macht den Unterschied. Sie lädt das Produkt auf, macht es unverwechselbar. Und beeinflusst letztlich die Kaufentscheidung. Starke Marken überzeugen unbewusst. Im Hintergrund. / 05.10.07
Scheier Held CoverWarum haben Sie sich in Ihren Partner verliebt? Warum genau in diesen Menschen? Was ist das Einzigartige? Auf den ersten Blick einfache Fragen. Befragt man jedoch Menschen nach den wichtigsten Gründen, warum sie sich in ihren Partner verliebt haben, so sind die Antworten erstaunlich austauschbar: "Attraktivität" und "Sympathie". Schön und gut. Doch warum sind wir dann nicht alle in den gleichen Menschen verliebt? Ganz abgesehen davon, dass es schlichtweg banal ist, dass wir uns nicht in Menschen verlieben, die wir unattraktiv und unsympathisch finden. Genauso verhält es sich mit Marken, sagen die beiden Psychologen und Neuromarketing-Experten Christian Scheier und Dirk Held. Attraktivität und Sympathie sind Eigenschaften, die auch starke Marken besitzen. Doch beschreiben sie nur das Ergebnis, nicht den dahinter liegenden Prozess. Wie bei der Liebe können Attraktivität und Sympathie den Unterschied zwischen Marken nicht erklären. "Die wahren Gründe, warum wir Marken kaufen, wirken im Hintergrund." In ihrem neuen Buch machen sich die Autoren auf die Suche nach diesen Gründen im Hintergrund. Anhand aktueller Ergebnisse der Neuropsychologie erklären sie, warum Marken ihre Wirkung entfalten und wie dieses Wissen genutzt werden kann.

Marken als Hintergrund.


Marken wirken nicht nur im Hintergrund. Sondern als Hintergrund. Und dieser Hintergrund bestimmt das Produkt. So wie ein graues Quadrat vor dunklem Hintergrund heller erscheint als von hellem Hintergrund, so sei es auch bei Marken: "Starke Marken lassen ein Produkt subjektiv 'heller' erscheinen, statten es mit einer Anziehungskraft aus. Man spricht hier auch vom so genannten 'Framing-Effekt' - Marken wirken wie ein Rahmen (Frame) für das Produkt." Doch dieser Framing-Effekt wirkt im Hintergrund, ist nicht wahrnehmbar. So begründen Käufer ihre Kaufentscheidung meist mit Eigenschaften des erworbenen Produkts, nicht jedoch mit der Marke - was angesichts vergleichbarer Produkteigenschaften allerdings wenig stichhaltig erscheint. Aber wie entsteht diese indirekte Wirkung von Marken? Scheier und Held: "Es gibt zwei Systeme im Gehirn: einen Autopiloten, der implizit im Hintergrund wirkt, und einen Piloten, der reflektiert." Bestimmend für unser Verhalten im Alltag ist der Autopilot, der Abläufe automatisiert und damit den Piloten entlastet. Auch bei Einkäufen, bei denen der Autopilot 95 Prozent der Entscheidungen übernimmt. Er dekodiert sowohl die Bedeutung der Marke (Was ist es, wofür steht es?), wie auch die Belohnung, die sie verspricht (Ist es positiv oder negativ?). Beides zusammen ergibt die Anziehungskraft der Marke.

Häagen-Dazs ist kein Eis.


Entscheidend dabei ist der Frame. Er bestimmt, wie sich eine Marke zuordnen lässt, welche Bedeutung ihr zugemessen wird. So scheint Häagen-Dazs auf den ersten Blick einfach ein Eis zu sein. Vor dem Hintergrund der dekodierten Bedeutung ergibt sich jedoch ein anderes Bild: "Häagen-Dazs ist viel eher eine Praline." Sehr cremig, sehr süß und sehr teuer. Etwas Besonderes, das verwöhnt, tröstet - wie Schokolade etwa. "Eis dagegen esse ich, wenn ich Frische will. Häagen-Dazs eröffnete einen neuen Frame und sicherte damit seine Alleinstellung." Ähnlich verhält es sich bei Swatch oder Voss: Swatch ist keine Uhr, sondern ein Accessoire. So wie Voss kein Wasser ist, sondern Tischschmuck. Und da ein edler Tischschmuck wertvoller ist als Wasser, kann Voss bis zu acht Euro für eine Flasche verlangen. "Ohne Frame geht die Bedeutung eines Produkts nicht über den basalen Gebrauchswert hinaus. Durch Re-Framing, also wenn ein Produkt den Frame wechselt, entstehen Innovation und nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb", betonen die Autoren.

Pull statt push.


Was starke Marken von schwachen unterscheidet, sind die Belohnungswerte: Fragt man Beck's-Trinker, warum sie sich ausgerechnet für dieses Bier entschieden haben, wird Geschmack als Grund angegeben. Was wenig verwundert: "Denn wer würde schon ein Bier trinken, weil er Abenteuer will. Das klingt absurd." Die Belohnungswerte jedoch wirken implizit. Daher ist auch die Annahme, Marken in die Köpfe der Kunden "pushen" zu können, falsch, meinen die Autoren: "Türöffner sind Belohnungen, sie erzeugen Anziehungskraft, einen Pull-Effekt." Da der Autopilot am Ruder ist, schlagen auch explizite Angebote wie "wir stehen für Attraktivität, Innovation und Kompetenz" fehl. Die versteckte Message macht die Musik. Aus dem Hintergrund heraus agieren, um im Hintergrund wirken zu können. Das gelte auch, wenn man Kundenaussagen auswertet: "Wichtig ist, was sie implizit bedeuten. Die expliziten Meinungsäußerungen führen in eine Sackgasse." Und erst wenn die implizite Bedeutung und Belohnung feststehen, die transportiert werden sollen, sind Unternehmen in der Lage, kompetent zu entscheiden, wie die Umsetzung konkret aussehen kann. In einem eigenen Kapitel erläutern die Autoren, wie die neuropsychologischen Erkenntnisse für die Markenführung genutzt werden können.
Scheier und Held spüren dem Geheimnis starker Marken hartnäckig nach. Dabei bleiben sie nicht an der Oberfläche. Sie schreiben klar strukturiert und gleichzeitig anschaulich. Durch Heranziehung aktueller Erkenntnisse der Neuropsychologie geht das Buch über das Spekulative hinaus. Nicht nur für Experten der Markenführung ist die Darstellung interessant. Sondern für alle, die schon immer wissen wollten, wie Marken im Gehirn wirken und warum für Marken gerne auch mehr Geld ausgegeben wird.

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Christian Scheier / Dirk Held:
Was Marken erfolgreich macht.
Neuropsychologie in der Markenführung,

Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München 2007,
233 Seiten, 29.80 Euro,
ISBN 978-3-448-08610-2
www.haufe.de

© changeX Partnerforum [05.10.2007] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


changeX 05.10.2007. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

Haufe Mediengruppe

Weitere Artikel dieses Partners

Tierisch managen

Von Bienen und Leitwölfen. Strategien der Natur im Business nutzen - das neue Buch von Matthias Nöllke. zur Rezension

Märkte werden gemacht

Trojanisches Marketing. Mit unkonventioneller Werbung zum Markterfolg - das neue Buch von Roman Anlanger und Wolfgang A. Engel. zur Rezension

Emotionen kaufen ein

Brain View. Warum Kunden kaufen - das neue Buch von Hans-Georg Häusel. zur Rezension

Zum Buch

: Was Marken erfolgreich macht. . Neuropsychologie in der Markenführung. . Rudolf Haufe Verlag, Planegg bei München 1900, 233 Seiten, ISBN 978-3-448-08610-2

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autor

Sascha Hellmann
Hellmann

Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

nach oben