Lernen heißt klauen
Die Konkubinenwirtschaft. Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen - das neue Buch von Frank Sieren.
Von Florian Michl
Gigantische Wachstumsraten, neue Weltmarktführer und Unternehmen, die ungehindert das Weltranking der größten Firmen stürmen - Chinas Wirtschaft führt das Reich der Mitte zurück zu alter Stärke. Fair geht es dabei nicht zu. Ein Asien-Experte beschreibt die Strategien und Intrigen der Chinesen. / 07.11.08
Frank Sieren CoverChinesische Reitersoldaten sprengen am Eiffelturm vorbei, an der Golden Gate Bridge, bis sie die Tore der Olympiastadt Peking passieren. Ein anderer Fernsehspot von Lenovo, heute der viertgrößte Computerhersteller der Welt, beginnt mit gigantischen, wehenden roten Fahnen mit den fünf gelben Sternen darauf. Will sagen: China, die einstige Weltmacht, schickt sich an, ihren alten Status zurückzuerobern. "China ist bereits so mächtig, dass die westlichen Unternehmen um die Gunst der Chinesen buhlen müssen wie einst die Konkubinen um die Gunst des Kaisers", schreibt der Bestsellerautor und Journalist Frank Sieren in seinem neuen Buch. Darin zeigt der China-Spezialist, wie weit sich das Machtgefälle zwischen China und dem Westen bereits verschoben hat. Wie wenig Handlungsraum den westlichen Unternehmen bleibt, wenn sie gegeneinander um den Zugang zum chinesischen Markt kämpfen. Und wie sehr die chinesischen Unternehmen davon profitieren, so, "dass sie es sich leisten können, mit unfairen Mitteln zu kämpfen, ohne große Sanktionen befürchten zu müssen". Das ist Thema des Buches: Wie es China in den vergangenen vier Jahren gelungen ist, in der von dem Wirtschaftsmagazin Forbes erstellten Liste der 2.000 größten Unternehmen so viele Neuzugänge zu platzieren, wie Deutschland insgesamt Einträge hat - nämlich rund 60.

Das Druckpunktprinzip.


Mit rechten Dingen ist es dabei anscheinend nie zugegangen, liest man die Beispiele von Sieren. Weder beim Aufstieg des Computerhersteller Lenovo oder des Mobilfunkanbieters Ningo Bird. Noch beim Autobauer Chery oder dem Kühlschrankhersteller Haier. List und Betrug, gepaart mit westlicher Leichtgläubigkeit, hätten zum internationalen Aufstieg dieser Unternehmen beigetragen, schreibt Sieren. Beispiel List: "Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten" - auf die Art wurde der Telekomausrüster Huawei zum Global Player, der heute "35 der Top-50-Telekomunternehmen bedient und die Nummer drei weltweit beim Verkauf von Hauptroutern ist". Beigetragen haben dazu die hohe Produktqualität durch Kooperationen, zum Beispiel mit IBM, und geringe Personalkosten für chinesische Ingenieure, was es ermöglichte, den Kunden mehr Manpower als üblich zur Verfügung zu stellen.
Zum anderen wandte das Unternehmen die Strategie des "Druckpunktprinzips" an, erklärt Sieren: "Man muss die losen Ziegel in den Schutzmauern der Konkurrenz finden." Statt die Konkurrenten frontal anzugreifen, habe Huawei einen Umweg gewählt: Es sammelte erst in den unterentwickelten, aber schnell wachsenden Märkten der Dritten Welt Erfahrungen im internationalen Geschäft - einem Markt, "der von den Großen vernachlässigt wurde, weil er zu klein war und ein höheres Maß an Flexibilität verlangte". Wie die Vereinigten Arabischen Emirate mit 2,4 Millionen Einwohnern. Dort hatten Ericsson und Motorola das Nachsehen.

Klein beigeben.


Auch Airbus erging es nicht besser in der Konkubinenwirtschaft. Der angeschlagene Konzern brauchte dringend einen lukrativen Auftrag aus China. "Und damit Boeing den nicht bekam, willigten die Europäer ein, die Flugzeuge in China herzustellen." Der Technologietransfer war damit perfekt: "Airbus verleiht China nun Flügel", sagt Sieren. Die Gefahr dabei: Lernen heißt zuweilen auch klauen - denn mit Urheberrechten nehmen es die Aufsteiger nicht so genau. Das beweise das Verhalten des Autoherstellers Chery. Dieser habe nicht nur sein erstes Auto mit illegal erworbenen Originalteilen des Jetta von Volkswagen zusammengebaut. Sondern auch von einem ehemaligen Daewoo-Manager Konstruktionszeichnungen für einen Kleinwagen erhalten. Und schließlich unter dem Namen QQ bauen lassen. Dieser ist heute eines der bestverkauften Modelle auf dem chinesischen Markt. Sehr zum Leidwesen von GM, das im Jahr 2000 Daewoo übernommen hatte. Sie gingen vor Gericht. "Und waren gezwungen, klein beizugeben. Der politische Schaden im chinesischen Markt wäre zu groß gewesen." So das Fazit des China-Experten. Ein Einzelfall ist GM dabei nicht.
Anhand zahlreicher Firmenbeispiele deckt Frank Sieren die Strategien und Intrigen der Chinesen auf, aber auch die Schwächen und die Leichtgläubigkeit des Westens. Dabei überrascht der Autor, der seit Anfang der 90er-Jahre in China lebt, immer wieder mit detaillierten Hintergrundinformationen. Dass er das chinesische Auto Beauty Leopard der Firma Geely als "schneidigen Sportwagen" bezeichnet, ändert daran auch nichts.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Frank Sieren:
Die Konkubinenwirtschaft.
Warum westliche Unternehmen in China scheitern
und die Chinesen an die Weltspitze stürmen.

Carl Hanser Verlag, München 2008,
272 Seiten, 19.90 Euro.
ISBN 978-3-446-40975-0
www.hanser.de

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: Die Konkubinenwirtschaft. . Warum westliche Unternehmen in China scheitern und die Chinesen an die Weltspitze stürmen. Carl Hanser Verlag. Carl Hanser Verlag, München 2008, 272 Seiten, ISBN 978-3-446-40975-0

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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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