Grauhaarig und kaufkräftig

Auf der Tagung "New Realities" diskutierten Forscher und Unternehmensvertreter über die demographische Entwicklung.

Die Wirtschaft muss sich darauf vorbereiten, dass die deutsche Bevölkerung altert. So manches Konzept haben die Unternehmen durchaus schon in der Schublade: Handys mit größeren Tasten zum Beispiel, oder Autos, die sich auf einen Fahrer mit geringer Reaktionsgeschwindigkeit einstellen.

Unsere Gesellschaft altert. Das ist nichts Neues. Nur was das wirklich bedeutet, was für dramatische Konsequenzen sich daraus für Wirtschaft und Gesellschaft ergeben - das hat bisher kaum jemand begriffen. Sagen zumindest die Zukunftsforscher von der Z_punkt GmbH Büro für Zukunftsgestaltung und veranstalteten deshalb kürzlich in Essen die Tagung "New Realities". Dort diskutierten Experten und Konzernverantwortliche von DaimlerChrysler, Siemens, Karstadt und TUI über Konsequenzen, Chancen und Innovationen in Zusammenhang mit demographischem Wandel. Im Mittelpunkt standen die Handlungsoptionen für die Wirtschaft: Was ändert sich unternehmensintern, zum Beispiel in Personalpolitik und -management, aber wie müssen sich auch Produkte und Services ändern?
In ihrem einleitenden Vortrag betonte die bekannte Forscherin Charlotte Höhn, Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, dass große Herausforderungen auf alle Bereiche der Gesellschaft zukämen: "Politik, Wirtschaft und Gesellschaft können und müssen sich auf die Konsequenzen der demographischen Veränderungen einstellen." Der dramatische Verlauf der bisherigen und zukünftigen Entwicklung sei seit 30 Jahren bekannt, getan werde jedoch zu wenig. Aber auch der Einzelne könne und müsse sich auf neue Herausforderungen einstellen: "Lebenslanges Lernen ist eine ideale Voraussetzung für das erfolgreiche Altern."

Einfache Produkte für die "neuen Alten".


Dass zu wenig getan werde, konnten die anwesenden Vertreter der Wirtschaft so nicht unterschreiben. Sie machten deutlich, dass zumindest ihre Unternehmen sich durchaus mit dem Phänomen "alternde Bevölkerung" beschäftigt haben und die neuen, aktiveren Alten (die über einen großen Teil der Kaufkraft verfügen) als neue Zielgruppe erobern. Georg Berner vom Zentralvorstand der Siemens AG stellte vor, dass ein "virtuelles Rentner-Heim" es möglich mache, im Alter länger in der eigenen Wohnung zu bleiben. Zudem müssten Produkte für Senioren besonders auf einfache Handhabung und Benutzerfreundlichkeit ausgerichtet sein, wie er am Beispiel eines Senioren-Handys mit großen Tasten und einfacher Nutzerführung demonstrierte. Marion Diehr von DaimlerChrysler erläuterte, dass das Auto der Zukunft für die "neuen Alten" zum Beispiel Verluste in der Reaktionsgeschwindigkeit ausgleicht, also zusätzlichen Komfort und Assistenzsysteme bietet. "Aber ein dynamisches Image braucht es trotzdem - eben �Silberpfeil' statt �Silbermobil'", erklärte sie mit einem Augenzwinkern. Ein Problem sei auch die "Aging Workforce", das Altern der Belegschaften, auf deren Bedürfnisse die Personalpolitik antworten müsse. Auch in diesem Bereich gibt es in den Unternehmen bereits eine Vielzahl von einzelnen Programmen, aber noch keine überzeugenden flächendeckenden Konzepte.

Demographische Nachhaltigkeit gefordert.


Dr. Karlheinz Steinmüller, wissenschaftlicher Direktor der Z_punkt GmbH, stellte verschiedene mögliche Szenarien vor: Der "Weg in die Katastrophe", die "zukunftsfähige Schrumpfung" oder der "neue Baby-Boom" - so könnte die Zukunft aussehen. "Schon allein der Eigennutz gebietet es uns, Demographie-Vorsorge zu treffen", so Steinmüller. Vieles, das heute selbstverständlich ist, stehe auf dem Prüfstand: die Fixierung auf ein bestimmtes Modell von Arbeit, individualistische und hedonistische Lebensstile, Renten- und Gesundheitsversorgungsmodelle, vielleicht sogar eine nur auf ständiges Wachstum hin ausgelegte Wirtschaftsstruktur. Zugleich sollte man den demographischen Wandel als Chance zur Innovation - nicht nur für technische, besonders auch für soziale Innovationen - verstehen. Klaus Burmeister, Geschäftsführer der Z_punkt GmbH, plädierte zudem für die Notwendigkeit einer langfristig ausgerichteten Politikberatung, die der Politik helfen könne, auf Phänomene wie die Alterung und Schrumpfung der Gesellschaft angemessen zu reagieren. Das sollten Politiker auch im eigenen Interesse tun: In Zukunft werden viele ihrer Wähler graue Haare haben.

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