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Wunsch nach Theorie

Zum Track "Schools" auf dem Digital Bauhaus Summit - ein Interviewrückblick mit Mads Pankow
Interview: Winfried Kretschmer

Welche Theorien stehen hinter der Praxis, die wir täglich erleben? Was prägt unser Verständnis von Kreativität und Zusammenarbeit? Damals, zur Zeit des Bauhauses, und heute, beinahe 100 Jahre später? Das waren Fragen, denen der Track "Schools" auf dem Digital Bauhaus Summit auf den Grund zu gehen suchte.

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Mads Pankow ist Herausgeber des Journals DIE EPILOG, das sich mit sozialem Wandel beschäftigt. Auf dem Digital Bauhaus Summit hostete er den Track "Schools".
 

Was war dein Verständnis deines Tracks und des Themas, um das es ging? 

"Schulen", das war von Anfang an gedacht als Denkschulen: als diejenigen Ideologien und Theorien, die hinter der Praxis stehen, die wir täglich erleben. Die Idee dieses Tracks war es, diese unsichtbaren Ideen und Strukturen sichtbar zu machen und zu fragen: Welche Denkschulen, welche Ideen begeistern uns heute? Was steht hinter der Praxis? Wie hat sich das weiterentwickelt? Und inwiefern gibt es heute ähnlich einflussreiche Schulen, wie es das Bauhaus als Denkschule, als Designschule und zugleich unterrichtende Schule damals war.
 

Welche Schulen, welche Theorien sind zum Vorschein gekommen? 

Sehr präsent sind Design Thinking und nach wie vor Brainstorming, auf dessen Prinzipien die meisten Kreativtechniken basieren. Auch die Kunstschulen haben viele Kreativtechniken hervorgebracht - meist eher durch Zufall, indem Einflüsse aus der Kunst in Kreativtechniken eingeflossen sind. Von Bedeutung sind auch die Einflüsse der Organisationsschulen und der Managementlehre, die die Praxis stark prägen. In einem Beitrag hatten wir zum Beispiel die Frage "Wie viel Informalität hält kreative Gruppenarbeit aus?" Die vorherrschende Meinung besagt: Je informeller man arbeitet, desto kreativer und persönlicher arbeitet man, desto enger arbeitet man zusammen und desto geringer sind die Hemmungen, offen zu sprechen. In dem Beitrag wurde dann aber deutlich, dass Informalität auch Gefahren beinhaltet: Der Aushandlungsaufwand ist hoch, etwa im Hinblick darauf, wer welche Position einnimmt und wie die Aufgaben verteilt sind. Auch besteht die Gefahr, dass sich bestimmte Personen in den Vordergrund spielen und die Ideen in den Hintergrund treten. Denn das Fehlen formaler Strukturen lässt die Möglichkeiten persönlicher Profilierung wachsen. Die Folge ist eine Abwendung vom Markt.
 

Was hat dich am meisten beeindruckt? 

Beeindruckend fand ich die kritische und sehr anspruchsvolle Haltung des Publikums, das über alle Vorträge hinweg mehr Theorie eingefordert hat, als ich es erwartet hatte. Wir hatten eher versucht, die Theorie herunterzubrechen in die Praxis - aber sie wurde vom Publikum wieder eingefordert. Die Leute wollten einen kritischen und intensiven Diskurs, sie wollten sich positionieren und wollten als Person eine Haltung gewinnen. Das hat wiederum sehr viel mit darüberliegenden Vorstellungen zu tun: Wie stehe ich zum Management von Gruppenarbeit? Wie stehe ich zu Hierarchien? Wie zu Social Entrepreneurship? Kurzum: Man wünscht sich eine kritische Schule der Kreativkultur. Das ist ein Thema, das mittelfristig mehr Präsenz im Summit gewinnen könnte.
 

Gibt es eine besonders inspirierende Erfahrung oder Erkenntnis, die du mitnimmst? 

Sehr spannend fand ich die Einsicht, dass die Ideen und Probleme der Kreativkultur, der Kreativtechniken und der Denkschulen keineswegs neu sind. Diese Themen sind schon älter, und sie sind lange schon beackert, gerade am Bauhaus. Aber wir sind immer noch auf dem Weg, Lösungen zu finden und sie umzusetzen. Wie gehen wir zum Beispiel mit diesem unberechenbaren Element Zufall um? Wie kultivieren wir zufällige Begegnungen? Wie zufällige Einfälle? Das ist ein langes Streben, und es entwickeln sich immer differenzierte Techniken heraus. Es gibt also eine Entwicklung, aber die ist ziellos und sehr dynamisch. Das ist deutlich geworden. Sehr spannend fand ich auch die Herausforderung, theoretische Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen. Wir haben ein großes Wissen über Kreativtechniken, über Kreativität im Allgemeinen und darüber, wo sie herkommt und wie man sie fördert. Wir wissen auch viel über Gruppenstrukturen, kennen die Bedeutung von Respekt und des Sich-Zurücknehmens. Im Workshop-Teil haben wir aber gesehen, wie schwer es ist, sich dieses Wissen bewusst zu machen und umzusetzen, was man weiß. Der theoretische Hintergrund war in der Diskussion sehr fruchtbar und hat viele Leute bewegt - aber wir müssen noch beweisen, dass das auch in der Praxis einen Mehrwert hat. Sind wir nur zu doof dazu? Gibt die Theorie das nicht her? Oder brauchen wir da noch eine andere Art von Bewusstmachung? Braucht es vielleicht mehr und anderes als Workshops
 

Hat sich so etwas wie ein roter Faden herauskristallisiert? Ein durchgängiges Thema? 

Es gab zwei durchgängige Themen. Zum einen den Zufall, den wir immer noch nicht verstanden haben: Wie gehen wir mit diesem zündenden Moment um? Wir schieben es immer jemand anderen in die Schuhe: erst dem Menschen, dem Genie, dann dem Team, dann dem Tool. Irgendwoher kommt der Zufall, wir wissen aber immer noch nicht, woher. Wir müssen weiterfragen: Welche Rolle spielen Tools? Welche die Architektur, die zufällige Situationen und Erfahrungen herstellt. Im Grunde kann jeder Aspekt von Bedeutung sein, und jeder verdient auch besondere Beachtung.
Das zweite Thema war der schon erwähnte Anspruch an Kritik und an Diskurs. Es wurde sehr deutlich, dass der Wunsch groß war, sich zu positionieren - nicht als Persönlichkeit, sondern mit einer Haltung, sich inhaltlich zu positionieren. Das kam in jedem Workshop, in jedem Vortrag zum Ausdruck. Das fand ich doch erstaunlich.
 


changeX 05.09.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Autor

Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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