Zur Bühnenpersönlichkeit werden

Die zehn wichtigsten sozialen Kompetenzen eines Bühnenmoderators
Von Nicole Krieger

Auf dem Arbeitsmarkt haben die sozialen Kompetenzen in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile gelten sie als eine entscheidende Schlüsselqualifikation. Auch für Veranstaltungsmoderatoren gehören die Soft Skills zu den wichtigsten Kompetenzen. Die Psychologie unterscheidet mehr als 100 Persönlichkeitsmerkmale, die zu den sozialen Kompetenzen zählen. Ein Blick auf die zehn wichtigsten Tugenden, die man braucht, um erfolgreich Veranstaltungen zu moderieren.

Was man braucht, um erfolgreich Veranstaltungen zu moderieren, erklärt die TV-Journalistin, Moderatorin und Trainerin Nicole Krieger.


Die zehn wichtigsten sozialen Kompetenzen eines Bühnenmoderators


Erstens: Authentizität - Stimmigkeit. "Sei du selbst!", lautet das erste Gebot für Moderatoren. Damit ist gemeint: Verstelle dich nicht, spiele keine Rolle, sondern gib dich auf der Bühne so, wie du bist. Handle und rede authentisch und situationsgerecht wie im Alltag. 

Ob Sie nun ein witziger Typ sind, der gern viel gestikuliert und redet, oder ob Sie eher introvertiert und sachlich sind, spielt dabei keine Rolle. Wir wollen echte Menschen sehen - mit echten Gefühlen, mit Ecken und Kanten, ja - und auch mit Fehlern. Menschen, die uns unterhalten, informieren und kompetent auf ihre eigene, ganz individuelle Art und Weise durch ihre Veranstaltung führen. Das ist das Geheimnis erfolgreicher Moderatoren. Sie schaffen es, andere für sich einzunehmen, indem sie ihre Persönlichkeit zeigen. Sie beeindrucken uns mit der Art, wie sie auftreten und mit uns sprechen. Jeder kann das im Fernsehen beobachten. Es gibt viele Moderatoren, aber nur wenige wirklich gute. Die, die es ganz nach oben geschafft haben, sind starke Persönlichkeiten und zeigen Profil. Oder wie es der TV-Moderator Thomas Gottschalk in einem Interview (Spiegel 47/2011) sagte: "Ich muss mir keine Pseudofröhlichkeit zurechtlegen oder zurechtlegen lassen, sondern bin vor der Kamera weitgehend so, wie mich Gott geschaffen hat. Und ich lebe gut davon." So, wie wir Thomas Gottschalk in seinen zahlreichen Sendungen und Fernsehevents erleben, kennen ihn seine Freunde. Er gibt sich öffentlich genauso wie privat. Da gibt es keinen Unterschied.
 

Zweitens: Gastgeberhaltung und Wertschätzung. Lieben Sie Ihr Publikum! Mit "lieben Sie" meine ich natürlich nicht die erotische Liebe, sondern die Wertschätzung. Wenn Sie Ihre Zuschauer wertschätzen, werden Sie alles dafür tun, dass es ihnen gut geht. Wie oft erlebe ich Events, in denen die Moderatoren mehr mit sich als mit ihrem Publikum beschäftigt sind. Man sieht ihnen regelrecht an, wie sehr sie damit beschäftigt sind, ihre Gedanken zu sortieren und nach Fakten und Stichworten zu suchen, die sie unbedingt loswerden wollen. Genau das ist das Problem. Wer zu sehr auf sich und seine Gedanken bezogen ist, kann nicht im Kontakt mit dem Publikum sein. Aber genau das ist die eigentliche Aufgabe. In der Bezeichnung Gastgeber ist das Wort "geben" enthalten. Dem Publikum etwas geben, ist die Bestimmung eines Moderators. Dazu muss er mental und physisch mit seinen Gästen verbunden sein, mit seinem Denken und seinem Blick. Begegnen Sie Ihrem professionellen Publikum genauso wertschätzend wie Ihren Gästen zu Hause.
 

Drittens: Empathie. Dies ist die Fähigkeit, sich in andere Personen einfühlen zu können, ihre Gedanken, Gefühle und Motive zu erkennen. Und dazu gehört, entsprechend darauf zu reagieren. Auf der Bühne ist das eine überlebenswichtige Fähigkeit. Stellen Sie sich vor, ein Moderator bemerkt nicht, wenn die Stimmung bei den Zuschauern ins Negative umschlägt. Oder: Er hat einen Redner auf der Bühne, der gehemmt vom Lampenfieber kaum einen Ton herausbringt. Würde der Moderator nicht entsprechend reagieren, hätte dies fatale Folgen für die Veranstaltung. 

Ein Gastgeber sollte spüren, was seine Gäste auf dem Herzen haben, was sie denken und brauchen. Diese Fähigkeit hängt stark mit der eigenen Selbstwahrnehmung zusammen. Je offener jemand mit seinen eigenen Gefühlen umgeht, umso besser kann er sich in andere Menschen hineinversetzen. Allerdings: Wer auf der Bühne unter Lampenfieber leidet, hat es schwerer, empathisch zu sein. Eine Studie des Psychologen Jeffrey Mogil von der Universität Montreal hat gezeigt, dass Stress die Fähigkeit zur Empathie hemmt. Das heißt: Wenn Sie wissen, dass Sie unter Auftrittsangst leiden, achten Sie besonders auf Ihren Kontakt zum Publikum.
 

Viertens: Wahrhaftigkeit. Diese Tugend ist sowohl für die Art und Weise Ihres Auftritts wichtig als auch für den Inhalt des Gesagten. Denn ein Moderator wirkt nur dann glaubhaft, wenn er authentisch auftritt und die Wahrhaftigkeit zu spüren ist. Viel zu oft erlebe ich, dass sich selbst Profis tolle Geschichten für ihre Moderation ausdenken. Geschichten, die frei erfunden sind oder so nicht ganz stimmen. Ich warne davor, irgendetwas zu erfinden und auf der Bühne zu erzählen. Erstens möchten Zuschauer nicht angelogen werden. Zweitens wollen sie dem Moderator glauben, auf ihn vertrauen und im Ernstfall vom ihm wissen, wo der Notausgang ist, wenn es brennt. Drittens: Erlogene Geschichten können einem gehörig um die Ohren fliegen. Wenn nämlich eine der auftretenden Personen später auf die Geschichte eingeht und den Moderator etwas dazu fragt, verstrickt der sich in Lügen. Halten Sie es daher wie der französische Philosoph Voltaire: "Alles, was du sagst, sollte wahr sein, aber nicht alles Wahre solltest du sagen."
 

Fünftens: Selbstbewusstsein. Diese Eigenschaft besitzt einen natürlichen Gegenspieler: den inneren Kritiker. Vermutlich kennen Sie den recht gut, wenn er alles Mögliche kommentiert und kritisiert. Er schwatzt immer dann dazwischen, wenn Sie gerade etwas machen wollen, das Ihnen besonders am Herzen liegt. "Du bist nicht kompetent genug. Du redest dummes Zeug. Du bist besser am Schreibtisch aufgehoben als auf der Bühne." Mit solchen Sprüchen kann er einem gewaltig auf die Nerven gehen und Lampenfieber beim Auftritt produzieren.  

Der innere Kritiker existiert jedoch nur in unseren Köpfen. Daher mein Tipp an Sie: Schieben Sie solche Gedanken beiseite. Bei einem Auftritt hat der innere Kritiker nichts zu suchen. Weisen Sie ihn in die Schranken und gehen Sie selbstbewusst an Ihre Aufgabe. Wer auf der Bühne moderiert, darf sich nicht wie ein kleines Kind hinter Mamas Hosenbein verstecken wollen. Ein Kollege drückte es einmal sehr einfach aus: "Als Moderator musst du es einfach aushalten, von vielen angeglotzt zu werden." Es sind aber nicht nur die Blicke, die es auszuhalten gilt, sondern auch das öffentliche Reden und Handeln, die innere Stärke und ein gehöriges Maß an Selbstbewusstsein erfordern.
 

Sechstens: Kritikfähigkeit. Der innere Kritiker hat allerdings durchaus eine Daseinsberechtigung. Und zwar dann, wenn er gefragt wird. Wenn sich das Selbstbewusstsein ganz ohne Regulativ auf der Bühne austoben könnte, hätten wir es mit einer selbstverliebten Rampensau zu tun. Und wer will das schon sein? Insofern ist eine gesunde Kritikfähigkeit eine wichtige Tugend für Veranstaltungsmoderatoren. Ich bitte meine Auftraggeber von Events anschließend immer um ein ehrliches Feedback. Manchmal gibt es Videoaufzeichnungen, die ich mir geben lasse und anschaue. Konstruktive Kritik ist ein großartiges Instrument, sich und seinen Auftritt zu reflektieren und besser zu werden. "Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein!", sagte der Unternehmer Philip Rosenthal. Die Fähigkeit, Kritik neugierig und offen anzunehmen, sollte Ihre Karriere immer begleiten.
 

Siebtens: Offenheit und Neutralität im Gespräch. Moderatoren müssen offen für Menschen und ihre Themen sein. Sie sollen sich unvoreingenommen einlassen auf ihre Gäste und das, was ihnen der Veranstalter als Programm aufgetragen hat.  

Gelegentlich werden Sie Vorurteile bei sich entdecken, von deren Existenz Sie nicht einmal wussten. Vielleicht erinnern Sie sich an die letzte Mitarbeiterversammlung Ihres Unternehmens, die der Stellvertreter des Geschäftsführers moderiert hat und bei der die Zuschauer ziemlich unaufmerksam waren. Welche Gefühle kamen in Ihnen hoch? Welche Vorurteile entdecken Sie im Rückblick darauf? Seien Sie offen: Es liegt in Ihrer Hand, dass es bei Ihrer Moderation anders wird. Auch bei Themen, bei denen Sie möglicherweise anderer Meinung als ein Referent sind, rate ich zu Unvoreingenommenheit. Sie dürfen natürlich Ihre Meinung haben, Sie können sie auch kundtun (sofern dies nicht die Ziele des Veranstalters torpediert), dürfen Programminhalte kommentieren, aber es bleibt Ihre persönliche Meinung. Die Zuschauer bilden sich ihre eigene.  

Ein Sonderfall sind Interviews und Diskussionsrunden. Sie erfordern neben der Offenheit zudem die Neutralität als weitere Kompetenz. Moderieren Sie beispielsweise eine Diskussion zum Thema Umweltschutz, ist es oberste Priorität, dass Sie als Moderator neutral fragen. Sie dürfen Diskussionen nicht in eine Richtung beeinflussen. In Interviews gilt ebenfalls: Keine Beeinflussung, Gespräche werden immer neutral geführt. Andernfalls fühlen sich die Zuschauer an der Nase herumgeführt. Sie outen sich entweder als Mikrofonhalter auf zwei Beinen, oder die Gäste fühlen sich von Ihnen zu einer bestimmten Meinung gedrängt.
 

Achtens: Flexibilität. Veranstaltungen sind Unikate. Auch wenn es sich vielleicht um eine Reihe gleicher Veranstaltungen handelt, so gestaltet sich doch jede für sich einzigartig in Bezug auf das Publikum, den Ort, den Tag, das Wetter, die Stimmung und so weiter. Diese Einzigartigkeit macht den Reiz, aber auch die Schwierigkeit aus, Veranstaltungen zu moderieren. Wir müssen einen Plan haben, sollten aber jederzeit in der Lage sein, diesen Plan zu verlassen und uns auf neue Situationen einzustellen. Deshalb erfordert Veranstaltungsmoderation hohe Flexibilität und situatives Entscheidungsvermögen im Umgang mit Themen und Publikum. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie vor 50 oder 5000 Menschen auf der Bühne stehen. Ihre Flexibilität gibt Ihnen die Freiheit, auf ungeplante Situationen angemessen zu reagieren.
 

Neuntens: Belastbarkeit und Umgang mit Stress und Lampenfieber. Wer behauptet, dass Moderation ein leichter Job sei, der macht sich entweder selbst etwas vor, oder er hat noch nie auf der Bühne von Anfang bis Ende durch eine Veranstaltung geführt. Wenn eine Moderation gut ist, sieht sie leicht aus. Aber in Wirklichkeit ist sie anstrengend wie ein Marathon. Die Verantwortung für das Ganze, die Livesituation, die vielen unterschiedlichen Tätigkeiten. Der Moderator ist lange vor dem eigentlichen Auftritt in die Veranstaltung involviert mit Briefing, Vorbereitung und Konzept. Dazu kommt das Reisen, das Sich-Einstellen auf fremde Menschen und immer neue Situationen, die Anspannung vor und während des Auftritts, das Lampenfieber und der Stress, der mit alldem zusammenhängt. Schließlich gibt es nur diese eine Chance, dass die Veranstaltung zum Erfolg wird. All das macht die Aufgabe Moderation zu einem echten Mammutprojekt, das eine gute mentale und körperliche Kondition erfordert.
 

Zehntens: Kreativität und Mut. Viele Veranstaltungen sind langweilig, weil sich Moderatoren nichts trauen und sich an gängige Formulierungen halten, anstatt sich abseits davon zu bewegen. Kennen Sie die Formulierung: "Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind"? Ich glaube nicht, dass diejenigen, die diesen Satz zur Einleitung sagen, dies tun, weil ihnen nichts anderes einfiele. Ihnen fehlt schlicht der Mut, etwas anderes auszuprobieren. Mit der bewährten Floskel bewegen sie sich auf sicherem Terrain. Es kann ihnen nichts passieren, und keiner kann Anstoß nehmen. Das ist richtig. Aber sie reißen auch keinen vom Hocker, und wahrscheinlich entfliehen ihre Zuschauer schon nach kurzer Zeit mit den Gedanken anderswohin. 

Deshalb: Seien Sie mutig! Zeigen Sie sich. Erzählen Sie Geschichten. Gehen Sie ins Publikum. Befragen Sie Ihre Zuschauer. Wagen Sie Neues. Machen Sie Dinge, mit denen das Publikum nicht rechnet. Sie müssen keinen Kopfstand auf der Bühne machen, aber Sie sollten etwas wagen. Ihre Zuschauer werden es Ihnen danken mit Aufmerksamkeit und Begeisterung.
 

Der Text ist dem Buch Die Gastgeber-Methode von Nicole Krieger entnommen.


changeX 20.10.2017. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Quellenangaben

Zum Buch

: Die Gastgeber-Methode. Konferenzen, Tagungen, Veranstaltungen, Diskussionen kompetent und erfolgreich moderieren. Beltz Verlag, Weinheim und Basel 2017, 240 Seiten, 29.95 Euro, ISBN 978-3-407-36592-7

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Autorin

Nicole Krieger
Krieger

Nicole Krieger ist TV-Journalistin, Moderatorin und Trainerin. Seit 1999 hat sie zahlreiche Fernsehsendungen und mehr als 700 Veranstaltungen aller Formate für namhafte Unternehmen, Ministerien und öffentliche Institutionen moderiert. Aus dieser Erfahrung entwickelte sie die Gastgeber-Methode für Veranstaltungsmoderation. 2010 gründete sie die Moderatorenschule Baden-Württemberg. Dort trainiert und coacht sie Nachwuchsmoderatoren und Führungskräfte der Wirtschaft für Moderationen, Präsentationen und Medienauftritte. Sie hält Vorträge und schreibt für Blogs zu den Themen Rhetorik, Auftritt und Moderation.

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