Ran an die Kuh!

Purple Cow, das neue Buch von Seth Godin.

Von Nina Hesse

Virales Marketing klingt auf den ersten Blick gefährlich. Ist es aber nicht. Es ist nur erfolgreich. Das Prinzip: Man nehme ein cooles oder witziges Produkt (Codename: "Purple Cow"), bringe es auf ungewöhnliche Art unter die Leute und beobachte dann, wie sich die Kunde davon per Mundpropaganda verbreitet. Seth Godin, ein Pionier dieses Konzepts, verrät mehr über seine Wirkung.

Seien Sie ehrlich - wann haben Sie sich zuletzt gemerkt, von wem eine der teuren ganzseitigen Hochglanzanzeigen in Ihrer Zeitschrift war? Und vermutlich gehören Sie auch zu den Menschen, die einen Werbeblock im Fernsehen als willkommene Gelegenheit zum Bierholen, Pinkeln oder Zappen nutzen. Werber und Marketingleute haben im 21. Jahrhundert nichts zu lachen. Ihr traditionelles Waffenarsenal ist stumpf geworden, der genervte Verbraucher schottet sich von ihren Werbefluten ab und glaubt den Beteuerungen, wie toll das Produkt sei, sowieso nicht mehr. Die Autoren Al und Laura Ries empfehlen stattdessen, die PR-Maschinerie noch einen Gang hochzuschalten und mehr Medienberichte auszulösen. Denn allzu viele Leute glauben leider noch, was sie in der Zeitung lesen.
Ein anderer, schon seit einigen Jahren (und spätestens seit dem Moorhuhn-Hype) bekannter Ansatz sind "Ideenviren". Oder, um Seth Godins neues Bild zu benutzen, "lila Kühe". Wahrscheinlich ruft das Wort "Virus" bei den von Computerschädlingen belagerten Usern inzwischen heftige Abwehrreaktionen hervor. Bei der lila Kuh hingegen vermeint man sofort den zart schmelzenden Geschmack von Schokolade auf der Zunge zu spüren.

Bemerkenswert muss es sein.


Doch mit Milka hat Godins Konzept herzlich wenig zu tun. Eine "Purple Cow" ist für ihn ein Produkt, das so bemerkenswert ist, dass sich das durch Mundpropaganda herumspricht und alle es haben wollen. Es macht sich seine Werbung selbst. Das bedeutet nicht, dass es spottbillig ist, mit Purple Cows zu arbeiten. Statt in ganzseitige Anzeigen muss man nun eben in die Entwicklung immer neuer Ideen investieren. Die Erfahrung lehrt, dass die tollste Sache schnell langweilig wird und die nächste Sensation her muss. "Hören Sie ein für alle Mal mit Werbung auf und widmen Sie sich ganz der Innovation", empfiehlt Godin deshalb. Nur Unternehmen, die sich nicht mit dem "Sehr gut" begnügen, sondern immer wieder mit Überraschendem und Bemerkenswertem begeistern, haben die Chance, mitzuhalten.
Ein weiterer Grund, warum es nicht mehr bunte Kühe gibt, ist die Angst. Die meisten Mitarbeiter und Entscheider im Unternehmen scheuen das Risiko, das damit untrennbar verbunden ist. Denn die meisten Purple Cows sind schräg, ungewöhnlich oder schier verrückt. Müssen sie auch sein. Über stinknormale Wertarbeit erregt sich niemand. Design und Marketing müssen Hand in Hand arbeiten, um eine Purple Cow zu schaffen, weshalb man, so Godin, die Geschäftsführung am besten gleich einem Marketingmenschen übergibt.

Nette Denkanstöße, nervige Beispiele.


Seth Godins Buch ist ein interessanter Denkanstoß für eine völlig neue Art der Vermarktung, die gewöhnungsbedürftig ist und die die meisten Unternehmen nicht im Entferntesten beherrschen. Seine Thesen sind wie gewohnt einleuchtend, das Buch ist flott geschrieben. In vielen kleinen Kapiteln, in denen er auch gerne von seinen eigenen Erfahrungen und Eindrücken erzählt, bringt er dem Leser seine Ideen nah. Dennoch nervt die Vielzahl an amerikanischen Beispielen - viele davon betreffen Produkte, die hierzulande kein Mensch kennt. Auch ein paar mehr konkrete Tipps dafür, wie virales Marketing in der Praxis funktioniert, hätte man sich gewünscht. Einen viel zu großen Teil des Buches nehmen Erklärungen ein, warum Werbung nicht mehr funktioniert. Witzig ist dagegen sein Bericht, wie er die Vermarktung seines neuen Buches (natürlich à la Purple Cow) organisiert hat. Ein deutscher Buchhändler wäre bei solchen Vorschlägen sicher in Ohnmacht gefallen.
Nur ein kleiner, nagender Zweifel bleibt nach der Lektüre. Wenn in Zukunft jeder mit Purple Cows arbeitet, sind sie bald nichts mehr Besonderes. Auch, wenn sie eigentlich bemerkenswert sind. Vermutlich sind die Leute in zehn Jahren durch die neuen Marketingmethoden so reizüberflutet, dass auch die aufsehenerregendsten Produkt-Stunts kaum noch ihre Aufmerksamkeit wecken können.
Bis dahin viel Glück mit der lila Kuh.

Seth Godin:
Purple Cow.
So infizieren Sie Ihre Zielgruppen durch virales Marketing,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
202 Seiten, 17.90 Euro,
ISBN 3-593-37427-7
www.campus.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

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© changeX Partnerforum [16.03.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Purple Cow. . So infizieren Sie Ihre Zielgruppen durch virales Marketing.. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 202 Seiten, ISBN 3-593-37427-7

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