Achtung, Interessenkollision!

Sind die Gehälter der deutschen Spitzenmanager unmoralisch und unanständig?

Während sich Deutschland nur mühsam aus der Krise holt, steigen die Gehälter in den Führungsetagen der Unternehmen weiter kräftig an. Besonders problematisch: Bei einer Beteiligung des Spitzenmanagers an der Wertsteigerung im Sinne einer Prämie kollidieren die Interessen des Kapitaleigners heftig mit den Interessen des Unternehmens - Verlierer sind die Firma und deren Mitarbeiter.

Der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann stößt derzeit auf heftige Kritik aufgrund der Erhöhung seiner Bezüge um zirka 60 Prozent. Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisiert einige hundert Spitzenverdiener als unmoralisch und anstandslos. Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz meint: "Bei Ackermann haben wir eine Größenordnung, bei der es mit der Rechtfertigung schwierig wird." Und selbst der amerikanische Großinvestor Warren Buffet spricht von einer "Epidemie der Gier".

Die gerechte Entlohnung.


Wir als Ethikverband der Deutschen Wirtschaft weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es bei der Gerechtigkeit des Lohnes nicht nur um ein betriebswirtschaftliches, sondern auch um ein ethisches Problem geht - ein Problem der Verhältnismäßigkeiten.
Die gerechte Bezahlung der Arbeit hängt für den EVW zunächst von der Wertschöpfung ab, die nicht immer leicht zu ermitteln ist. Gleichzeitig kann der Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens eine Rolle spielen. In der öffentlichen Diskussion wird dieser Unterschied nicht gemacht, er ist jedoch für die moralische und ethische Bewertung sehr wichtig. Nach den Regeln der Deutschen Bank für die Vergütung ihrer Spitzenmanager ist diese Sonderzahlung an die Eigenkapitalrendite und den Aktienkurs geknüpft. Die Eigenkapitalrendite, also die Verzinsung des eingesetzten Kapitals, hat sich bei der Deutschen Bank im vergangenen Jahr von vier auf knapp 13 Prozent erhöht. Der Aktienkurs ist im Jahresverlauf um rund 50 Prozent gestiegen.
Nun sollte man wissen, dass das Kapital eines Unternehmens nicht wertschöpfend ist. Der Aktienkurs und der Bilanzgewinn sind wertsteigernd. Wertschöpfend sind die Arbeit, das Wissen der Mitarbeiter, die Mobilität und auch die Unternehmenskultur. Die Wertschöpfung geschieht eben nicht durch das Kapital, sondern durch Menschen. Kapital ist eine reine Produktionsbedingung.

Shareholdervalue-Denken kollidiert mit den Unternehmensinteressen.


Wahrscheinlich verstehen wir in der Bundesrepublik den Shareholdervalue-Begriff anders als in den USA. In Deutschland ist Shareholdervalue überwiegend nur eine Verbesserung des Bilanzgewinns. Aber auch hier erleben wir, dass Unternehmen mit positiven Bilanzzahlen von sinkenden Börsenkursen begleitet werden.
Nur dem an langfristigen Erfolgen interessierten Investor ist die Steigerung der Wertschöpfung wichtig. Die meisten Investoren interessieren sich nur für das mittel- oder kurzfristige Return on Investment. Jean Baptiste Say hat schon im 19. Jahrhundert darauf hingewiesen, dass die Interessen des Kapitaleigners und die Interessen des Unternehmens, vertreten durch das Management, völlig andere sind. Das Unternehmen will den Unternehmenswert verbessern, der Kapitaleigner dagegen eine möglichst hohe Rendite auf das eingeschossene Kapital erzielen. Nach dem Say'schen Prinzip widersprechen die Interessen des Eigners den Interessen des Unternehmens.
Wir haben momentan die etwas perverse Situation, das die Unternehmenseigner und das Unternehmen dasselbe wollen. Shareholdervalue bedeutet laut Say das Ende eines jeden Unternehmens. Das war übrigens schon Karl Marx bekannt. Bei der Bewertung eines Unternehmens ist der Bilanzgewinn wahrscheinlich das aussageloseste Instrument überhaupt. So kann die Wertsteigerung dazu dienen, den Aktienkurs in die Höhe zu treiben und den Bilanzgewinn zu vergrößern, damit jedoch ein Unternehmen auf Dauer ruinieren. Eine Beteiligung des Spitzenmanagers an der Wertsteigerung im Sinne einer Prämie erscheint somit unethisch, da hier eindeutig die Interessen des Kapitaleigners mit den Interessen des Unternehmens heftig kollidieren.

Leistet Herr Ackermann einen Beitrag zur Wertschöpfung?


Sind Herr Ackermann oder irgendein Vorstand dazu angetreten, den Unternehmenswert zu steigern, oder den Kapitalertrag oder Aktienwert? Im Sinne eines gut verstandenen Managements sollten die Vorstände antreten, um den Unternehmenswert zu steigern, und der lässt sich nun einmal nur durch Wertschöpfungsbeiträge optimieren. Vor diesem Hintergrund wäre eine Prämie dann unmoralisch und auch unethisch, wenn die Wertsteigerung der Aktien und nicht die Wertschöpfung Grundlage der Prämie ist. Damit muss sich Herr Ackermann fragen lassen, inwieweit sein Beitrag zur Wertsteigerung durch einen Beitrag zur Wertschöpfung zustande gekommen ist.
Offensichtlich ahnt die Deutsche Bank all dies. So begründet sie denn die Zahlungen von rund 60,5 Millionen Aktienanrechten im Wert von 3,1 Milliarden Euro - 31 Prozent mehr als noch im Jahr 2002 - als "Bleibeprämie". Diese Prämie bezieht sich wohl auf den Marktwert der Spitzenmanager. Man fragt sich, ob es sich um einen tatsächlichen Marktwert oder einen fiktiven Marktwert handelt. Tatsächlich ist ein Marktwert nur dann, wenn der Markt diesem Spitzenmanager auch die immer wieder ins Spiel gebrachten Gehälter oder Prämien zahlen würde. Wie viele deutsche Vorstände haben denn bisher von den hoch dotierenden amerikanischen Unternehmen ein Angebot bekommen? Wie viele deutsche Unternehmen haben amerikanischen Spitzenmanagern einen Job angeboten? Es ist wohl anzunehmen, dass der behauptete Marktwert konkret bisher noch nicht ausgetestet wurde. Warum auch? Es könnte ja sein, dass der Markt nicht bereit ist, den "Marktwert" zu zahlen! Interessant in diesem Zusammenhang ist der Hinweis der Deutschen Bank, Investoren verlangten diese Form der Entlohnung, da die Investoren dadurch ihr besonderes Interesse an steigenden Aktienkursen besonders gut gewährleistet sähen. Völlig unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch die besondere Entlohnung von Claus Peter Müller von der Commerzbank, der trotz Milliardenverlusten der Bank in Zukunft 13 Prozent mehr Gehalt beziehen darf. Hier wird eine echte Interessenkollision belohnt.

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