Geerbte Macht
Weibliche Übernahme - das neue Buch von Ulrike Posche.
Von Nina Hesse
Braucht man einen MBA, um ein Unternehmen zu lenken? Nicht, wenn man jahrelang ein persönliches Coaching vom Chef bekommen hat. Nach diesem Motto führen Frauen wie Liz Mohn, Friede Springer oder Ulla Berkéwicz die Arbeit ihrer Männer weiter. Und bauen die geerbte Spitzenposition so stark aus, dass ihre Macht den ewigen Machos langsam Sorgen zu machen beginnt ...
Es ist schon bitter: Noch nie waren Frauen in Deutschland so gut ausgebildet, so aktiv im Beruf wie jetzt. Und wie sind die mächtigsten Frauen Deutschlands zu ihren Posten an der Spitze von Unternehmen gekommen? Wie anno dazumal. Über ihre Männer. "Den Laden von ihrem Mann zu erben ist die sicherste aller Methoden, Chefin zu werden und vor allem: es zu bleiben", schreibt Ulrike Posche unbekümmert, erklärt diese Form des Aufstiegs sogar zum Königsweg zur Macht. Warum sie es zu bleiben so betont, wird klar, wenn man das Nachwort liest. Dort erzählt Posche das Beispiel einer jungen, fitten Aufsteigerin, die - nachdem sie zur "Managerin des Jahres" gekürt worden war - in ihrem Unternehmen kaltgestellt wurde. "So was könnte einer Liz Mohn natürlich niemals passieren. Sie lässt abpfeifen oder pfeift auch mal selber", kommentiert Posche.

Persönlich vom Chef ausgebildet.


Sieben Frauen porträtiert sie frech, aber mit viel Einfühlungsvermögen und Fairness: Friede Springer, Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, die neue Suhrkamp-Oberfrau Ulla Berkéwicz, Pressefürstin Eske Nannen, Gloria von Thurn und Taxis, Willy-Brandt-Witwe Brigitte Seebacher und BMW-Großaktionärin Johanna Quandt. Gemeinsam haben sie: Keine dieser Frauen war von der Ausbildung her auf ihre Führungsrolle vorbereitet; sie haben an keiner Uni studiert und lenken doch Konzerne. Sie waren zwar selten die ersten, aber immer die letzten Frauen von Patriarchen und lernten an und von ihren Männern - die gewöhnlich 30 Jahre älter waren. Das ist ihnen mit verächtlichem Naserümpfen von zumeist männlichen Kritikern oft vorgeworfen worden und ruft auch bei modernen Leserinnen gemischte Gefühle hervor. Die Wie-angele-ich-mir-einen-Millionär-Attitüde, die man (zu Recht oder Unrecht) hinter solchen Lebenswegen wittert, hat mit eigenen Leistungen erst mal nichts zu tun und riecht nach raffinierter Durchtriebenheit.
Und doch: Viele dieser Chefinnen haben sich bereits bewährt. Es ist weitaus häufiger, dass bezahlte Manager auf dem Ego-Trip oder Erben aus der dritten Generation den Laden an die Wand fahren. Und jetzt mal ehrlich: Ist ein Schmalspur-Studium in proppenvollen Hörsälen, die Lektüre von zahlenfixierten Wälzern über Betriebswirtschaftslehre wirklich die beste Art, etwas über Unternehmensführung zu lernen? In der dünnen Luft ganz oben kommt es, das zeigen die sieben Kurzbiografien sehr deutlich, auf etwas anderes an. Was sie brauchten, haben diese Frauen sozusagen in Einzelunterricht, in persönlichem, mehrjährigem Coaching von hochqualifizierten Mentoren in der Praxis gelernt. Und vor allem hatten die angehenden Chefinnen den Mut, diese Erkenntnisse anzuwenden, und die Intelligenz und Durchsetzungskraft, damit erfolgreich zu sein. "Alle hier beschriebenen Frauen waren irgendwann beherzt genug, dort, wo mit Macht gespielt wird, auch Macht zu demonstrieren", ist Posches Fazit.

Weibliche Übernahme in Sicht!


Doch Macht ist ein sehr zwiespältiges Instrument. Und so sind die Hauptfiguren der sieben Geschichten auch nicht immer nur sympathisch, sondern auch zuweilen ambivalent - bei einigen scheint in der Biografie großer Ehrgeiz oder eine Vorliebe für Intrigen auf. Manche werden von ihren Untergebenen und Weggefährten verehrt, andere gehasst. Die Erben sind auf die jungen Frauen der Gründer natürlich nie gut zu sprechen - denn oft werden die Söhne vom Vater zugunsten der Neuen ausgebootet. Ob die Kinder des Patriarchen, die er mit seinen ersten Frauen gezeugt hat, die besseren Führungspersönlichkeiten gewesen wären, ist eine offene Frage. "Gattinnen halten an den Wurzeln fest, bewahren die Tradition, auch wenn sie neue Akzente setzen", hat Posche beobachtet und fragt suggestiv: "Ist es nicht ideal, wenn die Witwe das Erschaffene nach seinem [des Gründers] Willen weiterführt?"
Eins ist sicher: Angesichts der beeindruckenden Positionen, die Frauen auf diese Art inzwischen geerbt/erobert haben, kommen in so manchem Macho oder Ewiggestrigen Urängste hoch. Was Posche genüsslich auf die Schippe nimmt. Fröhlich kündigt sie im Vorwort eine Zukunft an, die so manchem den Schweiß auf die Stirn treiben dürfte: "Frauen übernehmen die Macht. (...) Irgendwann, vielleicht sehr bald, werden sie womöglich losschießen und ganz Deutschland verändern. Sie werden den Weg frei machen für die Nachfahrin Helmut Kohls, für Angela Merkel. (...) Am Ende nämlich bringen dann ein hessisches Bürofräulein, ein Kindermädchen von der Insel Föhr und eine Telefonistin aus Wiedenbrück eine Pastorentochter aus der Uckermark ins Kanzleramt."

Spannende Unterhaltung, garantiert echt.


Für diejenigen, die mit solchen Szenarien kein Problem haben, eignet sich Posches Buch blendend zur Freizeitlektüre. Es sind spannende Lebensgeschichten, die hinter diesen sieben Namen stecken - oft romantisch, immer konfliktreich und mit einem garantierten Happy End. Manche klingen nach Cinderella (mächtiger Unternehmenschef verliebt sich in schüchternes blutjunges Mädchen vom Land und macht sie zu seiner Prinzessin), andere eher nach "Dallas" (da der Konzernchef leider schon verheiratet ist, verschafft er seiner Geliebten einen Schein-Ehemann und setzt die Beziehung mit ihr fort, bis sie drei Kinder von ihm hat) oder einem Adelsdramolett (der exzentrische alternde Fürst erklärt der Auserwählten, dass er vor der Heirat gerne sicher wäre, ob sie überhaupt fruchtbar ist - erst als sie mit dem gewünschten Erben schwanger ist, wird das Aufgebot bestellt). Wann meldet sich endlich eine Regisseurin, die diese Storys verfilmt?

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Ulrike Posche:
Weibliche Übernahme.
Wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen,

Campus Verlag, Frankfurt/New York 2004,
255 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 3-593-37415-3
www.campus.de

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: Weibliche Übernahme. . Wie Frauen in Deutschland sich die Macht nehmen. . Campus Verlag, Frankfurt/New York 1900, 255 Seiten, ISBN 3-593-37415-3

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