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Hilfe zur Selbsthilfe
Für das Projekt ViCO müssen die Wissenschaftler des Hochschuldidaktischen Zentrums die bisherige Didaktik förmlich auf den Kopf stellen.
Von Helga Hochberger
ViCO heißt "virtueller Qualifizierungscoach" und bezeichnet eine intelligente Software, die Mitarbeiter in Unternehmensnetzwerken künftig bei der Weiterbildung unterstützen soll. Seit fast zwei Jahren arbeiten ein Verbundprojekt von sechs Kooperationspartnern aus der Wissenschaft und zwei Unternehmen aus der Wirtschaft an diesem komplexen Programm. In der ersten Phase wurde untersucht, welche Qualifikationen, Kompetenzen und Schlüsselkompetenzen man braucht, um erfolgreich in virtuellen Unternehmen oder Netzwerken zu arbeiten. Nun gilt es, ein didaktisches Modell zu gestalten, das der Dynamik und Flexibilität von ViCO gerecht wird. Eine herausfordernde Aufgabe für die Wissenschaftler vom Hochschuldidaktischen Zentrum der Universität Dortmund.
Mitarbeiter in virtuellen Unternehmen sehen sich nicht nur mit neuen Arbeitsbedingungen konfrontiert, sondern auch mit veränderten Anforderungen an ihre Qualifikation. Für die Arbeit in lockeren Netzwerken brauchen sie eine besonders hohe Kommunikations- und Kooperationskompetenz. Sie müssen mit kulturellen Differenzen umgehen können, schnell in eine neue Rolle hineinwachsen und unternehmerisch denken. Sie brauchen eine hohe Toleranz gegenüber Unsicherheit und Veränderung. Und sie benötigen ein hohes Maß an Selbstkompetenz. Wie aber erkennen diese Mitarbeiter, ob sie über solche Fähigkeiten in ausreichendem Maße verfügen und worin genau ihr Qualifikationsbedarf besteht? In traditionellen Unternehmen unterstützt und begleitet die Personalentwicklung diesen Qualifizierungsprozess. In virtuellen Unternehmen, in denen es solche Abteilungen nicht gibt, soll das künftig ViCO übernehmen. Mit Hilfe des virtuellen Coachs sollen sich die Mitarbeiter vergewissern können, welche Kompetenzen für ihre jeweilige Arbeit nötig sind und wo sie Defizite haben. Darüber hinaus bietet ihnen ViCO eine Auswahl von angemessenen Weiterbildungsangeboten aus dem World Wide Web für ihre individuelle Bedarfslage an und unterstützt den Netzwerker bei seinem selbstgesteuerten Qualifikationsprozess. Dahinter steht ein komplexes Zusammenspiel von virtuell unterstütztem Lernen und Lehren, dem ein didaktisches Fundament zu Grunde gelegt werden soll.

Neue didaktische Strategien.


Hier setzt die Arbeit des Hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Dortmund an - einem der acht Partner des Forschungsverbunds. Seit September 2004 beschäftigt sich dort eine Gruppe von Wissenschaftlern mit der Entwicklung von didaktischen Strategien, die den speziellen Anforderungen des virtuellen Qualifizierungscoachs gerecht werden. In den vergangenen Monaten haben die Mitarbeiter vorhandene didaktische Modelle analysiert und Theorien des Coachings, der Lernberatung und des selbstgesteuerten Lernens durchleuchtet. "Uns war schnell klar, dass wir für ViCO die Didaktik förmlich auf den Kopf stellen müssen", sagt Matthias Heiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Expertenteam. "Denn herkömmlicherweise ist die Wissenschaft des Lernens und des Lehrens in der Hand der lehrenden Experten und für lehrende Experten gestrickt. Bei ViCO wird dieser Ansatz nun umgedreht. Es geht darum, eine Didaktik aus der Perspektive von Lernenden zu entwickeln - ein Modell, das ihnen hilft, selbst zu erkennen, was und wie sie lernen wollen. Zum anderen müssen wir die Heterogenität zwischen zwei verschiedenen 'didaktischen Sprechweisen' überwinden, der umgangssprachlich strukturierten Selbstbeschreibung der Lernenden als Nachfragende und der fachlich strukturierten Beschreibung von Lehr- und Lernangeboten des Weiterbildungsmarktes."
Die Lernenden, so Heiner, wissen zwar, wo ihre Schwachpunkte sind und können sie unter Umständen beschreiben, aber wie sie diese beschreiben, bleibt ein Problem. Zum Beispiel stellt ein Mitarbeiter fest, dass er nicht besonders gut mit Kunden umgehen kann. Aus didaktischer Sicht ist nun zu fragen, wo genau das Problem beim Umgang mit Kunden zu verorten ist? Ist es ein Kommunikationsproblem oder eine Frage der sozialen Kompetenzen? Ist das Problem eher auf sprachlicher Ebene angesiedelt oder steht ein psychologischer Konflikt dahinter? Der virtuelle Qualifizierungscoach soll die Lernenden in die Lage versetzen, ihre individuelle Lernproblematik zunächst einmal genau auszudifferenzieren und dann daraus ein persönliches Qualifikationsprofil zu entwickeln - und zwar so, dass sie es mit dem Angebot auf dem Weiterbildungsmarkt optimal matchen können.

Individuelles Bedarfsprofil.


Diese Hilfe zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung ist der Grundgedanke des Coachings - nur, dass bei ViCO der Coach keine Person ist, sondern ein intelligentes mediales Interface, das die Funktion des Coachings übernimmt. Wie kann man sich das konkret vorstellen? Björn Fisseler, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, gibt ein Beispiel: "Dem Mitarbeitenden, der Defizite beim Kundenumgang hat, könnte ViCO etwa verschiedene Situationen im Umgang mit Kunden präsentieren, anhand derer er erkennen kann, wo genau seine Probleme liegen. Anschließend könnte er sich eine Art 'Qualifikationsportfolio' erstellen. Dieses individuelle Bedarfsprofil ermöglicht eine hohe Trefferquote bei der Suche nach geeigneten Bildungsangeboten."
Das Team der Uni Dortmund setzt sich derzeit intensiv mit der Frage auseinander, welche Instrumente sinnvoll und nötig sind und was solche Instrumente des virtuellen Coachings können müssen. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, gemeinsam mit Softwaretechnologen zu erarbeiten, wie diese Tools gestaltet werden können - und schließlich einen Prototyp zu programmieren.
Am Anfang des Projekts war man noch davon ausgegangen, dass ein Ensemble sogenannter "lernender Agenten" dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Inzwischen treten andere Technologien in den Vordergrund. "Wir setzen auf die Kommunikation über Lernen. Diese Kommunikation steuert die Optimierung des Matchings von Nachfrage und Angebot. Hierfür brauchen wir die passende intelligente Unterstützung durch Technologie. Und wir wollen vor allem Gestaltbarkeit und Transparenz für die Nutzenden und kein Tool, das automatisch über Nutzende oder hinter ihrem Rücken entscheidet", erklärt Matthias Heiner. Dies sei ja auch aus didaktischer Perspektive das Neue: Ein didaktisches Modell zu gestalten, das Lernen und Lehren für Lernende beschreibbar und - über Informations- und Kommunikationsmedien vermittelt - kommunizierbar macht.
Damit kann es den Anforderungen an Selbststeuerung, Transparenz, Dynamik und Flexibilität gerecht werden, die Mitarbeitende in virtuellen Netzwerken auszeichnen. Die Wissenschaftler vom Hochschuldidaktischen Zentrum bauen somit die Brücke in der Mitte des Forschungsprojekts, die die vorausgegangene empirische Forschungsarbeit der Psychologen, Pädagogen und Logistiker mit der künftigen Tätigkeit der Softwarespezialisten verbindet.

Praktisch für Freiberufler.


Und wie sehen sie die Zukunft von ViCO? "Da können wir uns eine breite Palette von Anwendungsmöglichkeiten vorstellen - auch jenseits von virtuellen Unternehmen", sagt Björn Fisseler. "Weiterbildung wird immer seltener von oben verordnet. Vielmehr werden Menschen zunehmend in die Selbstverantwortung genommen, wenn es um ihre Qualifikation geht. Auf die Frage, was, wie und wo gelernt werden soll, gehen bei herkömmlichen didaktischen Konzepten die Lehrenden ein. Der virtuelle Qualifizierungscoach könnte hier den Lernenden helfen, selbständig Antworten zu finden." Und Matthias Heiner ergänzt: "Wir meinen, dass dieses Verfahren des Coachings auf Freelancer unterschiedlichster Professionen übertragbar ist. Auch für den Hochschulbereich dürfte ViCO interessant werden. Zum Beispiel, wenn es darum geht, das eigene Studium zu planen. Denn im Zuge der zunehmenden Internationalisierung und Modularisierung von Studiengängen brauchen Studierende künftig eine viel höhere Selbstkompetenz." ViCO könnte also auch für die eigene Fachdisziplin ein Gewinn sein und deren Aufgabe - die Verbesserung von Lehren und Lernen - zukunftsweisend voranbringen.

Helga Hochberger arbeitet als freie Redakteurin für changeX.

Weitere Informationen:
www.hdz.uni-dortmund.de
www.virtueller-coach.de

© changeX Partnerforum [09.02.2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Helga Hochberger

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