Nicht am Denken sparen
Alles ist machbar und 25 andere fatale Irrtümer im Business - das neue Buch von Bertold Ulsamer.
Von Florian Michl
Energiesparen macht Sinn. Außer beim Denken. Zum Beispiel Grundsätze: Sie erleichtern den Alltag, weil sie die Realität auf Muster reduzieren, und sparen so Denkenergie. Die Gefahr ist nur: Was nicht ins Muster passt, fällt durchs Wahrnehmungsraster. Ein Psychologe und Managementcoach räumt mit unhinterfragten Weisheiten auf. Und befreit den Leser von mancher Managementscheuklappe. / 04.03.08
Ulsamer CoverDies ist ein Buch über das schon immer Dagewesene. Über das Alte und Unhinterfragte. Es behandelt die banalsten Glaubensgrundsätze der Managementlehre - um sie als fatale Irrtümer zu entlarven. All jene unhinterfragten Allgemeinplätze nämlich, die uns helfen, den Alltag zu organisieren und uns in schwierigen Phasen motivieren.
Im Grunde seien Grundsätze nützlich, sagt Bertold Ulsamer, ausgebildeter Jurist und Psychologe, der 15 Jahre als Managementtrainer tätig war und heute sein Wissen als Berater und Coach weitergibt: Sie helfen uns, die tägliche Flut an Informationen zu bewältigen, "weil sie den Denkprozess abkürzen und somit Energie sparen". Sie machen Urteile möglich, ohne Dinge ausgiebig zu betrachten. Denn diese "sind eben so" - warum also noch viel darüber nachdenken? Die Gefahr an solchen "Weisheiten": Grundsätze sind nicht jeder Situation angemessen. Wer sie zu absoluten Wahrheiten erklärt, verkehrt ihre Nützlichkeit ins Gegenteil, mahnt Ulsamer: "Das Leben ist nämlich viel zu reich, zu vielschichtig und zu rätselhaft, als dass es sich in Konzepte pressen ließe." Dementsprechend bietet das Buch keine Lösungen, sondern lädt zum Nachdenken ein.

Beißen fürs Ego.


"Wenn Sie nur wirklich wollen, kommen Sie an die Spitze!" Das steht nicht nur in vielen Business-Ratgebern, davon sind auch Lehrer und Eltern überzeugt, wenn die Leistung der Sprösslinge hinter den Erwartungen zurückbleibt. Klar, dass sich diese Meinung in allen Köpfen festgefressen hat - Zeit also, sie zu hinterfragen und in ihre Bestandteile zu zerlegen. Deren sind Willenskraft und Einsatz - zwei Tugenden von großer Bedeutung. Gefährlich aber, wenn sie zum Selbstzweck werden. "Kostbar ist es, wenn ein Mensch mithilfe seiner Willenskraft großes Leid erträgt, eine Katastrophe oder ein Konzentrationslager damit überlebt. Aber in einer schwierigen und unangenehmen Lage die Zähne zusammenbeißen und alles erdulden? Wenn es genauso möglich wäre, die Situation zu verlassen und es sich leichter zu machen?" Damit bringt der Autor die Sache auf den Punkt: Willenskraft ohne Intelligenz ist blind! Durchhalten um des Durchhaltens willen schadet dem Körper und Geist mehr, als es dem Ego geben kann.
Deshalb rät der Autor beispielsweise, den Arbeitsplatz zu wechseln, wenn das Arbeitsklima schlecht ist, unter den Kollegen offene Feindseligkeit herrscht oder der Chef einen auf dem Kieker hat. Wozu die Willenskraft strapazieren und die Zähne zusammenbeißen? Außer der Selbstbestätigung, stärker, zäher und kräftiger als die anderen zu sein, bringt das nämlich nichts. Stattdessen empfiehlt er, eine ehrliche und nüchterne Bilanz zu ziehen: "Was habe ich erreicht? Was kann ich noch erreichen? Wie wahrscheinlich ist das?" Nur dann könne man die alten, unrealistischen Ansprüche an die Karriere loslassen, sich entspannen und das Beste aus dem jetzigen Leben machen.

Intuition ist schneller.


"Der Verstand hat bei Entscheidungen das letzte Wort?" Ein Experiment an der Universität von Iowa kam zu einem anderen Ergebnis, berichtet Ulsamer: Versuchsteilnehmer sollten von mehreren Stapeln Karten, die eine Hälfte rot, die andere blau, jeweils eine Karte ziehen. Mit dieser gewann oder verlor jeder eine bestimmte Summe Geld. Langfristig gewannen nur die blauen Karten, denn mit den roten wurde zwar viel gewonnen, aber auch sehr viel verloren. "Die meisten Versuchsteilnehmer ahnten nach etwa 50 Karten dieses System, nach 80 Karten hatten sie es durchschaut und konnten erklären, warum besser nur die blauen zu nehmen waren." Keine Sensation. Aber die Wissenschaftler fanden bei Messungen des Hautwiderstandes heraus, dass die Teilnehmer bereits ab der zehnten Karte, wenn sie rot war, Stresssymptome zeigten. Lange bevor ihnen klar war, warum, griffen die Teilnehmer schon zu den blauen Karten. "Die Intuition war viel schneller gewesen als ihr bewusster Verstand", kommentiert der Psychologe das Ergebnis. Auf der anderen Seite fahre man mit rationalen Entscheidungen relativ sicher. Wichtig in einer Unternehmenskultur, die Fehler nicht toleriert - dann hat man gute Argumente für sein Handeln.
Mit vielen metaphorischen Bildern macht Ulsamer klar, dass es höchste Not ist, unser Denken zu überdenken und alte Glaubensgrundsätze zu hinterfragen. Das macht er sehr geschickt - als Psychologe, Managementberater und einfach nur als Mensch mit großer Lebenserfahrung. Witzige Karikaturen von Martin Brosch unterstützen seine Botschaft und regen zum Nachdenken an. Am Ende der Lektüre ist klar, dass sich "die Zeiten nicht mehr für solide Gewissheiten eignen. Was heute gilt, ist morgen veraltet - auch wenn es übermorgen vielleicht in anderer Gestalt wieder als neue Weisheit verkündet wird."

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Bertold Ulsamer:
Alles ist machbar und 25 andere fatale Irrtümer im Business.
Denkfallen unter die Lupe genommen.

GABAL Verlag, Offenbach 2008,
160 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-89749-792-4
www.gabal-verlag.de

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: Alles ist machbar und 25 andere fatale Irrtümer im Business. . Denkfallen unter die Lupe genommen. . GABAL Verlag, Offenbach 1900, 160 Seiten, ISBN 978-3-89749-792-4

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Florian Michl
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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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