Ticket to Ride

Infineon liefert die Technologie für das elektronische Ticket der Zukunft.

Von Christoph Poschenrieder

Eine neuartige Chipkarte soll als "E-Ticket" die komplizierten Fahrkartenautomaten ablösen, die bisher den Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs das Leben schwer machten. Schon im nächsten Jahr sollen die ersten Großversuche beginnen - und Schwarzfahrern das Leben schwer machen.

Zu den großen Rätseln des Alltags zählen die Tarifsysteme des öffentlichen Nahverkehrs - nicht nur in Deutschland. Mit stillem Grinsen sehen wir Einheimischen die auswärtigen Gäste ratlos vor Tafeln und Automaten stehen, versuchen, den richtigen Tarif zu ermitteln, und nach Kleingeld suchen, wenn die Maschine den Zehn-Euro-Schein wieder nicht genommen hat. Es folgt die Entwertungsprozedur der mühsam erworbenen Fahrberechtigung, welche zu diesem Zwecke auf genau vorgeschriebene Weise in seltsame Loch- und Stempelapparate einzuführen ist. Kaum zu glauben, dass wir uns im Jahr 2002 noch immer mit solchen Maschinen herumplagen müssen. Immerhin war der Mensch vor 30 Jahren zum ersten Mal auf dem Mond!

Schnittstelle zum Menschen vereinheitlichen.


Wenn Ingo Susemihl aus dem Fenster blickt, sieht er auf den S-Bahnhof München-St.-Martin-Straße und jede Menge potenzielle Kunden der Chip-Technologie von Infineon Security & Chip Card ICs Contactless Systems: In Deutschland fahren jeden Tag 25 Millionen Menschen mit den Bussen und Bahnen der öffentlichen Verkehrssysteme, die meisten davon mit Zeitkarten und Abonnements, viele aber schlagen sich mit Papierfahrkarten herum. "Es geht darum, die Schnittstelle zum Menschen zu vereinheitlichen", sagt der Leiter von CC CS. Soll heißen: ein - elektronisches - Ticket für alle und alles. Und erstmals scheint dies auch möglich, denn der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) treibt die Entwicklung eines elektronischen Tickets mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland voran. Auch das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt, an dem Infineon als einziger Halbleiterhersteller beteiligt ist.

Europaweit einsetzbar.


Susemihl zeigt einen winzigen Chip, aufgeklebt auf eine Kunststoff-Folie und ungefähr so groß wie dieses "O". Die Leiterbahnen der aufgedruckten Antenne bilden ein verschachteltes Linienmuster. Mehr Hardware steckt nicht hinter der elektronischen Fahrkarte. Äußerlich könnte das Ticket wie eine Kreditkarte aussehen, sich aber auch in der Armbanduhr oder einem Schlüsselanhänger unterbringen lassen. Eines aber ist klar: Das Einführen oder Durchziehen der Karte in irgendwelchen Leseapparaten entfällt. "Kontakte auf einer Karte sind ungefähr so notwendig wie die Schnur am Telefon", sagt Susemihl.
Auch wenn es wahrscheinlich in vielen verschiedenen Formen auftritt, das VDV-Ticket wird, technisch gesehen, standardisiert sein. Die Konformität mit den existierenden Standards ist Susemihl besonders wichtig, denn darin liegt die Chance, dass das VDV-Ticket mitsamt der Infineon-Technik auch europaweit, vielleicht sogar weltweit Verbreitung findet.
So funktioniert das elektronische Ticket: Der Fahrgast nimmt den Geldbeutel mit der Karte aus der Hosentasche, hält ihn an der Haltestelle der U-Bahn oder des Busses an ein Lesegerät. Dieser "Reader" ist Sender und Empfänger zugleich. Er aktiviert den Chip in dem Ticket, der die gespeicherte Information über seine Antenne - natürlich verschlüsselt, damit der Fahrpreis vom Konto des Fahrgasts abgebucht werden kann - in Sekundenbruchteilen an den Reader übermittelt. Eine "Antikollisions-Technik" sorgt dafür, dass auch in Stoßzeiten die Daten korrekt zugeordnet werden, etwa wenn mehrere Fahrgäste gleichzeitig ihre Tickets dem Reader präsentieren. Um welche Daten es sich dabei handeln wird, kann auch Susemihl nicht sagen - das ist Sache der Verkehrsunternehmen. Die Kompetenz, die Infineon in diesem Projekt zur Verfügung stellt, steckt in den Readern, Controller- und Memory-Chips.

Mehr als nur eine Fahrkarte.


Der Fahrplan für das "E-Ticket": Mitte kommenden Jahres soll der Standard für Kauf und Nutzung der elektronischen Fahrscheine feststehen; die ersten Großversuche in Berlin und Dresden werden Anfang 2003 beginnen. Wenn das alles klappt, könnte zum Großereignis Fußball-WM 2006 das E-Ticket bereits mit allen Eintrittskarten zu den Fußballspielen kombiniert sein, und die Fans müssten sich keine Gedanken über Tarife und Kartenentwertungsprozeduren machen, wenn sie ihren Teams durch die Stadien in Deutschlands Städten folgen. Vielleicht ist das die Zukunft des E-Tickets: Es könnte mehr als nur eine Fahrkarte sein und zu einem universellen Zugangs- und Benutzungsausweis werden. Zum Beispiel als Eintrittskarte bei Konzerten und Events, als Geldkarte, als Bibliotheksausweis, als Firmenausweis, Garagenkarte, Clubausweis. Das ist technisch grundsätzlich kein Problem: "Da passen noch mindestens fünf Anwendungen drauf", meint Susemihl mit Blick auf das VDV-Ticket.
Doch bis es so weit ist, steht Ingo Susemihls weltweit operierendem Team noch einige Arbeit bevor, denn der Chip für das elektronische Ticket ist kein fertiges Produkt aus dem Regal. Die Mitarbeiter, die an der neuen Technologie tüfteln, sitzen in Graz, Frankreich, Dresden, Regensburg, Japan, Singapur und an anderen Orten.

Nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen.


Wird sich das E-Ticket durchsetzen? Wahrscheinlich ist es. Die Erfolgsstory der Chipkarten spricht für sich: Die ersten weit verbreiteten Chipkarten waren Telefonkarten. Kleingeldzwang ade! Dann kamen die Mobiltelefone mit ihren SIM-Cards - fortan war es auch nicht mehr nötig, eine Telefonzelle zu suchen. Mit wachsendem Vertrauen in die Technik wurden Chipcards immer wertvoller: Als Paycard kann man sie wie eine Geldbörse benützen. Mobilität, Sicherheit und Bequemlichkeit sind die treibenden Wachstumsfaktoren der Chipkarten-Branche.
Doch wie alle neuen Technologien hat auch das E-Ticket sozusagen "Nebenwirkungen". Zum einen wird Schwarzfahren schwieriger. Das elektronische Ticket könnte auch Zugangskontrollen wie Drehkreuze oder Gates mit sich bringen, die nur Fahrgäste mit gültiger Fahrerlaubnis passieren lassen. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen betonen den erhöhten Komfort für den Fahrgast: kein Stress mehr mit komplizierten Tarifen, keine Kleingeld- und Bargeld-Probleme mehr, universelle Gültigkeit in ganz Deutschland, vielleicht sogar in ganz Europa, und die Möglichkeit spontaner Fahrten durch schnelles Wechseln von Verkehrsmitteln. Ein großer Teil des Vergnügens liegt natürlich auf Seiten der Verkehrsunternehmen: Sie vermeiden das kostenintensive Bargeldhandling, verursacht durch die Fahrkartenautomaten; der Busfahrer muss sich nicht um den Kartenverkauf kümmern; die komplette Nutzungsstatistik eines Verkehrssystems schreibt sich quasi von allein.
Anders als jetzt wird sich der Fahrgast nicht nur "einchecken", sondern auch "auschecken" müssen, wenn er beispielsweise die U-Bahn verlässt. Vorteil: Die gefahrene Strecke kann sehr genau abgerechnet werden. Andererseits wäre es möglich, Bewegungsprofile der Benutzer zu erstellen - und diese Möglichkeit könnte die traditionell starken Datenschützer in Deutschland beunruhigen. Manche Verkehrsverbünde überlegen, ähnlich wie bei Mobiltelefonen, Prepaid-Karten mit einem bestimmten Kilometer-Guthaben anzubieten, die der Nutzer ohne Übermittlung von Personendaten abfahren kann. Ein anderes Nutzungsmodell: der Kunde erhält einmal im Monat eine Abrechnung, die so ähnlich aussehen könnte wie eine Telefonrechnung mit Verbindungsnachweis.
Mit all diesen Tarif- und Abwicklungsfragen hat Infineon nur eines zu tun: Das System aus Chip und Reader muss flexibel genug sein, um sich an alle der angedachten Möglichkeiten anpassen zu können.

Christoph Poschenrieder ist freier Autor für das Magazin infineon galaxy, aus dem dieser Beitrag stammt.

www.infineon.com

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