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Verhandeln mit dem inneren Schweinehund

Ein Interview mit dem Autor und Trainer Marco von Münchhausen.

Von Sylvia Englert

Jeder begegnet dem lästigen Tierchen, das untrennbar zu einem selbst gehört, irgendwann einmal. Spätestens, wenn man den Vorsatz fasst, ab jetzt jeden Tag zu joggen oder zehn Kilo abzunehmen. Doch man braucht nicht zu kapitulieren - viel erfolgversprechender ist, den Schweinehund zum Verbündeten zu gewinnen!

Der Jurist Marco Freiherr von Münchhausen hält Seminare zum Thema Selbstmanagement und betreibt einen Verlag für juristische Didaktik. Sein neues Buch, das im Campus Verlag erschienen ist und zur Zeit die Bestsellerlisten stürmt, heißt So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund. Vom ärgsten Feind zum besten Freund.

Wie sind Sie eigentlich von der juristischen Didaktik zu inneren Schweinehunden gekommen?
Dazwischen liegt kein langer Weg. Ich beschäftige mich mit effizienter Wissensvermittlung auf humorvolle Weise: Zum Beispiel habe ich Hochschulprofessoren darin geschult, einen trockenen Stoff wie Jura gehirngerecht zu vermitteln und mir Gedanken gemacht, wie man Studenten dabei unterstützen kann, sich zu motivieren. Dann habe ich angefangen, Seminare rund ums Thema Persönlichkeit - von Rhetorik bis Selbstmanagement - zu halten. In diesen Seminaren stieß ich natürlich immer wieder auf die inneren Widerstände und Blockaden, die wir alle haben, wenn es um Veränderungsprozesse geht. Dabei habe ich festgestellt, dass die Figur des inneren Schweinehundes bei den meisten Teilnehmern und bei meinen Vorträgen gut ankam und auch die Bereitschaft, sich damit auseinander zu setzen, größer war. Wenn ich Schweinehund-Illustrationen einer befreundeten Zeichnerin als Folie aufgelegt habe, ist das Publikum immer begeistert mitgegangen.

Lässt sich mit diesem störenden Teil seiner Persönlichkeit leichter umgehen, wenn man ihn personifiziert?
Ich glaube, ja. Das ist - unabhängig von dieser humorvollen Figur - auch ein Element aus der psychologischen Praxis: In dem Moment, wo man seine Persönlichkeitsanteile oder Ängste personifiziert und ihnen Namen gibt, nimmt man ihnen ein wenig von der Bedrohlichkeit.

Sie empfehlen, mit dem Schweinehund zu verhandeln. Können Sie dafür mal ein Beispiel aus dem täglichen Leben geben?
Nehmen wir mal an, dass ich bestimmte Dinge, die ich machen will, nie tue. In dem Moment, wo ich sie anpacken will, fängt der Schweinehund an, mir den Fernseher einzuschalten oder mich zum Kühlschrank gehen zu lassen - er lenkt ab. Nun könnte ich anfangen, mit ihm zu verhandeln, als würde er mir gegenübersitzen. Dabei frage ich mich: Könnte der Schweinehund eine positive Absicht haben, und wenn ja, welche? Vielleicht stelle ich in diesem fiktiven Gespräch fest, dass er mich vor Überforderung schützen und dazu bringen will, nicht mehr 14 Stunden durchzupowern. Dann könnte ich zu ihm sagen: Wenn ich dieses Ziel auf andere Weise erreiche, würdest du mich dann in Ruhe lassen? Ich biete ihm also Alternativen an: Zum Beispiel könnte ich einmal in der Woche in die Sauna gehen und zweimal in der Woche einen Spaziergang machen. Man spürt das, ob er einem Vorschlag zustimmt, allerdings muss man sich dann auch daran halten. Solche Verträge mit sich selbst haben erstaunlicherweise - das ist eine Erfahrung aus der Praxis - eine große Wirksamkeit.

Aber kann man das mit der Überforderung nicht wieder als faule Ausrede benutzen, um ein größeres Projekt nicht anzugehen?
Wenn einer mit sich ehrlich ist, nicht. Wir tendieren in dieser Leistungsgesellschaft sowieso zur Überforderung. Man sollte sich auf jeden Fall schon im Vorfeld die Frage stellen: Will ich's wirklich? Will ich diese 15. Diät wirklich anpacken, bloß weil sie in einer "Slim & Fit - Zeitschrift" steht? Will ich wirklich joggen gehen, bloß weil alle um mich herum joggen und mir sagen, ich sollte doch auch laufen gehen? Wenn ich es aber wirklich tun möchte, dann kommt die Motivation nach einer Weile im Idealfall aus dem Lustprinzip. Wenn ich laufe und merke, dass es mir gut tut, habe ich bald Lust darauf. Aber man sollte es sich am Anfang so leicht wie möglich machen. Die meisten Vorhaben scheitern in der Anfangsphase, weil wir dann gewissermaßen noch gegen den Strom unserer bisherigen Gewohnheiten schwimmen müssen.

Sie empfehlen eine tägliche Schweinehund-Übung, um sich im Umgang mit diesem Begleiter fit zu halten. Einmal täglich sollte man etwas tun, bei dem man sich überwinden muss. Was haben Sie denn schon so alles gemacht?
In der Zeit, in der ich das Buch geschrieben habe, war für mich war eine gute Übung, Leute auf Reisen zu interviewen. Um einfach im Zug jemanden anzusprechen, da musste ich schon über meinen Schweinehund springen. Wenn ich es dann doch gemacht habe, waren die Leute erst ein bisschen erstaunt, aber oft kamen dabei die tollsten Gespräche zustande.

Ein großer Teil Ihres Buches beschäftigt sich damit, wie man seine Sprachgewohnheiten ändert. Warum hat das eine so große Wirkung?
Die Sprache beeinflusst unsere Emotionen stark. Wenn ich ständig sage: "Ich muss jetzt aufstehen und arbeiten", dann nehme ich meinen Alltag eher als Zwang und Verpflichtung wahr. Sage ich dagegen: "Ich kann jetzt" oder "Ich will", habe ich zu dem Vorhaben andere Gefühle, ich empfinde es als Möglichkeit.

Man verwendet, wenn man mit dem Schweinehund zu tun hat, eine Menge Ausreden, um sich und andere davon zu überzeugen, warum man etwas gerade nicht tun kann. Wieso ist es eigentlich so schwer, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein? Kann man das trainieren?
Ja, ich glaube, das kann man trainieren. Das geht allerdings nicht von heute auf morgen. Denn wir präsentieren uns alle gerne von der Schokoladenseite, auch uns selbst gegenüber. Und es fällt uns schwer, die Bereiche, in denen wir nicht perfekt sind, anzuschauen. Es kostet Mut, die eigenen Schattenseiten und Fehler zu betrachten und einfach zu sagen: "Okay, ich bin so und ich arbeite daran." Leichter ist es, sie zu verdecken, indem wir uns "in die Tasche lügen". Das ist zwar sehr menschlich, aber ich kann erst etwas verändern, wenn ich erkenne, mit welchen Mechanismen ich mich selbst immer wieder aushebele.

Glauben Sie, dass die inneren Schweinehunde dieser Welt sich über Ihr Buch freuen oder ärgern werden? Einerseits verraten Sie ja viele Tricks der Schweinehunde, andererseits plädieren Sie für Versöhnung mit dem ungeliebten Tier.
Ich glaube, letztlich werden die Schweinehunde sich freuen. Denn wenn jemand nach dieser Art mit sich umgeht, bekämpft er diesen Persönlichkeitsanteil ja nicht mehr, sondern integriert ihn. Alle heilsamen Prozesse beruhen auf Integration, nicht auf Konfrontation. Wenn es im Nahen Osten irgendwann mal Frieden gibt, dann nicht, weil die eine Seite die andere besiegt hat, sondern weil die verschiedenen widerstreitenden Interessen integriert werden.

Lesen Sie auch die Besprechung zu Münchhausens Buch So zähmen Sie ihren inneren Schweinehund .

Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.

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