Eine Stadt der "kurzen Wege"

Eine Tagung im November beschäftigt sich mit umweltschonendem Einkaufs- und Freizeitverkehr.

Von Oscar Reutter

Nur ein Drittel der Menschen fährt umweltschonend mit Bus und Bahn zum Einkaufen oder zu Freizeitaktivitäten, der Rest bläst jedes Mal mit dem Auto Abgase in die Luft. Auf einer Tagung in Halle und Leipzig werden Modellprojekte und Lösungswege vorgestellt, wie man das Problem durch Mobilitätskonzepte und Stadtplanung in den Griff bekommen kann.

Wenn über das Autofahren und seine umweltschädliche Wirkung geredet wird, sind meist Berufspendler im Visier der Experten. Doch die Zahlen machen deutlich, dass das zu kurz greift: Mehr als die Hälfte aller Fahrten im Personenverkehr gelten Einkauf und Freizeit. Und dieser Anteil wächst ständig. Was, wie jeder weiß, erhebliche Folgeprobleme verursacht: Immer mehr Flächen werden versiegelt, Lärm- und Luftschadstoffbelastungen steigen, klimaschädliches Kohlendioxid gelangt in die Luft. Außerdem leidet natürlich die Aufenthalts- und Lebensqualität in den Städten. Will man also das Verkehrsgeschehen umweltschonend gestalten, muss man auch die Zahl der Freizeit-Fahrten in den Griff bekommen.

Modellprojekte in der Diskussion.


Zu diesem Thema veranstaltet das Umweltbundesamt eine zweitägige Fachtagung: "Umweltschonender Einkaufs- und Freizeitverkehr - Strategien, Modellprojekte, Erfahrungen" heißt die Veranstaltung, deren Ziel es ist, neue Ansätze vorzustellen und zu diskutieren. Sie findet am 6.11.2002 in Halle (Saale) (Stadthaus) und am 7.11.2002 in Leipzig (Neues Rathaus) statt. Dass sie in diesen Städten veranstaltet wird, ist kein Zufall: Halle und Leipzig waren beide an Modellprojekten beteiligt. Das Wuppertal Institut hat dort im Auftrag des Umweltbundesamtes und gemeinsam mit der Planersocietät Dortmund, der IVU Traffic Technologies AG Berlin und dem Büro für urbane Projekte Leipzig von 1997 bis 2001 in Zusammenarbeit mit beiden Städten und lokalen Praxispartnern aus der Wirtschaft Analysen vorgenommen, Handlungsstrategien entwickelt und Pilotprojekte praxisnah erprobt. Auf der Tagung werden die Ergebnisse dargestellt und die gewonnenen Erfahrungen gemeinsam mit anderen guten Beispielen diskutiert.
Ausgangspunkt der Tagung ist, dass eine umweltschonendere Gestaltung des Einkaufs- und Freizeitverkehrs am ehesten möglich ist, wenn stadt- und verkehrsplanerische Strategien auf den verschiedenen Planungsebenen integriert entwickelt und umgesetzt werden. Außerdem sollten die unterschiedlichsten Akteure aus Planung, Politik, Wirtschaft, Verbänden und aus der Bürgerschaft kooperieren. Auch dazu werden auf der Tagung zahlreiche innovative Projekte vorgestellt und Erfahrungen ausgetauscht.
Die Tagung richtet sich an alle, die sich für die umweltschonende Gestaltung des Einkaufs- und Freizeitverkehrs stark machen - ob in der Planungspraxis der Kommune und Region, in Nahverkehrsunternehmen, in der Wohnungswirtschaft, dem Handel, in Verbänden oder in der Wissenschaft. Aber auch Betreiber von Freizeiteinrichtungen sind natürlich willkommen.

Unterschiedliche Schwerpunkte.


Das Thema wird aus zwei Blickwinkeln diskutiert: Am ersten Tag in Halle (Saale) stehen die Handlungsmöglichkeiten auf der Ebene der Wohngebiete, also der Ausgangsbasis der Autofahrer, im Mittelpunkt. Am zweiten Tag in Leipzig werden Lösungen diskutiert, die bei den Zielen des Verkehrs, der Geschäfte und Freizeiteinrichtungen ansetzen. Die beiden Tage können einzeln oder - mit deutlichem Preisvorteil bei der Tagungsgebühr - zusammen besucht werden.
In den Wohngebieten entsteht der Verkehr und dort muss er ausgehalten werden. Geplant ist, am ersten Tagungstag im Plenum ausführlich die Praxiserfahrungen aus den beiden ersten in Deutschland realisierten Modellprojekten zum autoarmen Wohnen zu diskutieren. Welche Handlungsansätze sind bei der Stadterneuerung realistisch möglich, um eine autounabhängige Mobilität im Wohnquartier zu befördern? Was können die Städte und was die Wohnungsunternehmen dafür tun? Wie können beide als Projektpartner zusammenarbeiten? Welche Vorteile gewinnen sie damit? Wie kann dieser Stadterneuerungsprozess gemeinsam mit der Bewohnerschaft gestaltet werden? Wie geht man mit deren widersprüchlichen Wünschen nach weitgehender Verkehrsberuhigung und zugleich möglichst wenigen Einschränkungen gegenüber dem Auto um? Wie können bestehende Wohngebiete mit der Zeit umgestaltet werden: mit weniger Auto, mehr Wohnen und mehr Lebensqualität?
Beim Tagungsteil in Leipzig geht es bei den Fachvorträgen im Plenum, in drei Arbeitsgruppen und einer abschließenden Podiumsdiskussion um realistische Perspektiven für Gestaltungsspielräume und Kooperationsansätze zwischen Wirtschaft und Planung. Welche Möglichkeiten gibt es, die Innenstadt und die Stadtteilzentren als relativ verkehrssparsame und umweltschonende Einkaufs- und Freizeitstandorte zu stärken? Wie kann man mit den bestehenden Strukturen auf der "Grünen Wiese" umgehen? Wie kann eine "Freizeit der kurzen Wege" in der Stadt und im Umland unterstützt werden? Was können Städte, Handel und Freizeitanbieter tun, um den Umweltverbund im Einkaufs- und Freizeitverkehr zu fördern? Welche Chancen eröffnen sich auf dem wachsenden Freizeitmarkt für die Nahverkehrsunternehmen?

Breite Unterstützung.


Wie wichtig das Thema ist, haben inzwischen viele Institutionen und Verbände erkannt. Daher wird die Tagung des Umweltbundesamtes von namhaften Organisationen unterstützt: den beiden großen Planungsverbänden Informationskreis für Raumplanung (IfR) und Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), dem Deutschen Städtetag, dem Ministerium für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, dem Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt e. V., der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig, dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD).

Oscar Reutter ist Projektleiter in der Verkehrsabteilung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.

www.wupperinst.org

© changeX [17.09.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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