Viel zu kurzfristig

Geschichten, Rechtsfälle und Urteile aus der neuen Arbeitswelt. | Folge 13 |

Von Andreas Imping

Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach kurzfristigen Jobs. Als Aushilfe oder Vertretung kann man auf die Schnelle ein paar Euros verdienen. Und der Arbeitgeber spart sich lästige Sozialversicherungsabgaben. Doch Vorsicht: Zu viel des Guten kann im Nachhinein eine teuere Angelegenheit werden. Wie eine fleißige Familienmutter unfreiwillig gezeigt hat.

Deutschland ist keineswegs ein familienfreundliches Land. Auch Hermine S. musste nach der Geburt ihrer beiden Kinder ihren Job aufgeben und zu Hause bleiben. Als Vertreter der "Double-Income-No-Kids"-Generation hatten sie und ihr Mann zuvor ein finanziell sorgenfreies Leben geführt. Fortan musste Leo S. als Alleinverdiener das Geld nach Hause bringen. Mit einer kleinen Erbschaft im Rücken hatte man sich überdies ein kleines Häuschen im Grünen geleistet. Die ersten Jahre verstrichen ohne Einschnitte. Vor zwei Jahren jedoch begann es finanziell zu zwicken. Der Lebensstandard stieg, die Kinder hatten mehr Ansprüche und Wünsche, ein neues Auto musste her. Hermine S., von Beruf eigentlich Buchhalterin, musste dazuverdienen. Und hörte sich deshalb bei den kleinen und mittelständischen Firmen in der nächsten größeren Stadt um. Und siehe da, sie wurde schnell fündig: Ein Elektromarkt suchte aushilfsweise eine Buchhalterin. Auf Abruf. Geschäftsführer Peter L. rieb sich die Hände, denn für ihn war die neue Aushilfe auch finanziell lukrativ. Denn Hermine S. sollte nur kurzfristig beschäftigt werden, und war damit nicht sozialversicherungspflichtig. Als Arbeitgeber, so heißt es im Gesetz, brauchte er in diesem Fall keine Pauschalbeträge an die gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung abzuführen.

Kurzfristig auch in anderen Unternehmen.


Hermine S. kam schnell auf den Geschmack und fragte in weiteren Unternehmen nach einer kurzfristigen Beschäftigung nach. Bei einem Steuerberater und einer Brauerei konnte sie bald als Urlaubsvertretung und auf Abruf beginnen. Überall natürlich als kurzfristige Beschäftigung ohne Sozialversicherungsabgaben für den jeweiligen Arbeitgeber. Über das Jahr summierten sich jedoch die kurzfristigen Einsätze zu insgesamt 74 Arbeitstagen. Was nun wiederum die gesetzliche Krankenkasse auf den Plan rief. Denn damit war die magische Grenze von 50 Tagen für kurzfristig Beschäftigte überschritten.
Die Unternehmen wurden jeweils informiert, dass ein Arbeitnehmer, wenn er mehrere kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse innerhalb eines Jahres ausübt, sozialversicherungspflichtig sei. Vorausgesetzt, er überschreitet summa summarum den Zeitraum von zwei Monaten oder 50 Arbeitstagen. Was bei Hermine S. in der Summe der Fall war. Geschäftsführer Peter L. war daraufhin nicht mehr so begeistert. Er musste die Arbeitgeberbeiträge zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung nachzahlen.
Seitdem lässt er sich bei allen kurzfristig Beschäftigten eine Haftungsvereinbarung unterschreiben. Darin ist geregelt, dass die Kandidaten keine weiteren Beschäftigungsverhältnisse unterhalten, die einer Versicherungsfreiheit entgegenstehen.

Dr. Andreas Imping ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Osborne Clarke, Köln.

Mit einer Illustration von Limo Lechner.

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