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An den Grenzen

Grundlegende Innovationen brauchen ein anderes Denken als das Management des Bestehenden - ein Interview mit Bernhard von Mutius.
Interview: Tiemo Ehmke

Das Neue lässt sich mit den alten Denkmustern und -modellen nur schlecht denken. Innovation braucht daher einen anderen, neuen mentalen Bezugsrahmen, ein neues Denken. Innovation verlangt, mit dem bisherigen Entwicklungs- und Wachstumspfad zu brechen. Und an Grenzen zu gehen. Dorthin, wo Neues entsteht.

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"Neues entsteht an den Grenzen und nur dort." Sagt Bernhard von Mutius, promovierter Philosoph, systemischer Berater und Mitbegründer des Wissensunternehmens Denkbank. Er ist Autor zahlreicher Publikationen über den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft und die damit verbundenen Erneuerungsprozesse in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Sein Hauptaugenmerk gilt der Entwicklung einer disziplinübergreifenden Denkkultur, die uns helfen könnte, mit den komplexen Prozessen unserer Zeit verständiger umzugehen.
 

Herr von Mutius, Sie plädieren für eine veränderte Kultur des Denkens und sprechen in diesem Zusammenhang von einem notwendigen Rethinking von Innovationen. Was meinen Sie damit? 

Anstatt einfach über das Gelingen von Innovationen zu sprechen, möchte ich zunächst der Frage nachgehen: Was verhindert eigentlich, dass wir so innovativ sind, wie wir es alle gerne hätten? Schließlich sagen neun von zehn Topmanagern, das Thema Innovation hätte höchste strategische Priorität in ihrer Arbeit, sind aber unzufrieden mit der eigenen "Innovation Performance", wie es neudeutsch heißt. Warum ist das so? Wieso dieses Missverhältnis? Dazu sollte man sich zunächst einige sehr grundlegende Fragen stellen. Könnte es sein, dass wir die Zukunft immer noch mit den Augen der Vergangenheit betrachten und das Durchbrechen der Erfolgsmuster von gestern zu wenig eingeübt haben? Ich bin der Überzeugung, dass wirkliche Innovationen Brüche sind, Brüche mit den bisherigen Routinen und Gewohnheiten. Das haben sie übrigens mit Krisen gemeinsam. Und weiter: Könnte es sein, dass wir bislang die Komplexität der Entwicklungen unter- und das Planbare, linear Berechenbare überschätzt haben? Der US-Ökonom Paul Krugman hat sich jüngst mit den Worten geäußert: "Wir brauchen eine ganz neue Art, Ökonomie zu lehren", und fügte hinzu: "Ich weiß auch nicht so genau, wie das gehen soll."
 

Wissen Sie es? 

Natürlich nicht so, wie Sie es jetzt herausfordern wollen. Dies ist eine Zeit der Ungewissheit und der großen Veränderungen, in der auch die klügsten Köpfe oft nicht weiterwissen und nach einem neuen Verständnis dieser Welt und ihrer Systeme suchen. Das ist wesentlich für unser Gesprächsthema. Das Management von grundlegenden Innovationen und Veränderungen erfordert ein anderes mentales Framework als das Management von Routine- und Standardprozessen - so wichtig dieses ist und bleibt. Entscheidend wird nach meiner Meinung sein, wie wir uns gedanklich neu auf das Thema Innovation einstellen, mental darauf vorbereiten können, wie man im Hochleistungssport sagt oder um Paul Valery zu zitieren: "Geistig bis an seine Grenzen gehen."
 

Herr von Mutius, ich bin bereit. Was soll denn ein solches Denken auszeichnen? 

Das Regelhafte, das Gesetzmäßige und das Chaotische, nicht exakt Berechenbare liegen oft dicht nebeneinander. Wir müssen deshalb lernen, beides zu denken, das andere zu denken, das Sowohl-als-auch zu denken. Das ist eine Lernerfahrung, die die ganzen modernen Naturwissenschaften durchzieht. In der modernen Kunst gibt es Parallelen dazu. Bereits 1927 verfasste Kandinsky einen Essay, dessen programmatisch zu verstehender Titel aus nur einem Wort besteht: "Und". Darin schreibt er: "Der heutige Mensch steht noch unter dem Zeichen des Entweder-oder." Doch "das scharfe Auge kann im Chaos eine andere Ordnung erkennen. Sie steht unter dem Zeichen des ‚Und‘". Dieses "Und", dieses "Sowohl-als-auch", die Kombination von bislang Getrenntem ist eines der verbindenden Muster von komplexem und kreativem Denken. Es ist ein Muster einer faszinierenden erweiterten Weltsicht, die unser traditionelles, sehr stark von den klassischen Naturwissenschaften bestimmtes, mechanisches Weltbild der linearen Kausalitäten erheblich erschüttert. Und zwar mit weitreichenden praktischen Konsequenzen - zum Beispiel für unsere Planungsprozesse.
 

Wenn wir uns also im Abschied vom linearen Denken üben, müssen wir uns auf einen bewussteren Umgang mit dem Unwägbaren und dem Nichtwissen einstellen. Karl Valentin hat es unverwechselbar so ausgedrückt: "Eigentlich sind ja alle klug. Die einen vorher, die anderen nachher." Wie sollten wir uns auf das Unwahrscheinliche vorbereiten?  

Nun - am besten schon vorher. Eckard Minx nennt das "vorbeugendes Nachdenken". Oder um noch ein Zitat einzuwerfen. Pasteur hat mal gesagt: "Nur den vorbereiteten Geist begünstigt der Zufall." Es gibt dazu ein interessantes und höchst aktuelles Buch: The Black Swan von Nassim Nicholas Taleb. Er ist Mathematiker, erfolgreicher Trader und Inhaber eines Lehrstuhls für die "Science of Uncertainty" in Massachusetts, USA. Seine und meine These ist: Unser ganzes Leben, unsere Geschichte, die Entwicklung von Technik, Wirtschaft und Politik sind ganz wesentlich von dem Auftauchen Schwarzer Schwäne geprägt, also von Ereignissen, die niemand oder kaum jemand auf der Rechnung hatte, die aber später die Entwicklung ganz wesentlich bestimmten.
 

Können Sie Beispiele nennen? 

Sicher - die Entstehung des Christentums, Napoleon, die russische Revolution oder der Zerfall der Sowjetunion. Wenn wir darüber nachdenken, fallen uns weitere ein - auch aus unserem eigenen Leben und Umfeld. Wer von uns hätte sich 9/11 und seine Folgen vorstellen können? Oder ein weniger dramatisches Beispiel. Wer hätte vor zehn Jahren daran gedacht, dass eines Tages eine Internet-Suchmaschine zu einem der wertvollsten Unternehmen der Welt werden würde? Dessen Marktwert etwa so hoch ist wie der des weltgrößten Automobilherstellers Toyota? Keiner. Niemand hat es gewusst. Denn vor einem Jahrzehnt war Google gerade erst gegründet worden. Gerade die heute am stärksten unser Leben beeinflussenden technologischen Innovationen wie der Computer, das Internet oder der Laser sind nicht das Ergebnis gezielter, für die Weltmärkte konzipierter Entwicklungen. Sie waren irgendwann für alle Schwarze Schwäne. Das ist eben eines der Paradoxa von Innovationen: Könnte es nicht sein, dass wir nach Indien aufbrechen, um schließlich Amerika zu entdecken? Man muss alles möglichst gut durchdenken und planen und zugleich muss man stets bereit sein, das Ungeplante beim Schopf zu ergreifen, wenn es plötzlich vor einem steht. Wir brauchen also so etwas wie eine experimentelle Planung. Innovationsmanager "sind Paradoxiekünstler" wie Stephan A. Jansen sagt. "Und wenn sie es noch nicht sind, werden sie es lernen müssen. Es wird ihr Job werden. Oder der eines anderen."
 

Wir tun offenbar gut daran, uns auf weitere solcher Tiere einzustellen. Was wir tatsächlich planen können, sind dann wohl eher Rahmenbedingungen für eine gute Innovationskultur. Sie sprechen diesbezüglich vom Durchbrechen von Gewohnheiten. Wie ist das zu verstehen? 

Das heißt in erster Linie: Raum schaffen für das Unerwartete, Unangepasste, Nicht-Konventionelle. Raum in unseren Köpfen, aber auch in unseren Organisationen. Also Räume, in denen wir mögliche und unmögliche andere Entwicklungen, alternative Zukunftsbilder und Zukunftsszenarien denken können. Räume für das Nicht-Gruppenkonforme. Damit meine ich zum einen reale architektonisch gestaltete Räume mit dem entsprechenden Staff, in denen es Menschen erleichtert wird, Neues grenzüberschreitend zu entwickeln, in denen experimentiert werden darf und soll. Zum anderen aber meine ich damit Formate zur inneren Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern zu innovativem Denken - auch und gerade außerhalb des R&D-Bereichs.
 

Sie mahnen hier die innere Befähigung von Führungskräften zu innovativem Denken an. Darin eingeschlossen sehe ich den Umgang mit Fehlern und das Thema Scheitern. Das scheint vehement für ein erfolgreiches Innovationsklima zu sein und betrifft die gesamte Organisationskultur!? 

Wer etwas über das Gelingen von Innovationen erfahren will, sollte mit dem Misslingen beginnen und sich zunächst mit dem Scheitern beschäftigen. Ich sage das auch aus folgendem Grund. Wir in Deutschland haben ja ein seltsames, tabuisierendes Verhältnis zum Scheitern. Das widerfährt einem nicht und darüber spricht man nicht. Und wer einmal gescheitert ist, der bekommt eben nicht wie in den USA eine zweite Chance. Das ist ziemlich dumm. Denn Scheitern ist, wenn man richtig damit umgeht, eine Ressource.
 

Bei allem Respekt, ist hier nicht der positive Effekt zu sehr herausgestellt. Möchten Sie auf eine Fähre steigen, dessen Reederei stolz auf das Fehlerpotenzial seiner Kapitäne ist? 

Ich sagte ja, wenn man richtig damit umgeht. Alle großen Erneuerer, Erfinder und Innovatoren wissen das oder haben es mühsam lernen müssen. Ein Beispiel: Eine bestimmte Entwicklung wurde vor einiger Zeit als eine Revolution in der Computer- und Netztechnologie angekündigt. Dann wurde es ein Flop und musste vom Markt genommen werden. Und heute wissen wir, obwohl oder weil es ein Flop war, wurde es tatsächlich zum Wegbereiter einer Revolution. Es ist der sogenannte MessagePad von Apple, genannt Newton. Es ist nicht nur der Vorläufer, sondern der eigentliche Wegbereiter des iPod, des iPhone und des Gerätes, auf das alle sehnsüchtig gewartet haben und das jetzt da ist. Apple musste also zunächst grandios scheitern und musste sehr viel Geduld haben, um viele Jahre später grandios zu gewinnen.
Es gibt übrigens seit Kurzem ein Institut in Holland, das solche Fälle manchmal auch augenzwinkernd untersucht. Das Institute for Brilliant Failures. Also, Scheitern ist eine Ressource, wenn wir richtig damit umgehen. Experimentell, zirkulär und dabei lernend. If we don’t get lost, we’ll never find a new route. Und neue Wege werden wir brauchen. Ich sage nur: weltweite Staatsverschuldung, Klimaerwärmung, Verknappung der fossilen Energieträger et cetera. Ich betone das auch deshalb, weil wir ja hierzulande manchmal zu hören bekommen: Bei uns, in unserem Bereich geht es nicht, etwas grundlegend zu verändern, wirklich neue Wege einzuschlagen. Irgendwo in dieser globalisierten Welt gibt es aber Leute, die nur darauf warten, uns zu beweisen, dass es geht.
 

Also, den Bedarf an Erneuerung, an Neuem, an Innovationen hätten wir noch mal plausibel geklärt. Welche Grundlagen unseres Denkens und Handelns sind aber noch wichtig für erfolgreiches Innovieren? Sprechen wir mal über das Gelingen. 

Den bisherigen Entwicklungs- und Wachstumspfad brechen - das ist das Entscheidende und das Schwierige für alle Innovatoren. Denn Organisationen, welcher Art auch immer, sind konservativ und müssen es sein. Man nennt das in der Innovationsforschung auch Pfadabhängigkeit, weil das Gehen auf dem Pfad automatisiert, zu einer Gewohnheit wurde. Und weil es übrigens in unserem Kopf - wenn wir nicht aufpassen - genauso zugeht. Was wir einmal wirklich gelernt haben, hat sich im Laufe der Zeit immer tiefer eingeprägt, wie ein Trampelpfad. "Wir bewohnen nicht Territorien, sondern Gewohnheiten", wie Sloterdijk sagt. Erneuern, Innovationen entwickeln heißt also, anzufangen, die Pfadabhängigkeit zu durchbrechen und abzuzweigen. Ein Zweig, ein Ast mit Verzweigungen ist ein Muster der Selbstorganisation und Erneuerung par excellence, das wir überall in der Natur finden. Die Abzweigung markiert den Beginn von neuen, alternativen Wegen und ver(-)rückten Ideen, die offenbar besser als die alten geeignet sind, eine lebendige Entwicklung zu ermöglichen.
Erneuern heißt Verzweigen und Verrücken, damit beginnt Kreativität. Und eine Voraussetzung dafür ist, dass wir uns öffnen für andere, achtsam fragen und beobachten. Und dazu müssen wir an Grenzen gehen. Denn wo und wie entsteht Neues? Neues entsteht an den Grenzen und nur dort. Durch achtsame Grenzüberschreitung und - Stichwort Sowohl-als-auch - gekonnte Kombination. Jeder kreative, schöpferische Akt verläuft auf diese Weise. Durch Vereinigung von bislang Getrenntem. Kombination ist der Kern, das Herzstück eines jeden kreativen Prozesses. Diese - wie ich es bezeichne - "kombinatorische Intelligenz" ist heute ein Schlüssel für das Gelingen fast aller Innovationsprozesse auf fast allen Märkten. Das Muster heißt kreative Kombination - von der Mikrosystemtechnologie über die Biotechnologie bis hin zu den Computer- und Netztechnologien und ihren praktischen Anwendungen. Kombinieren eben auch mit Blick auf unsere Geschäftsmodelle und Prozesse. Wir werden zum Beispiel nicht mehr entweder auf höhere Qualität oder auf niedrigere Kosten setzen können, sondern wir müssen beides miteinander kombinieren.
 

Das ist sehr technologisch dargestellt. Müssen wir nicht den Menschen, die Wissensträger in den Mittelpunkt rücken? 

Genau. Dieses Kombinieren geht eben nicht alleine, sondern nur in interdisziplinärer Kooperation, durch multidisziplinäre Teams, also durch achtsame gemeinsame Grenzüberschreitungen. Ich schlage daher vor, dass wir überall in unseren Organisationen über eine neu zu entwickelnde Fähigkeit nachdenken, die ich "Grenzgänger-Kompetenz" nenne. Dies auch deshalb, weil es das Kennzeichen künftiger vernetzter Organisationen ist, grenzüberschreitend zu funktionieren. Die "Ab-Teilungen" im Innern und die Grenzen nach außen werden poröser. Organisationen entwickeln sich gleichsam zu Organisationen "ohne Rand und Band". An die Stelle strikter Abschottungen treten lose Koppelungen und "weak ties". Ich glaube, hier sind wir einem wichtigen mentalen Hinderungsgrund für Innovationen auf der Spur. Wir in Deutschland - und das gilt nach meinen Beobachtungen auch für eigentlich innovative Firmen - sind gut, wenn die Dinge in wohlgeordneten Bahnen und klar abgegrenzten Strukturen ablaufen. Vernetzung ist willkommen, solange sie mit möglichst gleichgesinnten Kollegen aus dem gleichen Fach erfolgt. Aber mit der Grenzüberschreitung zu ganz anderen Bereichen und Disziplinen, insbesondere zu solchen, in denen vielleicht das Chaos lauern könnte, da hapert es noch gewaltig. Es fehlt so etwas wie ein Frontier-Geist. Der Grenzer ist in Deutschland immer noch eher ein Wachposten als ein Neusiedler, der die Grenzen verrückt. Und auch der deutsche Erfinder, der Tüftler, tüftelt lieber hinter einem Zaun, als dass er ihn niederreißt oder wenigstens sein Areal weiter absteckt und andere einlädt, mitzutüfteln.
 

In Ihren Ausführungen über Grenzgänger-Kompetenz steckt wohl noch ein weiterer Aspekt, den wir kurz beleuchten sollten. Stichwort Kooperation und das Dazwischen. Was ist dafür notwendig, woran können wir uns orientieren? 

Wir müssen lernen, in Beziehungen zu denken und diese Beziehungen zu gestalten. Und zwar in puncto grenzüberschreitender Kreativität, Kooperation und Vernetzung und Balance. Wer in dieser komplexen Welt verständig agieren will, kann dies nicht allein. Wir brauchen die Kooperation. Und zwar - siehe unser Gehirn - eine Kooperation, die mehr ist als eine bloße Addition. Die Frage heißt also: Wie kommen wir zu einem Verhalten, das gleichzeitig innovativ und komplex und kooperativ ist? Wie kommen wir vom Ich zum intelligenten Wir? Sind wir bereit und in der Lage, ohne Verlust von Individualität und Pluralität Gemeinschaftsleistungen zu gestalten? Mein Eindruck ist: Wir stehen erst ganz am Anfang zu wissen, wie das geht, sozusagen am Beginn einer möglicherweise neuen Verzweigung in unserer Evolution. Wir experimentieren, wir lernen voneinander. Aber wenn wir ehrlich sind, wissen wir noch nicht so genau, wie das geht.
 

Das klingt für viele Führungskräfte nicht gerade überzeugend. Sie kennen ja auch diese Argumente, die von Markterfordernissen oder vom Tagesgeschäft handeln. Wie begegnen Sie diesen? 

Natürlich kenne ich sie. Aber sie greifen zu kurz. Die Frage ist doch, ob wir nur Getriebene sein wollen und uns immer mehr einengen lassen, oder ob wir die Handlungshoheit wiedergewinnen und lernen, durch intelligente Spielzüge das Spiel selbst zu bestimmen? Überall in Wirtschaft und Gesellschaft werden Menschen gesucht, die in der Lage sind, stimmige Gemeinschaftsleistungen zu gestalten. In kleineren Teamprojekten wie in Großprojekten brauchen wir Spielmacher und Baumeister der Veränderung, die ein Ensemble formen können, Erfinder mit sozialer Fantasie, Innovatoren mit kultureller Sensibilität, die in der Lage sind, ihr Wissen und ihre Ideen mit anderen zu teilen und dadurch zu vermehren. Denn darum geht es: Es ist "Zeit, neu zu denken, neu über Dinge nachzudenken, die es noch nicht gibt", sagt Lutz Engelke. Denken der Zukunft heißt, unter den Bedingungen von Komplexität und Ungewissheit gemeinsam den Lösungsraum zu erweitern. Man könnte auch sagen, es ist das mentale Framework für die Führung innovativer Organisationen im 21. Jahrhundert, also für einen anderen neuen Realismus. Ich nenne ihn den Realismus zwei im Unterschied zum Realismus eins. Realismus eins ist der Realismus der Kurzfristigkeit, des Jetzt, der Anpassung an die Augenblickserfordernisse der Routinen und Gruppenzwänge. Doch daraus entsteht nur Gewohntes. Es entsteht nur "Totes Theater", wie Peter Brook sagt. Es entstehen nur Convenience-Innovationen. Realismus zwei weiß um die Erfordernisse des Augenblicks, aber er bleibt dabei nicht stehen. Er bezieht das andere und den anderen und die Erfordernisse der Zukunft mit ein und erweitert die Wahlmöglichkeiten.
 


Zitate


"Was verhindert eigentlich, dass wir so innovativ sind, wie wir es alle gerne hätten?" Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Könnte es sein, dass wir die Zukunft immer noch mit den Augen der Vergangenheit betrachten und das Durchbrechen der Erfolgsmuster von gestern zu wenig eingeübt haben?" Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Den bisherigen Entwicklungs- und Wachstumspfad brechen - das ist das Entscheidende und das Schwierige für alle Innovatoren." Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Neues entsteht an den Grenzen und nur dort." Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Kombination ist der Kern, das Herzstück eines jeden kreativen Prozesses." Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Ich schlage daher vor, dass wir überall in unseren Organisationen über eine neu zu entwickelnde Fähigkeit nachdenken, die ich ‚Grenzgänger-Kompetenz‘ nenne." Bernhard von Mutius: An den Grenzen

"Denken der Zukunft heißt, unter den Bedingungen von Komplexität und Ungewissheit gemeinsam den Lösungsraum zu erweitern." Bernhard von Mutius: An den Grenzen

 

changeX 14.09.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Autor

Tiemo Ehmke
Ehmke

Tiemo Ehmke ist Mitgründer des Wissensnetzwerkes re + emergence. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die kritische Reflexion von Bedingungen und Konzepten der Ideenwirtschaft und Wissensgesellschaft.

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