Entspannter Abschied

Der entspannte Weg zum Reichtum - Susan Levermanns tiefgründiger Börsenratgeber.
Text: Dominik Fehrmann

Zwei Bücher finden sich in einem: ein gelassener, gut informierter Börsenratgeber. Und die Biografie einer Professional, die sich für den Ausstieg entschied. Das verspricht unaufgelöste Spannung.

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Das hat, könnte man meinen, gerade noch gefehlt: eine frühere Fondsmanagerin, die im Nachkrisenjahr 2010 den Weg zum entspannten Reichtum durch Spekulationsgeschäfte aufzeigt. Doch wenn sich der vermeintliche Börsenhai als ebenso nachdenklicher wie sachkundiger Mensch entpuppt, wird ein Ratgeber über Erfolg an der Börse zu einem irritierenden Buch, das manche dogmatischen Urteile ins Wanken bringt. 

Dieses Buch ist zwei in einem. Erzählt zwei ganz unterschiedliche Geschichten. Und es ist gerade die latente und unaufgelöste Spannung zwischen diesen beiden, die eine Lektüre des Buchs von Susan Levermann so anregend macht.  

Auf den ersten Blick - und dem Titel nach - handelt es sich um einen weiteren der vielen Ratgeber über Erfolg an der Börse. Über das schnelle Geld ohne große Anstrengung. Dabei ist die Autorin alles andere als ein Westentaschen-Kostolany. Die ehemalige Fondsmanagerin bei der DWS gehörte nicht nur zu den erfolgreichsten ihres Faches. Sie versteht es auch, ihr Fachwissen verständlich mitzuteilen. Gründlich und anschaulich führt sie den Leser ins Mysterium der Wertpapieranlage ein. Ein Einstiegskapitel vermittelt das notwendige finanzwirtschaftliche Rüstzeug, mit dem es anschließend in medias res geht: in den scheinbar heillos unübersichtlichen Aktienmarkt, in die Welt von Cashflow und Eigenkapitalquote, RoE und KGV. Am Ende wartet Levermann dann mit einer übersichtlichen Aktiencheckliste auf. Und der Versicherung, dass sich damit - aller Wahrscheinlichkeit nach - gutes Geld verdienen lasse.


Kein Nullsummenspiel


Levermann erweist sich dabei als konsequenter "Quant", als Vertreterin jener Börsenschule, die bei der Beurteilung von Wertpapieren auf eine quantitative Datenanalyse setzt. Also nicht, wie die "Fundamentalisten", auf die Suche nach dem vermeintlich "wahren" Preis von Wertpapieren anhand betriebswirtschaftlicher Fundamentaldaten. Nicht die Vorhersage der Entwicklung von Unternehmen, sondern die statistische Auswertung der bisherigen Entwicklung von Börsenkursen hält Levermann für die erfolgreichste Börsenstrategie. Und weil das Verhalten der Börsenkurse stark von dem der Börsenakteure abhängt, bietet Levermanns Buch zugleich eine veritable Einführung in die moderne Finanzpsychologie. 

Und es ist auch eine finanzpsychologische Einsicht, die Levermanns kritischen Blick auf die Börsenwelt prägt. Nämlich die schlichte empirische Erkenntnis, dass das Bedauern über Verluste durchschnittlich zweieinhalbmal stärker ist als die Freude über entsprechende Gewinne. Sodass das Börsengeschehen mit Blick auf den kollektiven Gefühlshaushalt aller Beteiligten eben kein Nullsummenspiel ist, selbst wenn sich finanzielle Gewinne und Verluste aufwiegen. "Immer dann", schreibt Levermann, "wenn einer verlieren muss, damit ein anderer gewinnen kann, entsteht für die (an der Börse tätige) Menschheit als Ganzes ein emotionaler Verlust." Zumindest sogenannte Leerverkäufe - also Spekulationsgeschäfte mit geliehenen Wertpapieren - hält sie deshalb wegen ihrer "negativen emotionalen Bilanz" für moralisch fragwürdig.


Abkehr vom Börsenparkett


Für sich selbst hat Levermann diese Einsicht zur Frage nach ihrem Selbstverständnis als Fondsmanagerin verallgemeinert, zur Frage nämlich: "Bin ich ein guter Mensch und trage ich zum Guten in der Welt bei?" Ihre Antwort war die Abkehr vom Börsenparkett. Dies ist die andere Geschichte, die hier erzählt wird, oft nur zwischen den Zeilen. Die Geschichte einer jungen Frau, die ihre frühe Sozialisation noch im DDR-Sozialismus erfährt, sich nach der Wende mitten hinein ins kapitalistische Getümmel stürzt, in die Börsenwelt, in der sie als Fondsmanagerin große Erfolge feiert, bis ihr - noch vor der großen Finanzkrise - eine Sinnkrise dazwischenkommt. Heute arbeitet Susan Levermann, nach einem Intermezzo als Mathematiklehrerin, bei einer gemeinnützigen Klimaschutzorganisation.  

Und so untergräbt hier gewissermaßen die Biografie tendenziell den Ratgeber. Zumindest gibt es ein spannungsvolles Verhältnis zwischen der Selbstverständlichkeit, mit dem Levermann ihr Börsenerfolgsrezept anpreist, und dem Zweifel an der Sinnhaftigkeit und letztlich auch Lauterkeit des Börsengeschehens, dem sie immer wieder Raum gibt. Zwar verteidigt sie die Börse als volkswirtschaftliche Institution durchaus plausibel gegen mancherlei Vorwürfe. Und beschreibt auch einige ethisch verträgliche Anlagestrategien.


Weitere Auskünfte erwünscht


Andererseits bleiben die jüngsten Auswüchse der Börsenspekulation unangesprochen, und damit umso eindringlicher im Raum stehen: die spekulativen Verbriefungsprodukte, die als Auslöser der globalen Banken- und Finanzkrise gelten; die Wetten auf eine Staatspleite Griechenlands, die deren Eintreten noch begünstigt haben dürften; die Rendite auf Kosten der Ärmsten durch Spekulationen mit Grundnahrungsmitteln, die deren Preise zuletzt in exorbitante Höhen getrieben haben. Wie verhält es sich damit, verhält man sich dazu - als (potenzieller) Teilnehmer am großen Börsenspiel? 

So bleibt am Ende das keineswegs unangenehme Gefühl, dass hier noch einiger Klärungsbedarf besteht - eventuell auch bei Susan Levermann. Von der, da erwiesenermaßen klug und kritisch, man sich dringend weitere Auskünfte wünschte.
 


changeX 09.09.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Der entspannte Weg zum Reichtum. Carl Hanser Verlag. Carl Hanser Verlag, München 2010, 280 Seiten, ISBN 978-3-446-42252-0

Der entspannte Weg zum Reichtum

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Autor

Dominik Fehrmann
Fehrmann

Dominik Fehrmann ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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