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Einfach angenehm

Simplicity. Prinzipien der Einfachheit - das neue Buch von Chris Brügger, Michael Hartschen und Jiri Scherer
Text: Dominik Fehrmann

Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht? Weil kompliziert oft einfach ist: kein Nachdenken über Kunden und ihre Bedürfnisse, über die eigenen Produkte. Einfachheit hingegen macht richtig viel Arbeit. Zahlt sich aber aus. Unternehmen können von der Einfachheit ihrer Produkte und Leistungen profitieren.

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Warum kompliziert, wenn’s auch einfach geht? Weil "kompliziert sein einfach ist", wie es Carlos Ghosn einmal formuliert hat. Einfachheit dagegen, so der Vorstandsvorsitzende von Renault-Nissan, verlange zumindest "nach japanischer Auffassung sehr viel Arbeit". Aber diese Arbeit ist notwendig. Mehr denn je, angesichts einer Lebenswelt, deren Komplexität rasant zunimmt.  

Diese Komplexität zeigt sich nicht nur in der wachsenden Schwierigkeit, mit ökonomischen Theorien das verworrene Kausalgeflecht der Finanzmärkte in den Griff zu bekommen. Auch im Alltag sind wir zunehmend mit Situationen konfrontiert, deren Komplexität uns tendenziell überfordert: Die ausufernde Auswahl an Joghurtsorten im Supermarkt, die verwirrende Vielfalt der Funktionen eines Mobiltelefons, das Dickicht rätselhafter Internet- oder Bahntarife - immer öfter wird unsere Entscheidungsfähigkeit auf eine harte Probe gestellt.  

Entsprechend dankbar sind wir als Kunden, wenn uns Unternehmen einfach zu bedienende Geräte, einfach zu nutzende Dienstleistungen oder einfach zu durchschauende Preismodelle bieten. Was einfach ist, ist einfach angenehm. Für die Unternehmen wiederum ist das Streben nach Einfachheit kein purer Altruismus. Auch Unternehmen können von der Einfachheit ihrer Produkte und Leistungen profitieren. Eine Kultur der Vereinfachung senkt die Fehleranfälligkeit, den Schulungsaufwand und führt zu weniger Kundenrückfragen und Reklamationen.


Was einfach ist, ist einfach angenehm


Davon sind jedenfalls Chris Brügger, Michael Hartschen und Jiri Scherer überzeugt. In ihrem Buch Simplicity. Prinzipien der Einfachheit beschreiben sie, welche Weichen Unternehmen stellen können, um Produkte, Dienstleistungen und Prozesse im Sinne der Einfachheit zu optimieren. Fünf Prinzipien der Vereinfachung stellt das Autorenkollektiv vor: Restrukturieren, Weglassen, Ergänzen, Ersetzen, Wahrnehmen; jedem Prinzip sind jeweils drei "Strategien" zugeordnet, die eine konkrete Anwendung erleichtern sollen.  

So fällt unter das Prinzip des Restrukturierens die Strategie "Masse und Ausnahmen separieren". Umgesetzt ist sie zum Beispiel bei Fahrkartenautomaten, in denen die häufigsten Reiseziele statt in den üblichen Teilschritten schlicht über Schnellwahltasten wählbar sind. Das macht das Verfahren für die Masse der Kunden einfacher und schneller. Dass Vereinfachung nicht immer Verzicht bedeutet, zeigt das Prinzip des Ergänzens. Hierzu zählt unter anderem die Strategie "Funktionen/Elemente kombinieren", wie sie bei Multifunktionsgeräten angewendet ist, in denen Kopier-, Fax- und Druckfunktionen in einem Gerät vereint sind. Wobei die Autoren nicht verhehlen, dass jede Vereinfachung ihren Preis hat - etwa in Form von Funktionsverlusten. "Manchmal sollte man auch bereit sein, Abstriche zu machen, wenn das Ziel Einfachheit ist." Die entscheidende Frage laute: "Wird durch die neue Einfachheit mehr gewonnen, als durch die Abstriche verloren geht?" 

Dass Einfachheit vor allem im Auge des Betrachters liegt, berücksichtigen die Autoren mit ihrem Prinzip "Wahrnehmen". Brügger, Hartschen und Scherer sprechen hier von "gefühlter Einfachheit". Selbst wenn hinter einem Vorgang oder einer Sache komplexe Prozesse stünden, könne der Nutzer das Ganze als einfach wahrnehmen - etwa dann, wenn "ihm gewisse Aspekte bekannt vorkommen". So zielt die Strategie "Bekanntes übernehmen" denn auch auf die Verwendung gängiger, standardisierter Symbole, Bedienelemente oder Techniken.


Einfach - für wen?


Gerade an dieser Stelle wird allerdings auch deutlich, dass es sich mit der Einfachheit so einfach dann doch nicht verhält. Denn dass die Mobiltelefonhersteller jahrelang an einem System inkompatibler Ladegeräte festgehalten haben, geschah zweifellos auch aus einem wirtschaftlichen Interesse, das in diesem Fall das Gebot der Einfachheit übertrumpfte. Erst politischer Druck hat dazu geführt, dass dem Einfachheitsbedürfnis der Kunden Rechnung getragen wird und sich künftig die meisten Mobiltelefone mit einem einzigen, standardisierten Gerät aufladen lassen. Für den einzelnen Hersteller war ein eigenes technisches System gewissermaßen die einfachere Lösung. Was unterstreicht, dass sich zur Frage nach der Einfachheit - wie die Autoren zu Recht anmerken - immer die Frage gesellen muss: "Für wen?" Und auch das machen die Autoren klar: "Nicht immer wird dabei eine Win-win-Situation erreicht." 

Trotz allem liefern Brügger, Hartschen und Scherer gute Gründe dafür, die Vereinfachung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen zu einer Querschnittsaufgabe jedes Unternehmens zu machen. Ob es dazu einen von den Autoren angeregten CSO - einen Chief Simplicity Officer - braucht, der für eine "Einfachheitskultur" verantwortlich ist, mag man vielleicht bezweifeln. Eines aber kann man den Autoren nicht vorwerfen: dass sie nicht selbst umsetzen, was sie predigen. Simplicity. Prinzipien der Einfachheit ist klar und übersichtlich (um nicht zu sagen einfach) strukturiert. Zudem ist das Buch ein Paradebeispiel für die Vereinfachungsstrategie "Funktionen/Elemente kombinieren": Neben dem Text enthält es viel Platz zum Eintrag eigener Ideen und Vorschläge. So kann das Projekt "Einfachheitskultur" hier der Einfachheit halber gleich während der Lektüre angegangen werden. 


changeX 24.10.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Simplicity. Prinzipien der Einfachheit. GABAL Verlag, Offenbach 2011, 160 Seiten, 19.90 Euro, ISBN 978-3-86936-245-8

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Autor

Dominik Fehrmann
Fehrmann

Dominik Fehrmann ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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