Mit digitaler Assistenz

Zur ZI-Konferenz Ideenmanagement: Swetlana Franken im Interview

"Das (noch) Unmögliche denken" ist das Leitmotiv der Konferenz Ideenmanagement in Hamburg. In einer Reihe von Interviews geben die Referenten einen Ausblick auf ihren Vortrag. In Folge 2 Dr. Swetlana Franken über Industrie 4.0.

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Dr. Swetlana Franken ist seit März 2008 Professorin für BWL, insbesondere Personalmanagement, an der FH Bielefeld, Bereich Wirtschaft. Sie studierte Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften in Russland und arbeitete als Professorin für Führung und Organisation und als Prodekanin der Wirtschaftsfakultät an der Staatlichen Technischen Universität in Nischni Nowgorod. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Knowledge & Diversity, Unternehmens- und Personalführung, Innovations- und Wissensmanagement, Organisationales Lernen und Unternehmensintelligenz.
Auf der Konferenz Ideenmanagement spricht sie zum Thema "Arbeit im Kontext von Industrie 4.0: Auswirkungen auf Menschen und Ideenmanagement".
 

Frau Franken, vor nicht allzu langer Zeit war noch von der dritten industriellen Revolution die Rede, heute ist nun Industrie 4.0 in aller Munde - ein neuer Hype oder steckt mehr dahinter? 

Die tief greifenden Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung und Vernetzung der Produktion sind bereits seit Langem im Gang, weniger als Revolution, sondern als Evolution, als konsequente Weiterentwicklung der allumfassenden Digitalisierung aller Lebensbereiche. Die Tatsache, dass "Industrie 4.0" aktuell zu einem Hype geworden ist und als vierte industrielle Revolution bezeichnet wird, sehe ich positiv. Das lenkt die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf diese Veränderungen und zwingt Menschen, sich Gedanken über ihre Folgen zu machen.
 

Helfen Sie uns kurz auf die Sprünge: Was genau versteht man unter Industrie 4.0? 

Es gibt dafür keine einheitliche Definition. Ich verstehe unter Industrie 4.0 einen umfassenden Einzug von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in die Produktion mit der Folge ihrer Vernetzung zu einem Internet der Dinge, Dienste und Daten.
 

Umfassend, das heißt, es handelt sich um mehrere Entwicklungen, die ineinandergreifen? 

Es geht um intelligente Vernetzung von Objekten in der Produktion - Stichwort Smart Factory -, bei der autonome Objekte ohne menschliches Zutun untereinander kommunizieren. Dadurch wird eine Realtime-Steuerung mithilfe von Softwareagenten ermöglicht. Eine Verschmelzung von Mensch und Maschine zu einem Cyber-physischen System (CPS) verspricht eine Erweiterung menschlicher Wahrnehmung und Fähigkeiten.
 

Was bedeutet das für die Arbeit? Wie wird sie sich verändern? 

Für Unternehmen heißt das im Endeffekt, dass sie schnell und flexibel auf Kundenanforderungen reagieren und hohe Variantenzahlen ohne Mehrkosten produzieren können.
Für Menschen in Unternehmen bedeutet Industrie 4.0 eine weitere Reduzierung von körperlichen und monotonen Tätigkeiten und eine wesentliche Erleichterung bei der Prozesssteuerung, die teilweise autonom unter Maschinen (M2M) stattfinden wird. Menschen werden nur als übergeordnete kontrollierende und steuernde Instanz notwendig, bekommen "digitale Assistenz" für bessere Wahrnehmung und Entscheidung, kommunizieren mit automatisierten Systemen mithilfe von mobilen Geräten.
 

Haben Sie ein Beispiel? 

Was passiert heute, wenn eine Maschine in der Fertigung kaputtgeht und ein Ersatzteil braucht oder wenn das Verbrauchsmaterial Fehler aufweist? Diese Informationen landen bei Menschen, die sich damit beschäftigen und die Engpässe beseitigen. Stellen Sie sich vor, die Maschinen kommunizieren untereinander, mit dem Produkt und mit dem Lager. Sie regeln das unter sich, ohne menschliches Zutun, bestellen und bauen Ersatzteile ein, ersetzen das fehlerhafte Material und so weiter.
Außerdem können Computer ein breiteres Spektrum an Informationen überblicken, höhere Komplexität bewältigen und die Auswirkungen eines Ereignisses auf weitere Bereiche berechnen, was die menschliche Kapazität sprengen würde.
 

Welche Herausforderungen bringt diese Entwicklung für Unternehmen und Mitarbeiter mit sich? Was bedeutet es für die Menschen? 

Die wichtigste Herausforderung ist die totale Vernetzung sämtlicher Objekte, die gewaltige Datenmengen verursachen wird. Diese Datenströme sollen zunächst programmiert und dann laufend gesteuert und gesichert werden.
Für die Beschäftigten wird digitale Kompetenz in den Vordergrund treten, ohne sie gibt es keine Industrie 4.0. Der Umgang mit der Informations- und Kommunikationstechnologie, der für die Jugendlichen als Digital Natives meistens selbstverständlich ist, sollte den Älteren vermittelt werden. Auch die Kompetenz für die Datensicherheit gewinnt zunehmend an Bedeutung.
 

Und was bedeutet das nun für das Ideenmanagement? 

Immer wenn ein neues Produkt oder eine neue Technologie eingeführt wird, bekommt das Ideenmanagement einen Auftrag, diese anzupassen und zu optimieren. Je größer die Herausforderung, desto mehr hat das Ideenmanagement zu tun. Und die Industrie 4.0 mit ihren umfassenden Veränderungen und Auswirkungen auf die Arbeitswelt gibt besonders viel Raum für neue Ideen aller Beteiligten.
 

Wohin geht die Entwicklung beim Ideen- und Innovationsmanagement? Welches sind die Herausforderungen der nächsten, sagen wir fünf Jahre? 

Die meisten Ideen und Innovationen entstehen schon heute durch die oder in Verbindung mit der IKT. Vor dem Hintergrund der Industrie 4.0 wird es sich verstärken. Interdisziplinäre Innovationsteams unter Beteiligung von Informatikern sind dabei besonders erfolgversprechend.
Open-Source-Innovationsprozesse, in denen Lieferanten, Kunden und anderen Akteure mitwirken, werden noch mehr an Bedeutung gewinnen. Da eine flexible Produktion ohne Mehrkosten möglich sein wird, werden Kunden in Zukunft ihre Wunschprodukte individuell kreieren können und müssen.
 


changeX 05.03.2014. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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