Verantwortung ernst nehmen
Europäer beraten Europäer.
| Folge 17: Andreas Steinert über Corporate Social Responsibility. |
Von Andreas Steinert
Pleon ist ein neues europäisches Beratungsunternehmen. Seine Vision ist ungewöhnlich: Die Intelligenz der einzelnen Länder und Regionen für eine gemeinsame Netzökonomie nutzen. Aus vielen mentalen und kulturellen Knoten soll ein gemeinsames, länderübergreifendes Netzwerk entstehen. Ohne Hierarchie und Dominanz von oben. Ein europäisches Unternehmen, das den sprichwörtlich ehrgeizigen Versuch unternimmt, ein Omelett zu backen, ohne Eier zu zerschlagen. In den nächsten Monaten begleiten wir diese einmalige Mission mit Reportagen und Essays. Aus einem Europa, in dem zusammenwächst, was zusammengehört.
Andreas Steinert
Andreas Steinert, geschäftsführender
Partner von Pleon Kohtes Klewes
in der Niederlassung Bonn.
In einer globalen Wirtschaft stehen Unternehmen zunehmend unter Kritik. Der scharfe Blick der Stakeholder verfolgt skeptisch das Vorgehen multinationaler Konzerne. Ob Tropenholz im Discounthandel, Gentechnik im Milchviehfutter oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen - mehr denn je müssen sich die Unternehmenslenker mit der Kritik externer Beobachter auseinander setzen, ob Menschenrechts- oder Umweltgruppen, ob Gewerkschaften oder andere Interessenverbände.
Die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens ist zum entscheidenden Prüfstein für seine Reputation geworden. Kein Unternehmen kann es sich noch leisten, auf die Meinung der Stakeholder zu pfeifen. Keine Firma, die als ruchloser Arbeitgeber gilt, wird dauerhaft ihre Kunden halten können. Kein Konzern, der mit seinem Handeln die Umwelt schädigt, kommt ohne Umsatzeinbußen davon. Wo die Verbraucher hupend vor den Tankstellen stehen, statt zu den Zapfhähnen zu greifen, offenbart sich die Macht einer kritischen Öffentlichkeit.

Welche Rolle spielt ein Unternehmen in der Gesellschaft?


Ethisch verantwortliches Handeln von Unternehmen ist zu einem Thema der breiten Öffentlichkeit geworden. Das gilt nicht nur auf der Ebene medialer Spektakel vom Mannesmann-Prozess bis zu Bilanzskandalen, sondern auch jenseits der Schlagzeilen, im Unternehmensalltag. Längst wird auch europaweit über Corporate Social Responsibility debattiert. Mitte 2001 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch zur gesellschaftlichen Verantwortung auf den Tisch gelegt. Seitdem werden multinationale Unternehmen stärker mit der Frage konfrontiert: Welche Rolle spielen wir in der Gesellschaft? Ob es dabei um weltweite Sozialstandards, den Klimaschutz, Engagement für Mitarbeiter oder um das gesellschaftliche Unternehmensumfeld geht - stets wird das unternehmerische Verhalten daraufhin geprüft, ob ein verantwortliches Management erkennbar ist, das langfristig die Unternehmenszukunft sichert und vor Reputationsrisiken schützt.
Viele Unternehmen haben inzwischen gelernt, dass sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen. Sie haben gelernt, dass gerade bei strittigen Themen ein Dialog besser ist als Konfrontation. Doch auch wenn sich Unternehmen mit CSR beschäftigen, hakt es vielfach an der Umsetzung. Die Frage ist: Wer trägt die Verantwortung für die Verantwortung? In den meisten Firmen haben ganz unterschiedliche Abteilungen das Sagen. Die Personal- oder die Umweltabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit oder die Geschäftsführung. In der Realität dominiert allzu oft ein strukturloses Nebeneinander, das sich in teuren, ineffizienten Kommunikationsprozessen widerspiegelt. Eine zentrale Strategie mit einem abteilungsübergreifenden Gremium gibt es nicht. Ein Beispiel: Zwei der größten deutschen Unternehmen veröffentlichen sowohl einen Umweltbericht (mit gesellschaftspolitischen Zusatzthemen) als auch einen CSR-Bericht (mit umweltpolitischen Zusatzthemen). Für den einen ist die Umweltabteilung zuständig, für den anderen die Öffentlichkeitsarbeit.

An der Zielgruppe vorbeikommuniziert.


Zudem wissen die Unternehmen oft nicht, worum es ihren Stakeholdern überhaupt geht. Sie kommunizieren an der Zielgruppe vorbei. Deshalb hat Pleon Kohtes Klewes bereits vor zwei Jahren untersucht, inwieweit Anspruch der Stakeholder und Kommunikationsleistung der Unternehmen zusammenpassen. Der "Global Stakeholder Report 2003" ist die erste empirische Studie über Erwartungen an das Non-financial-Reporting der Wirtschaft. In einer Online-Umfrage unter 1.700 Teilnehmern in 88 Ländern wurde gefragt, was die Zielgruppen - außer Produktinformationen und Wirtschaftsdaten - von den Unternehmen wissen wollten. Überraschendes Ergebnis: Aus einer Palette von 36 ökologischen, sozialen und ökonomischen Themen wählten die Stakeholder weltweit die Beachtung der Menschenrechte als mit Abstand wichtigstes Thema. Sind nun Menschenrechte ein Thema in den Berichten der Unternehmen? Selten. Stattdessen setzen die Firmen auf Corporate Citizenship, gemeinnütziges Engagement, Sponsoring. Das aber interessiert laut Studie die Stakeholder kaum. Sie wollen nicht wissen, wofür Unternehmen ihr Geld ausgeben, sondern, womit sie es verdienen. Die Unternehmen dagegen berichten lieber über Themen, bei denen sie sich am sichersten fühlen. Verständlich, aber nutzlos. Unternehmen wollen einen Leistungsbericht vorlegen, der eine PR-Funktion hat. Stakeholdern geht es um Rechenschaft und Transparenz.
Der Dialog zwischen Firmen und der kritischen Teilöffentlichkeit scheitert also oft an zwei Punkten: erstens einer ganz unterschiedlichen Sicht auf die Dinge, zweitens einer mangelnden Bereitschaft, zuzuhören. Denn Kommunikation zwischen Unternehmen und Stakeholdern funktioniert nicht als Einbahnstraße. Wenn Unternehmen die Berichte nicht für sich selbst produzieren wollen, müssen sie wissen, was ihre Leser wollen, und auf deren Interessen eingehen. Was zählt, ist zunächst die Außensicht auf das Unternehmen. Es geht nicht darum, Corporate Governance gegen Stakeholder Governance auszutauschen. Aber das Eingehen auf die Informationswünsche der Stakeholder ist ein Gebot der Vernunft angesichts gesellschaftlicher Zweifel der ethischen Integrität multinationaler Unternehmen. Es ist eine Herausforderung für die Kommunikationsberatung der Zukunft, dafür zu sorgen, dass die Vermittlung zwischen Zielgruppen und Unternehmen funktioniert.

Verantwortung ernst nehmen.


Unternehmen, die ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft ernst nehmen, klopfen ihre Handlungen und Entscheidungen immer darauf ab, ob sie mittel- und langfristig gegenüber dem Unternehmen und gegenüber der Gesellschaft verantwortbar sind. Damit erreichen sie zweierlei: Manch streitbare Managemententscheidung wird revidiert werden; das Unternehmen verschafft sich die Grundlage für eine Unternehmenskommunikation, die auf dem Prinzip Verantwortung beruht. Eine solche Verantwortung erfordert große Kommunikationsbereitschaft und eine transparente Organisation. Doch noch immer scheinen sich einige Unternehmen abzuschotten.
In der Studie "Geheime Mission? Deutsche Unternehmen im Dialog mit kritischen Stakeholdern" hat Pleon Kohtes Klewes Ende vergangenen Jahres die 150 größten deutschen Unternehmen befragt, wie sie mit externen Kritikern kommunizieren. Zwar gehen demnach fast vier von zehn Großunternehmen durchaus systematisch mit kritischen Stimmen aus der Gesellschaft um. Was dabei herauskommt, bleibt jedoch der Öffentlichkeit verborgen. Nur ein Viertel der Unternehmen berichtet über die Ergebnisse eines Dialogs in Form periodischer Nachhaltigkeitsberichte. Meist hat ein Dialog dagegen interne Konsequenzen. Bei drei Vierteln mündet ein Gesprächsprozess in gemeinsame Projekte mit Nichtregierungsorganisationen. Die meisten Unternehmen suchen den Dialog mit Kritikern, um das Risiko für einen Ansehensverlust zu verringern. Viele Manager allerdings sind es nicht gewohnt, mit Vertretern einer kritischen Zivilgesellschaft zu reden. Es fehlt häufig an systematischer Kenntnis der Kritiker und ihrer Themen. Auch hier hat der Dialog eine wichtige Funktion für eine angemessene Wahrnehmung der Außenwelt.

Eine objektive gesellschaftliche Verantwortung gibt es nicht.


Wie kann effektive Corporate Social Responsibility aussehen? Wie kann ein Unternehmen eine wirksame Strategie entwickeln? Die Frage ist zunächst: Was heißt gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens überhaupt? Beispiel Arbeitsplatzerhalt. Gewerkschaften sind wichtige Stakeholder, die bestimmte Ziele verfolgen. Wenn sie sichere Arbeitsplätze fordern, muss sich ein Unternehmen Gedanken darüber machen, wie es den Rahmen für sichere Arbeitsplätze schaffen kann und das öffentlich verständlich machen. Auch wenn es dafür notwendig ist, Arbeitsplätze abzubauen oder einen Teil der Produktion ins Ausland zu verlagern. Denn was hilft der schönste Arbeitsplatz in Deutschland, wenn das Unternehmen im weltweiten Wettbewerb schlecht dasteht? Ein Unternehmen muss diese Entscheidungen nach außen kommunizieren und begründen.
Es gibt freilich keine objektive gesellschaftliche Verantwortung. Die Erwartungen an die Verantwortung von Unternehmen verändern sich. Deshalb muss ein Unternehmen als Erstes intern Sensibilität dafür schaffen, wo Probleme liegen könnten, wo die Unternehmen mit den Interessen einer Teilöffentlichkeit kollidieren könnten. Danach gilt es, die Risiken zu analysieren, um sich anschließend zu fragen: Was können wir als Unternehmen eigentlich machen? Wer beispielsweise viele Emissionen produziert, wird sich darum bemühen, diese zu reduzieren - in Abwägung mit den berechtigten Interessen der Aktionäre. Der nächste Schritt: Wie informiere ich die Öffentlichkeit? Ist eine große Kampagne sinnvoll oder sollte das Unternehmen bei einem hochkomplexen Thema besser 100 Menschen zu einem Stakeholder-Dialog einladen? Unternehmen, die eine effiziente CSR machen möchten, kommen um eine systematische, zentrale Strategie nicht herum. Es gibt zwar viele unterschiedliche Modelle, doch eines ist überall wichtig: Die CSR-Beauftragten müssen Zugang zu allen Abteilungen haben. Sie brauchen Rückendeckung durch die oberste Etage. Es sollte selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur sein, dass sich auch die Topleute mit dem Thema befassen.
Pleon Kohtes Klewes ist in den vergangenen Jahren zum Experten für Corporate Social Responsibility geworden. Es erstellt CSR-Berichte für Unternehmen, führt Stakeholder-Dialoge, entwickelt gemeinsam mit den Unternehmen CSR-Projekte und erstellt Studien, um die Bedeutung von CSR im Wechselspiel von Unternehmen und Stakeholdern zu erforschen. Denn Social Responsibility gehört zu einer der größten Herausforderungen in der Kommunikationsberatung der Zukunft.

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Andreas Steinert ist geschäftsführender Partner von Pleon Kohtes Klewes in der Niederlassung Bonn. Pleon ist ein in Europa führendes PR-Beratungsunternehmen und eine Tochter von BBDO Europe.

Weitere Informationen:
www.pleon.com

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