Gesünder leben mit Chips

Innovative Entwicklungen von Infineon könnten die Medizin revolutionieren.

Von Helmut Bruckner

Um das gigantische, ständig wachsende Wissenspotenzial der Genomforschung auszuschöpfen, bilden sich derzeit überall auf der Welt neue Allianzen aus akademischen Instituten, Pharma- und Hightech-Unternehmen. Auch Infineon hat frühzeitig die Weichen gestellt und ist bei diesem Trend ganz vorne dabei: Zu den aktuellen Forschungsprojekten gehören Chips, auf denen komplette Minilabors untergebracht sind, technische Schnittstellen zu lebenden Nervenzellen und intelligente Textilien, die die Körperfunktionen ihrer Träger überwachen oder bei Rettungseinsätzen helfen.

Schon vor ein paar Jahren hatte ihr Hausarzt Maria Z. zu einer Darmspiegelung geraten. "Wer die 50 überschritten hat, dem empfehle ich diese Vorsorgeuntersuchung", hatte er damals gesagt. Zu Maria Z.s Schrecken fand der Gastroenterologe, der Spezialist für den Magen-Darm-Trakt, einige kleine Polypen in ihrem Dickdarm. Doch als die entnommenen Gewebeproben in einem Labor mit einem Biochip getestet wurden, der für Darmkrebs relevante Gensequenzen enthält, erwiesen sich die Polypen als harmlose Wucherungen der Darmschleimhaut, die aber eine Vorstufe von Krebs sein können und daher entfernt werden sollten. Nachdem er die mit Hilfe des Biochips erstellte Diagnose auf dem Tisch hatte, konnte der Arzt Frau Z. beruhigen: "Sie haben Glück gehabt!"

Labors - kleiner als ein Fingernagel.


Biochips sind gewissermaßen Minilaboratorien, bestückt mit einer riesigen Zahl winziger biologischer Proben. Systematisch auf der Oberfläche des Chips angeordnet, lässt sich jeder einzelne, fest fixierte Probenspot wiederfinden. Die verschiedenen auf dem Chip befindlichen Spots repräsentieren, vereinfacht gesagt, jeweils bestimmte Gene, die für eine Krankheit relevant sind. Wird von Patienten entnommenes Testmaterial auf einen solchen Biochip aufgetragen, kommt es nur an den Punkten zu erkennbaren Reaktionen, an denen die definierten Proben des Chips und die Patientenprobe in ihrer Gensequenz zusammenpassen. Auf Grund einer integrierten Farbmarkierung leuchtet der Biochip jeweils an den Stellen einer solchen Reaktion auf. Die farbigen Punkte ergeben ein Spot-Muster, das optisch erfasst werden kann. Kennt man also die Gene, die an Krankheitsprozessen beteiligt sind, kann man entsprechend präparierte Biochips, wie im Fall von Maria Z., für die medizinische Diagnostik einsetzen. Als krankheitsrelevant bekannte Gensequenzen zeigen aber auch die möglichen Angriffspunkte im Körper auf, an denen neue Wirkstoffe von Medikamenten ansetzen können. Das ist ein hochinteressanter Aspekt für die Pharmaindustrie.
Die Entwicklung neuer Pharmaka ist langwierig und kostenintensiv. Bis ein Medikament auf dem Markt zugelassen ist, vergehen im Durchschnitt zehn Jahre, in denen an die 500 Millionen Euro ausgegeben werden. Folglich sind Innovationen gefragt, die bei der Suche nach neuen Arzneien Zeit und Kosten sparen. "Da auf einem einzigen Biochip eine große Anzahl von Tests parallel ablaufen kann, wird in den Laboratorien der pharmazeutischen Industrie neuerdings verstärkt auf Biochips gesetzt", erklärt Hans-Christian Hanke, Leiter von Infineon Bioscience. Die Sucharbeit läuft wie am Fließband ab und ist weitgehend automatisiert.

Gegen Risiken und Nebenwirkungen.


Um das gigantische, ständig wachsende Wissenspotenzial der Genomforschung auszuschöpfen, bilden sich derzeit überall auf der Welt neue Allianzen aus akademischen Instituten, Pharma- und Hightech-Unternehmen. Infineon hat hier beizeiten die Weichen gestellt. Zusätzlich zu schon laufenden Projekten wurde vor zwei Jahren unter dem Namen Infineon Bioscience ein interdisziplinäres Expertenteam auf die Beine gestellt. Es entwickelt gemeinsam mit kompetenten Partnern neuartige Biochips für das Pharma-Screening. Das US-Biotech-Unternehmen Metri-Genix bearbeitet die biologischen und medizinischen Fragestellungen. Infineon kümmert sich um alle Chip-Aspekte von der Entwicklung bis zur Produktion.
"Die Biochips können die Pharmakologie revolutionieren", betont Hans-Christian Hanke, "denn diese beschleunigen nicht nur das Wirkstoff-Screening, sie erhöhen auch die Zielgenauigkeit der Suche." Das ist wichtig. Medikamente wirken nämlich durchaus nicht bei allen Patienten gleich. Hinter Medikamentenunverträglichkeiten stecken nicht selten Genvarianten; mancher der Betroffenen kann beispielsweise einen Wirkstoff - im Vergleich zum Durchschnittspatienten - nur verzögert abbauen. Bei normaler Dosierung akkumuliert sich bei ihm die Arznei mit der Zeit zu einer Überdosis. Biochips, mit denen sich die Verträglichkeit von Arzneimitteln vorhersagen lassen, sollen nun solche Komplikationen künftig vermeiden helfen. Bis der Übergang von der "Pille für alle" zur individuellen Medizin vollzogen ist, werden aber noch etliche Jahre ins Land gehen.

Das Biochip-Trio von Infineon.


Wer den Trend verschläft, den bestraft der Markt - das gilt vor allem für potenzielle Anwender der Biochips, wie die Pharmaindustrie. Für die Hersteller von Biochips werden attraktive Wachstumsraten vorhergesagt. Im Jahr 2002 betrug der Umsatz in diesem Bereich bereits 600 Millionen Euro, Analysten erwarten jährliche Steigerungsraten um die 30 Prozent. Um hier in Zukunft eine gewichtige Rolle zu spielen, setzt Infineon mit drei verschiedenen Biochip-Projekten auf eine langfristig angelegte Produktstrategie.
Der Flow Thru Chip steht bereits unmittelbar vor seiner Markteinführung. Noch in diesem Jahr wird er als Werkzeug für die Entwicklung neuer pharmazeutischer Substanzen zur Verfügung stehen. Mit den "klassischen" elektronischen Mikrochips hat er gemein, dass sein Substrat aus Silizium besteht. "Diese neue Biochip-Generation hat als Reaktionsraum eine Vielzahl feinster Mikrokanäle, durch die Testlösungen hin- und hergepumpt werden können, daher der Name Flow Thru", erklärt Michaela Fritz, Product Manager bei Infineon Bioscience.

Der "Neuro-Chip" stellt direkten
Kontakt zu einer lebenden Zelle her.
Ein weiteres Infineon-Projekt ist der weltweit erste Biochip mit integrierter Auswerteelektronik. Er enthält auf einem viertel Quadratzentimeter 128 Spots mit DNA-Proben. Die Auswertung dieses DNA-Chips basiert auf der Messung kleinster Ströme. Gegenüber optischen Auslesesystemen ist die elektronische Lösung weitaus robuster und einfacher zu handhaben. An diesem System arbeiten unter der Leitung von Roland Thewes Forscher von Infineon Corporate Research. "Eine marktreife Version für diese Biochip-Plattform wird für 2005 angesteuert", erklärt Thewes. Der elektronisch auslesbare Mikrochip soll dann in der medizinischen Diagnostik in Krankenhäusern und Arztpraxen eingesetzt werden.
Freunde der Science-Fiction mögen an "Robo-Cops" denken, wenn vom Neurochip geredet wird. Dieser Chip-Winzling, ein weiteres Infineon-Forschungsprojekt, beherbergt auf einem Quadratmillimeter rund 16.400 Sensoren. An jeden einzelnen dieser Sensoren ist eine empfindliche elektronische Schaltung gekoppelt, mit der sich die extrem schwachen Signale von lebenden Nervenzellen aufnehmen und verstärken lassen. Der Neurochip ist dafür gedacht, mehr Licht in die Funktion von Nervenzellen und ganzer neuronaler Netze zu bringen. Davon versprechen sich Neurobiologen völlig neue Einblicke in Lernvorgänge und Gedächtnisleistungen. Später soll diese Technologie bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe eingesetzt werden. Infineons Projektpartner auf der Seite der Biologie ist Peter Fromherz, Direktor des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried. Fromherz führte mit seiner Arbeitsgruppe und Mitarbeitern von Infineon Corporate Research bereits erfolgreich erste Versuche mit dem Neurochip durch.

Versponnene Hightech.


Ernst B. hat es eilig. Nach einem anstrengenden Tag in der Firma sitzt er genervt in seinem Wagen. Nur vorwärts, schnell nach Hause, ist sein einziger Gedanke. Deshalb drückt er aufs Gas, auch noch, als die Ampel schon auf Rot umschaltet. Bremsen quietschen, ein hässlicher dumpfer Knall - Black-out. Als Herr B. wieder zu Bewusstsein kommt, ist ein Mann über ihn gebeugt, erteilt Anweisungen, während er Herrn B. abtastet. Er ist der Notarzt in einer futuristischen Technojacke. Während seine Hände das Unfallopfer untersuchen, teilt der Mediziner über ein in seinem Anzug integriertes Mikrofon seine Diagnose direkt der Rettungsleitstelle mit. Die kümmert sich sofort um eine Klinik und informiert dort die Notaufnahme. Das ist ein enormer Zeitgewinn, der Ernst B. das Leben retten kann.
Dieses Szenario entspringt nicht mehr der reinen Phantasie. Notärzte der Rettungsleitstelle Regensburg sind bei ihren Einsätzen bereits in intelligenter Kleidung unterwegs. In die Hightech-Bekleidung sind Elemente wie Touchscreen, Minicomputer und Digicam integriert. Aus dem Kragen ragt ein Mikrofon, über das der Mediziner kommunizieren kann, damit er beide Hände frei hat.
Noch tragen vornehmlich Ärzte und andere Spezialisten solche "Wearales", Kombinationen aus Elektronik und Textilien. In wenigen Jahren aber könnten Hightech-Klamotten zu unserem Alltag gehören. Unter Namen wie "Smart Wear" wird tragbare Sicherheit bei Kranken und älteren Menschen dazu dienen, wichtige Lebensfunktionen zu überwachen. "Wir können uns vorstellen, beispielsweise Sensoren für die Herztätigkeit und die Atmung direkt in die Kleidung zu integrieren und die Daten dann drahtlos an eine Zentraleinheit zu übermitteln", erläutert Stefan Jung, Senior Project Manager des Projekts Wearable Technology Solutions bei Infineon. Infineon hat für die Integration von Mikroelektronik in Textilien bereits Prototypen für Alltagskleidung vorgestellt. Entwickelt wurde dafür ein Thermogeneratorchip, der Körperwärme in elektrische Energie umwandeln kann. Dadurch könnten beispielsweise kleine, in die Kleidung integrierte Sensoren ihre Energie gewinnen.

Alles auf eine Karte gesetzt.


Nicht nur die Übermittlung von Sensoren-Daten soll in Zukunft besser funktionieren. Nach dem Willen der Bundesgesundheitsministerin und einiger Spitzenverbände soll die elektronische "Health Professional Card" zu Beginn des Jahres 2005 eingeführt werden. Eine solche Karte könnte es zugriffsbefugten Ärzten und Apothekern ermöglichen, auf einen Blick zu erkennen, welche Untersuchungen und Behandlungen bereits abgeschlossen wurden oder gerade laufen.
Der Weg ins digitale Gesundheitswesen wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen und nicht in dieser Dekade abgeschlossen werden: Die Gesundheitskarte ermöglicht dabei grundsätzlich in einem Krankenhaus oder einer Praxis den Zugriff auf die noch lange existierende Mischwelt aus Papier, digitalisierten und archivierten Dokumenten sowie digital erzeugten und beispielsweise digital signierten Dokumenten. Ein wichtiger Aspekt bei der mobilen Weitergabe von Informationen ist auch im Gesundheitswesen die Sicherheit vor unbefugtem Zugriff. Für diese Anforderung hat Guardeonic Solutions, eine hundertprozentige Infineon-Tochter, die dazu notwendigen Module der digitalen Signatur sowie Chips für das "Radio Frequency Identification System" mit Partnerlösungen der digitalen und rechtssicheren Archivierung und der Aktenverwaltung kombiniert. Um bei drahtlosen Datentransfers "auf der sicheren Seite" zu sein, hat die Infineon-Tochter spezielle Software-Lösungen entwickelt. Damit lassen sich problemlos Datentransfers und Authentifizierungen durchführen.

Zwerge mit riesigen Möglichkeiten.


Bei Infineon hat die Zukunft schon begonnen. Das Unternehmen entwickelt technische Elemente in Millimeter-Dimensionen, die als MEMS (MikroElektroMechanische Systeme) bezeichnet werden. Bald werden solche Elemente immer öfter auch in medizinischen Instrumenten, Prothesen, Implantaten und diagnostischen Hilfsmitteln Verwendung finden. Der Weg in den Bereich der Nanotechnologie ist bei Infineon vorgezeichnet. Irgendwann sollen aus Bausteinen wie den von Infineon entwickelten winzigen Kohlenstoffröhren ("Carbon Nanotubes") seriengefertigte winzige Sensoren entstehen, die beispielsweise in der Blutbahn patrouillieren und Infektionserreger aufspüren. "Oder wir bauen Miniroboter, die computergesteuert durch den Körper geschleust werden und dort defekte Gewebe und Zellen reparieren", sagt Wolfgang Hönlein, Leiter des Forschungsbereichs Nanoprozesse. Was heute noch wie ferne Zukunftsmusik klingt, wird dank der Hightech-Innovationen von Infineon immer wahrscheinlicher - im Dienst der Gesundheit.

Helmut Bruckner schreibt für Galaxy, das Unternehmensmagazin von Infineon, in dem dieser Artikel ebenfalls erschienen ist.

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