Spielen wir "Gerichtssaal"!

Nervige Verhaltensrituale im Büro und wie man sie durchbricht.

Von Sylvia Englert

Bürospiele sind frustrierend und nervig - aber es gibt Methoden, aus dem "Drehbuch" auszusteigen.

Manchmal können die lieben Kollegen einen mit ihrem Verhalten in den Wahnsinn treiben. Wenn Sie dabei denken "Es ist jedesmal dasselbe ...", dann kann es sein, dass Sie in ein Bürospiel verwickelt sind. Zum Beispiel ins "Ja-aber-Spiel". Sie bringen einen Vorschlag nach dem anderen, doch der Gesprächspartner hat auf jeden davon einen Einwand: "Ja, aber ...". Oder das "Blöd-Spiel": Ein Mitarbeiter lässt sich ständig von Ihnen helfen, obwohl er es eigentlich alleine könnte und Sie es ihm schon fünfmal erklärt haben, wie es geht. Oder, im schlimmsten Fall, das Gerichtssaal-Spiel, das in manchen Abteilungen und Unternehmen üblich ist. Man kennt es auch unter dem Namen "Schwarzer Peter für Erwachsene". Merkmal: Endloser Streit in Sitzungen, wer für was verantwortlich war und wer was hätte tun müssen und was man getan hat und der andere nicht. Ständig hängt die Frage "Wer ist Schuld?" im Raum, und Besprechungen geraten regelmäßig zu Tribunalen. Die Folge, so Dehner: "Gearbeitet wird nicht, um das Problem zu lösen. Gearbeitet wird, um die eigene Unschuld zu beweisen." Das vergiftet nicht nur die Atmosphäre, sondern ist auch höchst ineffizient, weil jeder alles schriftlich macht, um bei einer Anklage Beweise in der Hand zu haben. Auch die anderen Bürospiele tragen selten zu einem angenehmen Betriebsklima bei und sind gewöhnlich für jede Menge Frust gut.

Wurzeln in der Kindheit.


Psychologe Ulrich Dehner nimmt diese Ritual auseinander und legt die Ursachen offen: Wer beispielsweise regelmäßig ins Blöd-Spiel verfällt, sucht Aufmerksamkeit. Er ist meist sogar besonders intelligent, hat aber schon als Kind gelernt, dass es nicht belohnt wird, das zu zeigen. Außerdem ist es viel bequemer, andere für sich denken zu lassen. Dehner erklärt, welche Rollen in diesen Spielen vergeben werden (Opfer, Retter, Angreifer) und woher die inneren Drehbücher kommen, die ihnen zugrunde liegen. Fündig wird er in der Kindheit: Wenn Kinder lernen, dass sie sich aus unangenehmen Aufgaben herausdiskutieren können, haben sie dieses Spiel als Erwachsene längst zur Perfektion gebracht. Auch den Lehrsatz "Warte nicht, bis du angeklagt wirst, klage vorher an", der im Gerichtssaal-Spiel so manche Taktik prägt, entdecken Kinder schon im zarten Alter beim Streit mit den Geschwistern ("Mami, Kevin hat mich gehauen!").

Einfach die Rolle verweigern.


Meist merkt man erst hinterher, dass man wieder an einem der lästigen Rituale teilgenommen hat. Dehners Buch hilft, die Mechanismen früh genug zu erkennen. Aber was tun, wenn man wieder mit einem Spiel konfrontiert wird? "Ausrasten hilft nicht, richtiges Reagieren ist wichtiger", rät der Autor. Sein Rezept klingt einfach: Nicht mitspielen. Aus dem inneren Drehbuch aussteigen. So könnte der Chef bei einem aufkeimenden Gerichtssaal-Spiel die Diskussion mit einem entschiedenen "Macht das unter euch aus" oder "Ich habe keine Zeit für Schuld und Sühne, ich will eine Lösung" abwürgen. "Wo kein Richter ist, wird das Rechthaben unwichtig", erklärt Dehner. Auch bei den anderen Spielchen gilt: Schluckt man den Köder nicht, auch wenn er einem hartnäckig hingehalten will, dann hat man eine Chance, das Spiel abzubrechen und es gar nicht erst eskalieren zu lassen. Dazu muss man allerdings seine wunden Punkte kennen: Wer von einem "Blöd"-Spieler um Rat gefragt wird, findet das zwar gewöhnlich lästig, hat aber das gute Gefühl, gebraucht zu werden. Also heißt es wieder: "Na gut, gibt her, ich mach das." Wer als Chef auf keinen Fall autoritär sein möchte, den lockt der Satz "Ihr Verhalten hat mich jetzt aber sehr an meinen alten Chef erinnert!" aus der Reserve.

Dehner hat, Dinge, die Psychologen schon länger bekannt sind, auf die Bürowelt zugeschnitten und flott aufbereitet. Herausgekommen ist ein Buch mit hohem Nutzwert für genervte Angestellte und Vorgesetzte.

Ulrich Dehner:
Die alltäglichen Spielchen im Büro,
Campus 2001, 230 Seiten, 39,80 Mark.

Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.

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: Die alltäglichen Spielchen im Büro.. Campus, Frankfurt/New York 1900, 230 Seiten, ISBN 3-593-36680-0

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