Plus ultra
Die Zukunft der Technologien – das neue Buch von Karlheinz und Angela Steinmüller.
Von Winfried Kretschmer
In einem Handy steckt heute die Rechenpower der Apollo-Mondfähre. Das sagt mehr als tausend Worte. Miniaturisierung ist der große Technotrend, nicht mehr die Groß- und Megaprojekte von früher. Einer der besten deutschen Zukunftsexperten wagt den Blick weit nach innen. Die Grenzüberschreitung des heute Vorstellbaren. Klar und kompakt, ohne die Tünche des üblichen Zukunftsrosarots!
Was haben sich Technikvisionäre nicht schon alles ausgedacht: Sprechende Roboter, die vom Staubsaugen bis zum Bierholen lästige Alltagsarbeiten übernehmen. Megacities, in denen Flugautos durch die Straßenschluchten flitzen. Atomkraftwerke, die ganze Kontinente versorgen. Kilometerhohe Wolkenkratzer, Überschallpassagierflugzeuge, Einschienenbahnen, Bergwerke auf dem Meeresgrund, Kolonien auf dem Mond. Doch die kühnen Visionen entpuppten sich sehr oft als Technik-Seifenblasen. Zerplatzt, die Pläne in den Archiven verschwunden. Es ist irgendwie still geworden um die Zukunft. Wo sind die großen Visionen, die großen Projekte geblieben? Zukunft scheint ihre Faszination verloren zu haben.
Doch dieser Eindruck trügt. Gewandelt hat sich die Konkretisierung von Zukunft in Technologie. Der Wind hat sich gedreht, das Zeitalter der Großtechnik ist definitiv vorbei. Nicht mehr Groß- und Megaprojekte bestimmen das Bild der Technik, sondern der Trend zur Miniaturisierung und Integration in das Alltagleben. In einem Handy steckt heute die Rechenpower der Apollo-Mondfähre. Technik ist allgegenwärtig und verschwindet zugleich hinter den Dingen. "Seit es Computer gibt, seit die Energiepreise steigen und seit man Ressourcenverknappung fürchtet, hat sich die Entwicklungsrichtung gedreht. Auf die Expansion nach außen folgt nun die Expansion nach innen, zu immer kleineren und komplexeren Systemen", schreibt Steinmüller.

Grenzenlose Technik.


Nach den Wild Cards, wie man unvorhersehbare, überraschende Ereignisse bezeichnet, die auf einen Schlag die Entwicklungsrichtung verändern können, wendet sich der Zukunftsexperte – zusammen mit seiner Frau als Co-Autorin – nun den Technologien zu. Sein Buch ist ein Grundlagenwerk über die bestimmenden technologischen Trends der kommenden Jahrzehnte.
Steinmüller malt kein impressionistisches Gemälde der technologischen Zukunft, ihm geht es weniger um eine detailgetreue Beschreibung technischer Innovationen, sondern um grundlegende Trends, welche die weitere Entwicklung der Technik bestimmen werden: Die weitere Miniaturisierung und die steigende Komplexität technischer Systeme, die zunehmende Durchdringung von technischen Systemen mit Informations- und Kommunikationstechnologie, die zunehmende Verschränkung von Biologischem und Technischem sowie "die große Konvergenz der Technologien".
Im Grunde wächst alles zusammen, nicht nur Technik und Information, sondern auch Technik und Natur. Und immer mehr wird es eine Frage der Information, der Software, was ein technisches Gerät ist und was es kann. Technik wird grenzenlos und allgegenwärtig. Eine in sich vernetzte Parallelwelt, die unsere Welt zunehmend durchdringt und zugleich in sich abbildet.

Zukunft im plus ultra.


Dabei wagt Steinmüller einen Blick weit in die Zukunft und rührt an Fragen, welche die Evolution des Menschen betreffen – denn zweifellos ist der Mensch im Begriff, seine biologischen Fesseln zu sprengen und die Grenze zwischen Natur und Technik zu verwischen. Aus Steinmüllers Sicht eine notwendige Entwicklung: "Aus evolutionärer Perspektive erscheint es sogar – im buchstäblichen Sinne des Wortes – natürlich, dass der Weg über den Homo sapiens sapiens, die biologische Spezies, die wir heute sind, hinausführen muss." Denn seit die Menschen in der Renaissance die Zukunft entdeckten, geht die grundlegende Entwicklungsrichtung "plus ultra" immer weiter hinaus.
Es ist ein schönes Bild, das Steinmüller gefunden hat: Seit der Antike galten die Säulen des Herakles am Ausgang des Mittelmeeres als Markierungspunkte für das Ende der Welt. Sie waren das non plus ultra – was bedeutete: "Es gibt kein darüber hinaus". Bis Kolumbus die bekannten Küsten weit hinter sich ließ. Der Drang darüber hinaus, die Grenzüberschreitung, ist seither das bestimmende Motiv in der Entwicklung des Menschen, die ganz wesentlich die Entwicklung von Technologien ist. Die Zukunft ist offen; sie liegt jenseits des Bekannten und jenseits der Vorstellungskraft. "Die eigentliche Zukunft", schreibt Steinmüller, "beginnt jenseits der verlängerten Technologielinien – eben im plus ultra." Sein Buch vermittelt eine ziemliche Ahnung davon, was kommen wird.

Karlheinz Steinmüller mit Angela Steinmüller:
Die Zukunft der Technologien.
Murmann Verlag, Hamburg 2006,
319 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-938017-46-5
www.murmann-verlag.de

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

© changeX [25.05.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Die Zukunft der Technologien. . Murmann Verlag, Hamburg 1900, 319 Seiten, ISBN 3-938017-46-5

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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