Web 2.0 - Was ist dran?
Web 2.0 - Zeit für eine nüchterne Diagnose. | Folge 2 |
Von Willi Schroll und Andreas Neef
Das World Wide Web ist in weniger als einem Jahrzehnt erwachsen geworden. Die Jahre der großen Utopien, der Hype, das Börsenfieber, der kollektive Kater nach dem bösen Erwachen - all das liegt noch gar nicht so lange zurück. Heute reiben wir uns ungläubig die Augen, denn wie damals bevölkern viele bunte Start-Ups das Web und jede Menge euphorischer Verheißungen schwirren durch die Luft. Dabei sammeln sich die Evangelisten, Analysten und Investoren des neuen Web unter der wenig aussagekräftigen Flagge "Web 2.0". In Folge 2 geht es um die Implikationen für Medienwelt und Unternehmen.
Blish, Blummy, Bolt und Blurb - das klingt nach Kinderreim, lustig, verschmitzt und irgendwie gut gemeint. So ähnlich, behaupten böse Zungen, verhält es sich auch. Den die pfiffigen Namen stehen für vier Startups, die gegenwärtig mit Berufung auf "Web 2.0" im neuen Netz Geschäfte machen wollen; und angesichts der netten Storys über kleine, sympathische und selbstredend hochmotivierte Teams überkommt so manchen gelegentlich ein Déjà-vu-Gefühl - Stichwort "Dot-Com-Blase". Vorschnelle Häme ist allerdings ebenso unangebracht wie ein undifferenzierter Hype. Stattdessen sollte die Frage ernsthaft gestellt werden: Steht Web 2.0 für eine Transformation, die das Business tangiert, vielleicht sogar umformt? Unsere Antwort ist ein kritisch abgewogenes, aber deutliches "Ja". Zwar darf als sicher gelten, dass die meisten der 813 gegenwärtig bei web2list.com gelisteten Services von ActiveCollab bis Zooomr den Sommer 2007 nicht erleben werden (und auch nicht das Glück haben werden, von Google, Yahoo oder gar Rupert Murdochs Medienimperium aufgekauft zu werden). Ebenso sicher ist aber auch, dass das Web gegenwärtig einen qualitativen Wandel mit tiefgreifenden Konsequenzen durchlebt. Im Folgenden geht es um ihre Implikationen für Medienwelt und Unternehmen.

Web 2.0 und die Medien - Mitmachen wird Mainstream

Social Media - User in neuen Rollen.


Blogherald.com meldet für den Juli 2006 weltweit 70 Millionen Blogs, Tendenz weiterhin steigend. Müssen Journalisten und Zeitungsverleger deshalb nun Krisensitzungen abhalten? Wird ein TV-Produzent nervös, wenn er liest, dass eine Website 100 Millionen Videos pro Tag an eine ständig wachsende Zuschauerschaft ausliefert? Haben ein paar Tausend Podcaster die Welt der Radiosender ins Wanken gebracht? Definitiv nicht. Die Frage aber bleibt: Haben wir es mit einem Strohfeuer zu tun - oder mit der Ruhe vor dem Sturm? Wird es eine Medienrevolution geben, wird die IP-Konvergenz und das "Zeitalter der Partizipation" ( The Economist) die Medienkolosse hinwegfegen? Momentan können sich die etablierten Medienmacher noch damit beruhigen, dass es sich bei den neuen Inhaltsanbietern gemessen am gesamten Kuchen des Medienkonsums um ein überschaubares Stückchen handelt. Zwei Fakten jedoch signalisieren Handlungsbedarf. Erstens steht Blogging stellvertretend für eine strukturelle Veränderung, und zweitens gibt es eine neue junge Generation, die mit größter Selbstverständlichkeit die medialen Möglichkeiten für sich zu nutzen weiß und das oftmals auf Kosten der "alten Medien" wie Zeitung, Radio und TV.

Der Konsument als Produzent - eine Milliarde Inhalteanbieter?


Wenn sich der passive Medienkonsument von der Couch-Kartoffel zum aktiven Medienproduzenten wandelt, d.h. selbst - mehr oder minder professionelle - Inhalte für andere anbietet, so konkurriert er nicht nur mit den klassischen Medien. Ebenso entscheidend ist, dass er - zumindest temporär - eine neue Rolle einnimmt. Das ist die strukturelle Veränderung, die Web 2.0 mit sich bringt. Wie die Anziehungskraft der Plattform YouTube eindrucksvoll demonstriert, umgibt selbstgedrehte Videos eine Aura hoher Authentizität. 20 Millionen Besucher pro Monat schauen auf YouTube 100 Millionen Videostreams pro Tag, 65.000 neue Filmchen kommen jeden Tag hinzu - über 40 pro Minute. Der Slogan "Broadcast Yourself" muss vor diesem Hintergrund manchem altgedienten Medienmacher wie ein Weckruf in den Ohren klingen. Schätzungen zufolge kommen in zehn Jahren etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Medieninhalte von den neuen "Content Creators" - von Selbermachern also, von der Ein-Mann-Band bis zu Hinterhof-Video.
Blitzkarrieren bei YouTube - oder auch auf MySpace - zeigen, dass prinzipiell jeder der etwa eine Milliarde Internet-User zum "Sender" werden kann. Vergessen sollten wir allerdings nicht die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie: Ein weiteres Auffächern von Informationsquellen ist nur um den Preis zeitlicher Verkürzung möglich. Kaum jemand hätte wohl Zeit und Nerven, ruckelige Webvideos Marke Eigenbau in Spielfilmlänge anzusehen. Das Häppchenformat der User-Videos bestätigt bereits heute Rupert Murdochs These, dass in Zukunft Medien zu Fastfood werden. Für die konventionellen Medienmacher bleiben die folgenden Fragen brisant: Wie viele "Mini-Medienmacher", werden wie viele Inhalte produzieren und bereitstellen? Welchen Anteil an der Gesamtmediennutzung werden die neuen Anbieter gewinnen - und welche alten Anbieter müssen dementsprechend Anteile abgeben?

Generation C - die weiche Attacke der "Content Creators".


Der zweite Punkt, der bei etablierten Medien für Beunruhigung sorgen muss, ist die Generationendifferenzierung in der Mediennutzung. Die nachwachsende Generation ist nicht einfach "mit dem Internet groß geworden", sie hat dieses bereits als reifes und breitbandiges Medium vorgefunden und in ihren Alltag integriert. Diese Generation sieht gar nicht ein, dass sie Abstriche am Interaktions- und Komfortniveau digitaler Medien machen soll. Laut einer Studie agiert heute die Hälfte der Zwölf- bis Siebzehnjährigen in den USA wie selbstverständlich als Contentproduzent und lädt Fotos, Videos oder eigene Texte ins Netz - oft auf das eigene Weblog. Angesichts dieser Tatsache drängen sich zwei Szenarien auf:

  1. Die heute jugendliche Generation wird auch im Erwachsenenalter Medien ohne Rückkanal für Kommentierung und Selbstausdruck als schwerfällig und reduziert empfinden. Ihr heutiges Mediennutzungsverhalten diffundiert in den Mainstream, die puren Broadcast-Medien sehen dementsprechend alt aus. Die klassische Leanback-Haltung wird für die aktivistischen Mediennutzer der Zukunft dem "Movie-Event" vorbehalten werden, sei es zuhause auf der Couch oder im Kino.
  2. Auch für die jetzt heranwachsende Medien-Generation gilt zukünftig: Aktivität ist anstrengend. Das Entspannungsbedürfnis siegt, jugendliche Abenteuer als Medienproduzent geraten schnell in Vergessenheit. Das gereifte Publikum wendet sich deshalb nur noch sporadisch dem "Dilettantismus der Selbermacher" zu und bleibt den etablierten Qualitätsanbietern treu.

"Share, Find and Play" - das Beispiel BBC 2.0.


Szenarien eröffnen einen Möglichkeitsraum, auf den sich Unternehmen einstellen müssen. Von den "Social Media" (d.h. Text- und Video-Blogs) und Communitys (z.B. MySpace oder Facebook) kann man lernen, dass es gilt, sich auf erhöhte Erwartungen einzustellen und das wachsende Bedürfnis nach Partizipation ernst zu nehmen. Und: Es kommt vor allem auf das "Wie" der Ausgestaltung an. Die Interaktion bei Upload und Sharing muss intuitiv und simpel sein und es muss Spaß machen sich auszutauschen. Die gute alte BBC wagt den Sprung nach vorn: Unter dem Motto "Share, Find and Play" kommt eine gute Portion Open Culture auf die künftige Website - mit Blogs und Heim-Videos; und mit der Möglichkeit, in den Schätzen der BBC zu stöbern. Ganz im Sinne proaktiver Zukunftsplanung sind die oft als konservativ belächelten Briten damit für beide Szenarien gerüstet.

Web 2.0 und die Wertschöpfung der Community

Microwork und der Netzwerkeffekt.


Die Online-Enzyklopädie Wikipedia, deren kumulierter Wissensbestand zu 100 Prozent auf User-Beiträgen basiert, kennt keinen passenden Eintrag für das Konzept "Microwork". Das ist überraschend, denn der Erfolg dieses Vorzeigeprojekts wie auch zahlloser anderer Web 2.0-Services beruht auf dem Microwork-Prinzip. Nutzer-generierte Inhalte in kleinen und kleinsten Dosierungen - seien es Texte, Bilder oder Video-Clips - sind der Rohstoff, der diese Websites in Gravitationszentren des Netzes verwandelt. Social Bookmarking bei del.icio.us, News-Selektion bei Digg.com oder das Schreiben von Gastronomie-Reviews beim deutschen qype.de - ohne die User kein Content, ohne Content kein Nutzen für die User. Kurz: Die Attraktivität vieler Web 2.0-Services gründet auf einer millionenfachen Addition homöopathischer Dosen, die erst in der Masse ihr Momentum entfalten. Eben das ist Microwork: Viele kleine Beiträge ergeben ein großes Ganzes - das sogar mehr sein kann als die Summe seiner Teile. Wenn das "Perpetuum Mobile" eines solchen userbasierten Services erst einmal angeschoben ist, dann wird er buchstäblich zum Selbstläufer. Was nach Magie klingt, nennen Ökonomen nüchtern den Netzwerkeffekt: Mit jedem neuen Nutzer steigt der Wert des Produktes. Und da der User in so hohem Maße vom Netzwerkeffekt profitiert und "in eigener Sache" unterwegs ist, gibt er auch gerne etwas in die Community zurück.

Digg.com, Crowdsourcing und Emerging Brain Grids.


Zurzeit funktioniert Microwork meist nach den Prinzipien der "Gift Economy": Alle schenken allen alles. Spätestens seit jedoch Marktmächte wie AOL versuchen, auf den Web 2.0-Zug aufzuspringen und dabei nach den einfachen Regeln von Angebot und Nachfrage vorgehen, wird sich die produktive Community ihrer Stellung in der Wertschöpfung bewusst. Weblogs Inc. (AOL) versucht derzeit, die fleißigsten Aktiv-User von user-basierten Sites wie Digg.com abzuwerben - mit "Cash for Digging" - das erste starke Signal, dass in Zukunft neben die "Freude am Geben" der Motivator Geld treten wird.
Seit Juni haben die Phänomene im Spannungsfeld zwischen freigiebiger Partizipation und geldwerter Arbeit ihren Begriff gefunden. Jeff Howe hatte in Wired einige Anzeichen dafür versammelt, die zeigten, dass hier gerade etwas passiert, das zum Trend werden könnte. Das zusammengesetzte Wort Crowdsourcing konnotiert dabei geschickt, dass es sich hier um eine neue Art von Outsourcing handeln könnte. Damit wäre Web 2.0 in der Tat zum Politikum geworden - denn welcher wirtschaftliche Akteur könnte es sich leisten, einen Trend von der Tragweite des Outsourcing zu ignorieren? Sollte die vernetzte "Crowd" sich tatsächlich zur Quelle von Wertschöpfung mausern und sukzessive mit etablierten Marktteilnehmern in Konkurrenz treten, dann würde hier viel mehr passieren als die "Verbesserung des Web". Gehversuche in Sachen Crowdsourcing finden momentan beispielsweise bei Amazon statt - dort werden für ein weltweites Publikum sogenannte "HITs" angeboten - Human Intelligence Tasks, d.h. Aufgaben, die derzeit nur von menschlichen Hirnen bewältigt werden können. Das Geschäftsmodell lässt sich als schlüssige Variante des Grid Computing betrachten - nicht Prozessor-Power, sondern Brain-Power ist dabei die weltweit handelbare Commodity. Solche "Marktplätze für Wissen" sind keineswegs neu - durch den Web 2.0-Enthusiasmus bekommen sie jedoch einen neuen Schub. So haben einige der Workforce-Plattformen wie Elance.com oder smarterwork.com den Dot.com-Crash überlebt und profitieren nun von dem gewachsenen Interesse. Crowdsourcing funktioniert dabei auch in Größenordnungen, die deutlich über "Microwork" hinausgehen. So hat etwa der Pharma-Konzern Eli Lilly bereits 2001 InnoCentive gegründet - mit dem Ziel, eine Plattform für höchst anspruchsvolle Aufgaben in Forschung und Entwicklung bereit zu stellen. Die Lösung der auf InnoCentive ausgeschriebenen "Challenges" erbringt bis zu 100.000 Dollar und liefert Forschern und talentierten Laien einen passablen Nebenverdienst.

Marketing 2.0 und Social Commerce

"Märkte sind Gespräche". (Cluetrain 1999)


Unter dem Eindruck der Möglichkeiten des damals noch neuen Mediums World Wide Web schrieben vier weise Männer 1999 einen Text mit dem mysteriösen Titel "Cluetrain Manifesto". Darin verkündeten sie, das Web sei eine Kraft, die Märkte und Konsumenten umformen werde. Ihre 95 Thesen erweisen sich im Rückblick als erstaunlich hellsichtig - im Kontext Web 2.0 sind besonders die Nummern 9 bis 12 interessant. Vernetzte Konversationen, so heißt es da, statten den Konsumenten mit einer neuen Macht aus, sogar mit einer Überlegenheit bezüglich des Produktwissens. Die Konsumenten wüssten mehr als das Unternehmen über dessen Produkte und sie tauschten sich schonungslos aus.
Inzwischen sind die "vernetzten Konversationen" Realität geworden in der Gestalt einer quirligen Blogosphäre, gegen die sich die Foren und Newsgroups des Web 1.0 wie Kommunikations-Tümpel ausnehmen. Diese Communities sind ebenso hochvernetzt wie kritisch - und auf Vereinnahmungsversuche reagieren sie höchst allergisch. Marketingakteure, die an diese Communities andocken wollten, bekamen das schon mehr als einmal bitter zu spüren. Schlichte Ansätze mit dem Ziel, attraktive Zielgruppen zu ködern, sind vor diesem Hintergrund zum Scheitern verurteilt, da das Alleinstellungsmerkmal und das soziale Kapital der Blogger gerade ihre Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit ist. Das Konzept des bezahlten Bloggens wird als Bedrohung für die Grassroots-Credibility betrachtet und deshalb mit Skepsis betrachtet - der Blogger riskiert schlichtweg die Abwanderung seiner Leserschaft. Im Umkehrschluss bekommen im Szenario "Networked Consumer Power" Nischenprodukte, die sehr genau auf die Bedürfnisse einer Special Interest Community passen, eine Chance, zum Kunden zu finden. Mangelhafte Qualität oder Mängel im Service dagegen werden von den Konsum-Bloggern schonungslos entlarvt - sprich. Die Nebelmaschine anzuwerfen, nützt hier wenig. Unternehmen sind gefordert, mit Produktinnovationen zu punkten.

User ahoi! Marketing adé?


Cluetrain verkündete damals im Untertitel das Ende des "business as usual". Jeder Ansatz, der heute versucht, zu den alten Gewohnheiten zurückzukehren riskiert unangenehme Nebenwirkungen. Anders gesagt: Das Marketing - als Unternehmensfunktion wie als Branche - wird sich auf eine veränderte Rollenverteilung einstellen müssen, das Grassroot-Web lässt sich nicht steuern und switchen wie der Kanal einer Multichannel-Kampagne. Derzeit sind bereits Versuche im Gange, das bei der Wissensorganisation so erfolgreiche Wiki-Format für den Bereich Shopping zu nutzen. Die Produkt-Wikis von Amazon machen Produktwissen für die Konsumenten sehr effizient zugänglich und setzen die Vorreiterrolle Amazons beim erwähnten Crowdsourcing fort. Der Internet-Shop nutzt bereits seit 1995 Kundenkommentare, eine Tatsache, die illustriert, dass Web 2.0 weniger als Begriff für eine "technologische Ära" verstanden werden sollte, sondern eher als eine Zäsur in den Köpfen. Für die Marketing-Branche könnte das Brodeln der Web 2.0-Services also durchaus zum Hexenkessel werden, in dem ihre üblichen Argumentationsmuster hinfällig werden: Man stelle sich vor, es ist Marketing und der User macht es selbst. Virales Marketing ist dank der Web-Verwandlung ins Partizipatorische noch viel einfacher geworden. In Sekunden werden Lawinen von den Usern losgetreten und Messages positiver wie negativer Art durchzucken die sozialen Netzwerke und die Blogosphäre.

Social Shopping, Produkt-Wikis und Consumer-Blogs.


Könnte analog zum Marketing auch der Handel durch die neuen Webdienste einen ernsthaften Wandlungsprozess durchleben? Gegenwärtig steht eine klare Definition des "Social Commerce" noch aus und es wird viel experimentiert. So dreht shopwiki.com die Schraube ein Stückchen weiter, indem es Produkt-Reviews in der Form von Video-Clips anbietet. Bekanntlich ist Schauen bequemer als Lesen. "Upload your video, make $50!" - shopwiki nimmt mit dieser Rekrutierung nicht nur die Kunden in Dienst und macht sie zu vielen kleinen Werbefilmern - für ein unschlagbar niedriges Budget. Nein, im Grunde sind diese Clips ebenso wie die wiki-artigen "Einkaufsführer" ein integraler Teil des Shopping-Prozesses. Bisher war der typische Ablauf beim E-Shopping von Zersplitterung geprägt.
Der Online-Shopper suchte vielleicht zunächst nach Orientierung bei Freunden und in Foren, inspizierte denn Erfahrungsberichte auf einem Meinungsportal und nutzte schließlich ein Preisvergleichsportal. Shopwiki und verwandte Dienste stellen sich demgegenüber als komfortable One-Stop-Lösung dar. Das neue "Shopping-Erlebnis" startet mit dem "sozialen Kapital" glaubwürdiger User-Reviews und führt über einen gigantischen Warenkosmos, in dem die User komfortabel ihren Wünschen folgend navigieren können, schließlich zum Point of Sale in einem der 120.000 angeschlossenen Stores.

Long-Tail-Business - Das Ende der Ladenhüter.


Eines der gegenwärtig meist diskutierten Schlagworte in der Web 2.0-Debatte kommt ursprünglich aus der Statistik: der "Long Tail". Wired-Editor Chris Andersen wendete das Wort von der "langen Schleppe" als Erster auf die Welt des E-Commerce an: Wenn alle verkauften Produkte nach der Häufigkeit ihrer Nachfrage aufgetragen werden, so bilden die Topseller am linken Rand einen steilen Gipfel. Die schwächer nachgefragten Güter generieren jedoch zusammengenommen (also als "Long Tail" gesehen) oft ein größeres Absatzvolumen als die bestverkauften Waren. Das galt zwar schon immer - in einem konventionellen Shop jedoch ist jeder einzelne "Ladenhüter" ein Klotz am Bein des Betreibers, sprich: völlig unrentabel. In Online-Shops allerdings kann es durchaus lohnenswert sein, die Nachfrage von vielen kleinen Minderheiten zu bedienen. Amazon oder Netflixx können ohne Kostenexplosion ihr Sortiment extrem aufblähen, da Lagerhaltung und Logistik anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen - oder gar nur unbedeutende Kosten verursachen, wie im Falle digitaler Güter, die auf Speichermedien gelagert und über das Netz ausgeliefert werden. Dank des "unbegrenzenten Regalplatzes" kann dem Kunden also eine immense Breite im Sortiment geboten werden. Die Pointe besteht dann in "sozialen Algorithmen", die dem Kunden helfen, sich in der Fülle zurechtzufinden - sie schmiegen sich sozusagen seiner individuellen Wunschwelt an. Auch das ist eine Praxis, die Amazon bereits vor "Web 2.0" eingesetzt hat: "Customers who bought ... also bought ...". Extrem potenzierte Auswahl plus adäquate Filterung des Angebots heißt also das neue Erfolgskonzept.

Shop-Spreading - Die Fragmentierung von Handel und Vertrieb.


Die Geschäftsmodelle des "Social Commerce" können definiert werden durch die Nutzung von sozialem Kapital: Der Kunde bringt nicht nur Umsatz, sondern wird zur Quelle anderer Potenziale und Werte, verfügt über Ressourcen, die nutzbringend eingesetzt werden können - zum Vorteil beider Seiten. Die relevanten sozialen Ressourcen sind vor allem Glaubwürdigkeit und das kleine oder große Beziehungsgeflecht, das jeder von uns mitbringt. Im "sozialen Kanal des Vertrauens" können Empfehlungen durchgereicht werden (User Reviews), es kann elektronische Mundpropaganda stattfinden (Communities, Blogs), und es ist sogar möglich den Verkauf selbst zu dezentralisieren und den Käufer zum Verkäufer zu machen. Bereits heute ist es für Enthusiasten möglich, auf spreadshop.com einen eigenen "Spreadshop" zu eröffnen - jeder, von der Laienboygroup bis zum Sportverein, kann individuelle Merchandisingartikel konfigurieren und verkaufen, ob T-Shirts, Tassen oder Regenschirme.

Web 2.0 - Quo vadis?
Die Skepsis gegenüber dem Buzzword "Web 2.0" sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass das Internet, die Medien, Marketing und E-Commerce reale Wandlungsprozesse durchläuft, die zum Teil bereits in den Mainstream diffundieren. Web 2.0, mobiles Web, Agententechnologie, semantische Intelligenz - die nächsten Konvergenzen deuten sich bereits an. Teilweise werden alte Geschäftsmodelle unter Druck kommen, Crowdsourcing und nutzer-generierte Inhalte werden da und dort in die Wertschöpfung eingreifen und alte Strukturen aufbrechen. "Web 2.0" erweist sich dabei immer mehr als Weckruf: Althergebrachte Konzepte kommen auf den Prüfstand, im Marketing, im Handel, in der Medienbranche, im Vertrieb. Web 2.0 - Hype oder Quantensprung? Wer die Spreu sorgfältig vom Weizen trennt, stellt fest: Es ist einiges dran.

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Andreas Neef ist Geschäftsführer, Willi Schroll Future Analyst bei Z_ punkt GmbH The Foresight Company.

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Erscheinungsdatum Oktober 2006
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Andreas Neef
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Andreas Neef ist Managing Partner von Z_punkt.

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