Villen im Park

Ein Gespräch mit dem CAMPEON-Architekten Sebastian Knorr über Firmenzentralen der Zukunft.

Von Sylvia Englert

Wo will man gerne arbeiten? Dort, wo man genauso gut wohnen könnte. CAMPEON, die neue Unternehmenszentrale von Infineon, wagt diesen Mix aus Leben und Arbeiten. Das Ziel: informelle Kommunikation zu erleichtern und mit dem Umfeld zu verwachsen.

Der deutsche Architekt Sebastian Knorr entwickelte das Konzept von CAMPEON, der neuen Unternehmenszentrale von Infineon. Geleitet wird das Projekt von der deutschen Niederlassung seines Architekturbüros TEC PMC. Knorr gründete TEC PMC im Jahr 2000 in New York; heute ist er einer der Gesellschafter. Das Büro konzipiert und entwickelt nationale und internationale Projekte und Vorhaben in Architektur, Städtebau und Design.

Waren amerikanische Colleges die Vorbilder für Ihren Entwurf? Oder reichen die Wurzeln noch weiter zurück?
CAMPEON ist eine komplette Neuentwicklung. Bis hin zu den Architekturdetails haben wir die Idee von Arbeiten und Arbeitsplatz neu hinterfragt. Amerikanische Colleges bildeten hier sicher eine Anregung. Wir haben aber auch Eindrücke aus traditionellen japanischen Bauten, antiken wie modernen Stadtanlagen bis hin zu bayrischen Dörfern verarbeitet.

In Deutschland haben solche Campus-ähnlichen Konzepte noch Seltenheitswert, oder?
Eine der ersten und auch schönsten Campusanlagen ist die University of Virginia von Thomas Jefferson. Einige US-Firmen versuchen, den Geist der Universitäten durch ähnliche Anlagen in "Office-Welten" zu importieren. In Deutschland scheitern solche Versuche, die ohnehin viel zu selten unternommen werden, meist an den zu kleinen Grundstücken. Infineon geht einen Schritt weiter als viele andere Firmen, indem sie nicht nur für eine lockere Struktur in einem parkähnlichen Gelände entschieden haben, sondern weil sie auch den Mut haben, sich zu ungewöhnlicher Architektur zu bekennen, die versucht, den Mitarbeitern zusätzliche Motivation und nicht Hindernis zu sein. Dabei spielen ökologische Konzepte genauso eine Rolle wie grundsätzliche Überlegungen, wie und wo sich Menschen wohl fühlen. Architektur muss mehr leisten, als nur Häuser zu bauen - sie kann auch eine Art von Lebensgefühl ausdrücken.

Ist die Zeit der klotzigen Hochhaus-Firmenzentralen endgültig vorbei?
Hochhäuser haben als Bauform durchaus ihre Berechtigung. Das fragwürdige Image kommt von jenen schlechten Beispielen, die oftmals aus einem Unverständnis gegenüber den Bedürfnissen der Nutzer und der Gestaltung herrühren. Es gibt aber auch viele gute Beispiele, zum Beispiel das Chrysler Building in New York, das für überzeugende Architektur steht. Grundsätzlich geht es wohl mehr um das Selbstverständnis der jeweiligen Firma. Die neue Infineon-Zentrale orientiert sich an den Menschen und der Natur. Es lässt die vielfältigsten Möglichkeiten für Kommunikation entstehen.

Bisher sind die Infineon-Mitarbeiter auf viele verschiedene Standorte verteilt. Hatte das negative Effekte für die Kommunikation (die man mit dem CAMPEON-Konzept vermeiden möchte)?
Ein Grundgedanke von CAMPEON ist, die formelle und vor allem auch die informelle Kommunikation der Mitarbeiter untereinander zu fördern. Sportangebote, "lounging areas", Restaurants, Shops, Terrassen, Balkone, Dachgärten, Kunstveranstaltungen und permanente Ausstellungen innen und außen sind nur ein Teil dieser Bemühungen. Vom Vorstand der Firma werden Dinge wie "New Work", Toleranz und "Social Neighbourhood" gefördert, das muss sich gerade auch in der Architektur manifestieren.

CAMPEON soll wie eine Stadt konstruiert sein, sogar mit Geschäften. Hoffen Sie darauf, dass bei den Mitarbeitern Arbeit und Leben immer stärker verschmelzen?
CAMPEON ist eine "Instant Structure", ein Gefüge, das auf einmal entsteht. Hierfür gibt es in der Baugeschichte gute Beispiele. Unsere Architektur verleugnet nicht die Kürze ihres Entstehungsprozesses, beinhaltet aber auch viele Überlegungen zur Komplexität und Vielfalt gewachsener Städte. Die Idee von "Villen im Park" war für alle Beteiligten der größte gemeinsame Nenner als Antwort auf die Frage, die wir uns immer wieder stellten: Wie können wir ein angenehmes und motivierendes Umfeld für die Mitarbeiter (bürointern: "CAMPEONistas") schaffen? Denn der Spaß an der Arbeit darf nicht zu kurz kommen, und natürlich soll das Leben nicht erst nach dem Arbeiten beginnen. Es ist schon öfter vorgekommen, dass wir gefragt wurden, wann "die Wohnhäuser" denn fertig wären. Wir freuen uns über diese Verwechslung, weil die Logik dahinter sehr einfach ist: Wenn man sich vorstellen könnte dort zu leben, dann kann man sich sicher auch vorstellen dort zu arbeiten. Jeder Mitarbeiter wird die Freizeitangebote von CAMPEON individuell nutzen können und kann für sich entscheiden, ob und wie weit er eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen treffen will.

Welche Rolle spielen die informelle Kommunikation und soziale Kontakte in der Firmenzentrale der Zukunft?
Kommunikation und soziale Kontakte, motiviertes Arbeiten, Spaß am Job sind in der gegenwärtigen Arbeitswelt völlig unterbewertet. Man braucht gar nicht in all die Studien zu schauen, die nachweisen, dass die besten Ideen auf informeller Ebene entstehen. Es reicht schon der gesunde Menschenverstand, um zu begreifen, dass die vielerorts noch immer zelebrierte Arbeitsauffassung des frühen Industriezeitalters nicht unbedingt kreativitätsfördernd ist.

Wird es nicht ungewohnt sein, dass sich auf dem Gelände nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Anwohner tummeln? Was für positive Effekte könnte das haben?
Die Zeit der Zäune um Unternehmen ist vorbei. Wir waren uns hier mit Infineon schnell einig. Unternehmen, die mit ihrem Umfeld verwachsen, sind auf Dauer stärker. Im Idealfall sind die Grenzen zwischen innen und außen fließend. So kann auch der Schwellenangst der Menschen vor großen Unternehmen bis hin zur immer noch latenten Innovations- und Technologiefeindlichkeit am besten entgegengewirkt werden.

Bisher hatten Firmenzentralen nur einen sehr geringen Erholungseffekt - was bei CAMPEON ja anders sein soll. Rechnen Sie damit, dass die Impulse für "Wohlfühl-Gebäude" von anderen Unternehmen aufgenommen werden?
Jedes moderne Unternehmen sollte sich fragen, wo die Reise hingehen kann. Wir stehen am Anfang eines neuen Zeitalters des Arbeitens. Wenn es der Welt gelingt, bessere Wege der Kommunikation und Information zu implementieren, wird das auch das globale Zusammenleben stark verändern. Die Architektur muss sich immer wieder an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.
Wie der russische Forscher Kondratieff nachgewiesen hat, ergibt sich etwa alle 60 Jahre ein neuer Zyklus in der Wirtschaft, der stark mit der jeweiligen Basistechnologie zusammenhängt. Die Architektur konnte nicht immer Schritt halten. Noch immer verstehen viele das Bürohaus als Maschine. Aber in einer Zeit, in der es selbstverständlich ist, mit einem Mobiltelefon aus einem Münchner Biergarten in Los Angeles anzurufen, kann die Architektur nicht so tun, als wäre gerade die Dampflok erfunden worden. Folgerichtig ist CAMPEON nicht die Darstellung technizistischer Gestaltungswut, sondern die Bezugnahme auf grundsätzliche menschliche Handlungsweisen und Bedürfnisse.

Geplant ist, dass im Inneren der Gebäude für die Mitarbeiter ganz verschiedene Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Was soll das bewirken?
Jeder Mensch ist anders. Der Durchschnitts-Büroarbeiter existiert nur als statistische Größe und ist somit als Ansprechpartner wertlos. Bei CAMPEON werden unter anderem 200.000 Quadratmeter Bürofläche für zirka 7.000 Menschen realisiert. Wir halten es für wichtig, trotzdem an den Einzelnen zu denken. CAMPEON wird viele Wege zur Individualisierung des Arbeitsplatzes offen halten, aber auch schon baulich ein vielfältiges Angebot an die Mitarbeiter machen. Bürohäuser müssen weder glatt und steril noch uniform sein.

Wie haben die Mitarbeiter auf den Entwurf reagiert?
Wir haben bislang sehr viele positive Reaktionen. Es wurden aufwendige Befragungen einzelner Abteilungen durchgeführt, wie sie sich denn ihr zukünftiges Arbeitsumfeld vorstellen könnten. Wir haben diese Anregungen immer wieder in unsere Arbeit einfließen lassen. Einige möchten sich auch schon ihren Arbeitsplatz genau aussuchen. "Mit Blick aufs Wasser" ist besonders beliebt ...

Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.

www.campeon.de
www.infineon.com

© changeX Partnerforum [05.04.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

changeX 05.04.2002. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

Infineon Technologies AG

Weitere Artikel dieses Partners

Gesünder leben mit Chips

Innovative Entwicklungen von Infineon könnten die Medizin revolutionieren. zum Report

Professionelles Lesen im Kaffeesatz

Mit Hilfe von Trend- und Zukunftsforschung bereitet sich Infineon auf zukünftige Herausforderungen vor. zum Report

Neuronen in Aktion

Neurochips sind eine spannende neue Technologie. zum Report

nach oben