Ein schwieriger Rohstoff

Financial Times Marketingpraxis: Wissensmanagement, das neue Buch von Wendi R. Bukowitz und Ruth L. Williams.

Von Nina Hesse

Wissensmanagement ist alles andere als unkompliziert. Das mussten viele Unternehmen auf schmerzhafte Weise erfahren. Mit einem hervorragenden Arbeitsbuch leiten zwei Expertinnen nun an, das komplexe Thema zu durchdenken und in die Praxis umzusetzen.

Die Wissensmanagement-Euphorie ist vorbei, vielerorts hat Ernüchterung eingesetzt. Und noch immer hapert es in vielen Firmen am Fluss von Informationen, Erfahrungen, Wissen eben. Viele Unternehmen haben unterschätzt, wie schwierig mit diesem Rohstoff und Produktionsfaktor umzugehen ist. Da er vor allem in den Köpfen der Menschen existiert, sträubt er sich dagegen, festgebannt, kanalisiert, kontrolliert zu werden. Wenn man ihn zu lange lagert, verdirbt er: "Einen Teil des geistigen Eigentums betrachtet man besser als gemietet, geleast oder geborgt", mahnen die Autorinnen. Und niemand ist den Umgang mit einem Stoff gewohnt, der gerade dadurch Probleme hervorruft, dass er wächst und sich vermehrt.

Ein Arbeitsbuch für Praktiker.


Williams und Bukowitz, beide im Vorstand von PricewaterhouseCoopers, ergehen sich nicht in Schwärmereien über die Bedeutung ihres Themas, sondern kommen direkt zum Punkt: Okay, Sie haben erkannt, dass Wissensmanagement wichtig ist. Und hier erfahren Sie, wie man es macht. Rezepte und Aktionspläne liefern sie zwar auch, doch vor allem ist Wissensmanagement ein Arbeitsbuch. Denn der Weg zu einem funktionierenden Informationsfluss ist sehr individuell, die Voraussetzung für jede Firma völlig anders. Also erzählen die Autorinnen etwas über das jeweilige Thema, berichten, welche Lösungen andere Firmen gefunden haben, und helfen dem Leser mit Fragen und Checklisten, selbst Schlüsse daraus zu ziehen. Eins ist sicher: Wer tatsächlich den Mut findet, alle 430 eng bedruckten Seiten wirklich durchzuarbeiten, der ist umfassend informiert und hat sich ausführlich mit den einzelnen Themen auseinander gesetzt. Eine Unmenge von Selbsttests, Checklisten und Denkanstößen durchzieht das Buch.
Gleich am Anfang laden die Autorinnen zu einem ausführlichen Diagnose-Test ein, damit der Leser erst einmal das eigene Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen kann. Anhand der Testergebnisse bekommt man einen objektiveren Eindruck, wie die eigene Firma dasteht, welche Defizite sie bei der Wissenskultur noch hat und welche Kapitel man sich dementsprechend besonders vornehmen sollte. Aufgebaut ist das Buch nach den einzelnen Elementen des Wissensmanagements: Beschaffen. Nutzen. Lernen. Einen Beitrag leisten. Beurteilen. Aufbauen und pflegen.

Wissensmanager einstellen!


Schon beim Beschaffen von Wissen gehen in der Praxis die Probleme los: Unübersichtliche Ablagestrukturen und Systeme, die jeder Suchmethode trotzen, machen es für viele Mitarbeiter zur Qual, sich in der Firma genau das Fitzelchen Wissen zu holen, das sie gerade dringend brauchen. Die Autorinnen halten sich nicht damit auf, technische Lösungen zu schildern, sondern helfen, das Grundproblem zu analysieren und selbst zu lösen. Vorbilder haben sie reichlich parat. Als praktisch erwies sich beispielsweise die Idee der Firma Teltech, "Gelbe Seiten" zu erstellen, in denen die Mitarbeiter ihre Kollegen auf Leute hinweisen, die bei bestimmten Themen oder Problemen helfen können.
Selbst wenn es im Unternehmen ein Wissensmanagement-Tool gibt, ist sein Erfolg immer noch zweifelhaft: Gerade hochmoderne Systeme scheitern, so die Autorinnen, daran, dass einfach niemand sie benutzt: "Aus 50 Prozent Trägheit und 50 Prozent Horror." Wenn es gilt, die Mitarbeiter zum Wissensteilen zu bewegen, empfehlen Bukowitz und Williams praktische Psychologie: "Lassen Sie die Leute ihr Wissen selbst veröffentlichen, um den geistigen Eigentümer zu fördern." Bei Hewlett-Packard ist es für die Mitarbeiter noch viel deutlicher, was für Vorteile es für sie hat, ihr Wissen weiterzugeben: Seit dort ein Mikrovergütungssystem eingeführt wurde, wird frischfröhlich drauflosgeteilt und -verdient.
Doch durch das Anschwellen des Wissensstroms ergeben sich wieder ganz eigene Probleme: Wenige Probleme bleiben, so die Autorinnen, aus Mangel an Wissen ungelöst - stattdessen ist die Herausforderung, die Informationen zu beurteilen und sich nicht zu überfrachten. Und hat das Unternehmen eifrig und erfolgreich das Know-how seiner Mitarbeiter gesammelt, kann es sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen: Wissensbestände müssen gepflegt werden, um nicht zum unaktuellen Datenfriedhof zu verkommen. Aber auch das ist kein Problem: Bukowitz und Williams weisen mit vielen Best Practice-Beispielen den Weg.

Beeindruckende Qualität.


Mit dem Problem des Veraltens kennen sich Sachbuchautoren selbst gut aus - und Williams und Bukowitz haben diese Frage geschickt gelöst. Die Originalausgabe des Buches von Williams und Bukowitz ist in Amerika zwar schon 1999 erschien. Doch angestaubt wirkt ihr Werk deswegen noch lange nicht. Vor allem sein Arbeitsbuch-Charakter und die beeindruckende Qualität retten es davor, allzu bald in der Versenkung zu verschwinden.

Wendi R. Bukowitz, Ruth L. Williams:
Financial Times Marketingpraxis: Wissensmanagement,
Financial Times Prentice Hall 2002,
451 Seiten, 69,95 Euro,
ISBN 3-8272-7074-X
www.ftmanagement.de

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

© changeX [02.07.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Financial Times Marketingpraxis. Wissensmanagement. Times Prentice Hall, München 2002, 451 Seiten, ISBN 3-8272-7074-X

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