Sind wir fit für unsere Kunden?

Ein Essay über die Beziehungsfähigkeit von Unternehmen.

Von Alfred Doll

In klassischen Wirtschaftslehren ist der Markt ein Ort, "an dem das anonyme Angebot auf eine anonyme Nachfrage stößt". Doch das funktioniert immer weniger, der Kunde wird immer anspruchsvoller, will als Individuum wahrgenommen werden. Wir stehen, so die These von Alfred Doll, vor einem neuen Entwicklungsschritt der Managementreife: Das "beziehungsgetriebene" Management löst das "qualitäts- und marketinggetriebene" Management ab.

Der allseits zitierte Paradigmenwechsel, der sich sowohl in unserer Gesellschaft als auch Wirtschaft niederschlägt, macht auch vor dem Kunden nicht Halt. Der Kunde ist mündig geworden. Viele Kunden sind heute bereits im Vorfeld vor einer Kaufentscheidung über die Funktionalität und die Qualität der Produkte/Dienstleistungen informiert. Gerade in Deutschland ist dies besonders ausgeprägt. Mündige Kunden setzen aber voraus, dass eine steigende Leistungsqualität auch zu einer Steigerung des Umgangs miteinander führt. Die vermeintlichen Produktinnovationen sind für den Kunden keine Innovationen mehr, sondern bestenfalls Arbeitserleichterungen. Wer heute im Wettbewerb einen vom Kunden honorierten Differenzierungsvorteil erlangen will, schafft dies oft nicht mehr über das Produkt. Dies führt dazu, dass die Leistungen "um das eigentliche Produkt" immer wichtiger werden.

Kernkompetenz Beziehungsfähigkeit.


Darüber hinaus fordern die Kunden mehr Transparenz, offene Kommunikation, partnerschaftliches Miteinander, um ihre eigene Wertschöpfung besser gestalten zu können. Dies führt zu veränderten Anforderungen an Händler und Dienstleister, denen sich diese stellen müssen, wenn sie sich nicht von ihren Kunden und damit vom Markt verabschieden wollen.
Aber welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind gefragt, um sich in diesen geänderten Marktsituationen zurechtzufinden? Einer der wichtigsten Faktoren, um sich den geänderten Marktbedingungen erfolgreich zu stellen, ist die Beziehungsfähigkeit eines Unternehmens. Sie wird zu einem wesentlichen Bestandteil einer erfolgreichen Unternehmensführung.
Diese Tatsache stellt viele Führungskräfte vor eine große Herausforderung. Sie haben sich bisher kaum oder nicht in ausreichendem Maße systematisch über das bewusste Gestalten von Beziehungen in und zwischen Unternehmen bzw. zu Kunden Gedanken gemacht. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass in unseren klassischen Wirtschaftslehren der Markt ein Ort ist, "an dem das anonyme Angebot auf eine anonyme Nachfrage stößt" - so steht es zumindest in den Grundlagenbüchern der Volks- und Betriebswirtschaft. Mit diesem Modell zu arbeiten bietet für viele Führungskräfte verschiedene Vorteile: Es lassen sich optimale Marktzustände errechnen und grundlegende Marktmechanismen können erfasst werden.

Klassische Mechanismen helfen nicht weiter.


Solange ein Unternehmen in einer unkritischen Marktsituation ist, wird der qualitative Unterschied nicht bewusst wahrgenommen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit steigendem Druck durch Wettbewerber, sinkenden Margen, Preiskämpfen etc. wird dieser Unterschied den Ausschlag dafür geben, ob ein unternehmerisches Wachstum noch darstellbar ist oder nicht. Die klassischen Mechanismen der Wirtschaft helfen nicht weiter. Sie bieten keine Lösungen, sondern führen zu der Situation, in der sich viele Unternehmen jetzt wiederfinden: sinkende Umsatzzahlen, hohe Kundenfluktuation, negatives Kundenverhalten, mangelnde Loyalität, Stammkundschaft kann nicht ausgebaut werden, häufige Beschwerden, schlechte Reputation - alles Indikatoren für eine fehlende oder zumindest nicht ausreichende Kundenbeziehung.
Aber gute Kundenbeziehungen lassen sich nicht verordnen oder mit Appellen an den Vertrieb erreichen. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Trends und der daraus erwachsenden steigenden Bedeutung von Beziehungen kann man vor einer derartigen Interpretation nur warnen. Wir stehen heute vor einem neuen Entwicklungsschritt der Managementreife: Das "beziehungsgetriebene" Management löst das "qualitäts- und marketinggetriebene" Management ab.

Vertrauen und Kommunikation.


"Beziehungsgetriebenes" Management bedeutet Vertrauensaufbau, Kommunikation, Verstehen, was den anderen bewegt, sein Warum begreifen, Toleranz zu leben und bereit zu sein, in ein Win-Win-Verhältnis einzutreten als neue Wertmaßstäbe.
Folglich erscheinen auch die Zusammenhänge zwischen Unternehmen und Markt/Kunde in einem neuen Licht: Ging es im traditionellen Managementverständnis um Marktanonymität, Rendite (Orientierung an sich selbst), Ursache-Wirkungs-Kausalität, Aktion mit dem Ziel, den Markt zu erobern, geht es im Verständnis des Beziehungsmanagements um Marktindividualität, Kundenzufriedenheit (Orientierung an anderen), Vernetzung und Interaktion, um den Menschen für sich zu gewinnen. Durch die multiple Vernetzung in den Interaktionen verwischen die Grenzen zwischen den Unternehmen. Dies wiederum erfordert einen integrierten, das heißt ganzheitlichen Lösungsansatz.
Unternehmen treten untereinander in Beziehungen, indem ihre Mitarbeiter, Führungskräfte oder die Unternehmer selbst miteinander interagieren. Die Qualität der Geschäftsbeziehung hängt demzufolge unmittelbar von der Qualität der Beziehung zwischen den interagierenden Personen ab.

Beziehungsnetzwerke verstehen lernen.


Es gilt also, die Beziehungsfähigkeit des Unternehmens respektive der Mitarbeiter zu verbessern. Hierzu bedarf es weniger komplexer EDV-Lösungen in Form von Customer Relationship Management(CRM)-Systemen als den gesunden Verstand: Betrachtet man die Verflechtungen von Beziehungen und Interaktionen in und zwischen Unternehmen, stellt man schnell fest, dass die Art und Weise, wie Beziehungen, die im Unternehmen gelebt werden, auch die Qualität vorgeben, wie die Beziehungen mit der Außenwelt des Unternehmens, also auch den Kunden, umgesetzt werden. Es ist ein Beziehungsnetzwerk, dessen Ausdehnung nicht an den Unternehmensgrenzen Halt macht. Wenn sich die Qualität innerhalb des Unternehmens ändert, wird sie sich auch außerhalb zwangsläufig verändern. Das bedeutet: Die Qualität der Beziehungen im Unternehmen verbessern ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben. Eine Beziehung erreicht niemals ein für immer gültiges, also statisches Gleichgewicht. Sie wird durch Interaktionen immer weiter vorangetrieben. Demzufolge besteht das Optimum darin, ein dynamisches, also anpassungsfähiges und flexibles Gleichgewicht in der Beziehung zu erzielen.
Damit wird die Fähigkeit, Beziehungen intelligent aufzubauen, zu pflegen und zu entwickeln, immer mehr zu einer Kernkompetenz. Unternehmen, die diese Kompetenz nicht entwickeln, ignorieren die Zeichen der Zeit.

Alfred Doll ist einer der beiden Gründer und Geschäftsführer des atunis Instituts. atunis hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihren Netzlogik �-Methoden Unternehmer und Führungskräfte im Aufbau der Beziehungskompetenz als Managementdisziplin zu unterstützen und ihre Auswirkung in konkreten Kundensituationen zu verifizieren.

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