Jahre voraus

Im Wettlauf um den umweltfreundlichsten Antrieb hat Erdgas derzeit die Nase vorn.

Von Winfried Kretschmer

In Frankfurt an der Oder fährt die umweltfreundlichste Busflotte Europas. Für den Antrieb sorgen Erdgasmotoren von MAN, die schon jetzt die ab 2008 vorgeschriebene europäische Abgasnorm Euro 5 erfüllen. Mit der schwarzen Rußwolke aus dem Auspuff ist es bei ihnen vorbei, und leise sind die Motoren auch noch.

"Weniger Abgase, geringerer Energieeinsatz, weniger Flächenverbrauch - der Einsatz von Bussen und Bahnen schont die Umwelt." Das gilt als Glaubensbekenntnis umweltorientierter Politik, hier zitiert aus einem Artikel des Europäischen Klimabündnisses: der "gute" öffentliche Personenverkehr als Allheilmittel gegen Dauerstau, Lärm und Gestank, verursacht von den "bösen" Pkw. Doch der Glaubenssatz ist ins Wanken geraten. Das Saubermann-Image von Bus und Bahn hat Kratzer bekommen: "Aus Umweltsicht ist das Auto momentan auf der Überholspur" - das sagt kein Manager der Autoindustrie, sondern der grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Aufgrund strengerer Abgasvorschriften und verbesserter Technik, so der Minister, belasteten die Pkw heute die Luft mit wesentlich weniger Schadstoffen als noch vor zehn oder 20 Jahren. "Beim Bus besteht dagegen Nachholbedarf."

In Sachen Schadstoffarmut Jahre voraus.


Das ist nachvollziehbar. Wer kennt das nicht: Ein mächtiger Stadtbus fährt von der Haltestelle ab und bläst den ausgestiegenen Fahrgästen eine dunkle Wolke aus Dieselruß und Abgasen hinterher. In Frankfurt an der Oder gehören solche Szenen der Vergangenheit an. Seit diesem Frühjahr verfügt die Stadt über die sauberste und leiseste Busflotte in Deutschland, vermutlich sogar in Europa. Die Fahrzeuge sind nur halb so laut, wie es der derzeitige EU-Standard vorschreibt, und erfüllen den anspruchsvollsten europäischen Abgasstandard EEV (Enhanced Environmentally Friendly Vehicle). Damit unterschreiten die Busse bereits heute die ab 2008 vorgeschriebene europäische Abgasnorm Euro 5 - sie sind in Umweltgesichtspunkten um Jahre voraus. Seit kurzem hat die Frankfurter Stadtverkehrsgesellschaft ihre gesamte Flotte auf die umweltfreundlichen, mit Ergas betriebenen Fahrzeuge umgestellt. Insgesamt sind 22 Busse in der Oderstadt unterwegs: elf Solofahrzeuge und elf Gelenkbusse der Firma MAN Nutzfahrzeuge, die für diesen Zweck eigens einen neuen Motor entwickelt hat. Zusätzlich wurde eine öffentliche Erdgastankstelle in der Stadt errichtet.

Gasflaschen unter der Haube.


Äußerlich unterscheiden sich die Erdgasbusse nur durch ihre aerodynamisch gestaltete Haube auf dem Dach. Hier sind die Gasflaschen untergebracht. In sechs bis zehn Druckbehältern aus Stahl oder Aluminium ist der Brennstoff mit einem Druck von 200 bar gespeichert. Die Menge reicht für rund 450 Kilometer. Technisches Herzstück der neuen Niederflur-Busse sind die extrem schadstoffarmen Erdgasmotoren. Der Solobus fährt mit einem Motor mit zwölf Litern Hubraum und 178 kW (242 PS) Leistung. Diesen dem EEV-Standard entsprechenden Motor bietet MAN seit gut zwei Jahren serienmäßig an. Für die 18 Meter langen Gelenkbusse gab es bislang jedoch nur Motoren, die der gültigen Norm Euro 3 entsprachen. Deshalb entwickelte MAN eigens einen leistungsstärkeren Motor, der mit einem Hubraum von 12,8 Litern eine Leistung von 228 kW (310 PS) erbringt und dem anspruchsvollen EEV-Standard entspricht. Umweltminister Trittin lobte: "Ich begrüße das Engagement von MAN, Fahrzeuge zu entwickeln, die die höchsten europäischen Umweltstandards erfüllen und die nun auf Frankfurts Straßen rollen."

Umweltschutz serienmäßig.


Ermöglicht wurde die Erneuerung der Flotte durch ein Projekt des Bundesumweltministeriums mit dem Titel "Anspruchsvolle Umweltstandards im ÖPNV-Wettbewerb", an dem sich 36 Verkehrsbetriebe beteiligt hatten. Ausgewählt wurden die Berliner Verkehrsbetriebe und die Stadtverkehrsgesellschaft Frankfurt (Oder), die auf unterschiedliche Energieträger setzen: Erdgas in Frankfurt und Diesel in Berlin. Erklärtes Ziel des Projektes ist es, die beste heute verfügbare Technologie zu nutzen und zugleich einen Wettlauf zu stimulieren, welche Technik die beste ist. In diesem Wettbewerb der Antriebstechnologien hat derzeit Erdgas die Nase vorn. "Erdgasantriebe stellen zur Zeit den umweltverträglichsten, als Serienprodukt verfügbaren Antrieb dar", sagt Diplomingenieur Gerald Lexen aus der MAN-Entwicklungsabteilung. Die Vorteile lägen in der rußfreien Verbrennung, dem geruchsfreien Abgas, den extrem niedrigen Stickoxid-Werten und den geringen Geräuschemissionen. Daher werde mit Erdgas als Kraftstoff der Zukunft zu rechnen sein, meint der Entwickler. Ein Negativposten ist jedoch der höhere Brennstoffverbrauch im Vergleich zum Dieselmotor. Bei den Kohlendioxidemissionen herrscht deshalb nur Gleichstand zwischen Gas und Diesel.

Diesel kontra Erdgas.


Erste Erfolge im Wettlauf der Antriebstechnologien sind schon zu verzeichnen. So hat der Umweltvorsprung des Gasantriebs die Weiterentwicklung der Dieseltechnologie forciert, berichtete Wolfgang Schwenk vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) auf einem Symposium in Berlin. Zweifellos wird mit dem Dieselmotor weiterhin zu rechnen sein. Mit der Umsetzung der strengen Emissionsgrenzwerte in den kommenden Jahren "zieht der Dieselmotor mit dem heute vorbildlich sauberen Erdgasmotor gleich", prognostiziert MAN-Entwickler Lexen. Langfristig könnte Wasserstoff im Rennen um den Brennstoff der Zukunft die Nase vorn haben, meint er. Bis der aber "in ausreichender Menge flächendeckend zu einem akzeptablen Preis zur Verfügung steht, ist es noch ein langer Weg". An der Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie beteiligt sich auch MAN, wenngleich weniger euphorisch als andere Motorenbauer. "Wir sind hier etwas vorsichtiger als andere Hersteller", gesteht Hueda Tuzlu von der Abteilung Produktmanagement Linienbusse zu. "Aber die Erdgastechnologie ist ein Schritt in Richtung Brennstoffzellentechnologie." Hoher Druck und gasförmiger Brennstoff - die technischen Herausforderungen sind bei Erdgas und Wasserstoff dieselben.

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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