Die Guten ins Töpfchen
Die EinflussReichen. Henkel, Otto & Co. - Wer in Deutschland Geld und Macht hat - das neue Buch von Ulrich Viehöver.
Von Winfried Kretschmer
Wo sind sie nur hin, die guten Unternehmen, die treu zum Standort stehen, ihre Arbeitsplätze nicht in Billiglohnländer verlagern, ihre Mitarbeiter pfleglich behandeln und gewissenhaft ihre Steuern zahlen? Ein Wirtschaftsjournalist blickt hinter die Kulissen von Familienunternehmen - und muss enttäuscht feststellen, dass auch dort nicht Milch und Honig fließen.
Familienunternehmen erleben derzeit eine Renaissance. Ihre langfristige Orientierung und ihre solide kaufmännische Praxis erweisen sich als Erfolgsfaktoren in turbulenten Zeiten, werden sogar als Gegenmodell zum rigiden Shareholder-Kapitalismus gepriesen. Doch in die Klischees der Kapitalismusdebatte passen sie nicht. Denn der Wind weht für alle Unternehmen gleich rau, ob sie an der Börse notiert sind oder sich im Besitz eines Familienclans befinden. Auch dort zwingen der verschärfte Wettbewerb auf den internationalen Märkten und die harte Preis- und Lohnkonkurrenz in einer globalisierten Wirtschaft zu schmerzhaften Restrukturierungen. Nicht anders als bei großen, börsennotierten Konzernen sind auch bei den Unternehmen in Familienbesitz die fetten Jahre vorbei. Das ist das Fazit des neuen Buches des Wirtschaftsjournalisten Ulrich Viehöver - nur wahrhaben will er es nicht.

Gegen Heuschrecken und Vampire.


Das hängt mit seinem besonderen Blickwinkeln zusammen, unter dem er die Familienunternehmen betrachtet - man könnte auch sagen, einem Missverständnis, dem er aufsitzt. Wenn manche Ökonomen Familienunternehmen gegenüber dem Shareholder-Modell im Vorteil sehen, dann meinen sie nicht, dass diese die "besseren" Unternehmen seien. Sondern sie zielen auf einen strukturellen Vorteil, der sich aus deren langfristiger Orientierung und ihrer Priorität für den Erhalt des Unternehmens ergibt - gerade auch mit Blick auf die Renditeziele.
Viehöver hingegen zwingt dieses Argument in den Schraubstock der Kapitalismusdebatte: hier die guten, dort die schlechten Unternehmen. Die schlechten, das sind Aktiengesellschaften, deren Vorstände bereitwillig "dem Druck hemmungsloser Börsenspieler" nachgeben, vor allem "den unersättlichen Spekulanten und Hedgefonds". Die Guten, das sind die traditionellen Familienunternehmen, die mit Ausdauer, Einigkeit und Verantwortungsbewusstsein ein "dauerhaft wirksames Rezept gegen lästige Heuschrecken und Vampire" bilden, die "anonyme Gesellschaften überfallen und am Ende nur Leere zurücklassen". Dass gerade angelsächsische Finanzinvestoren mittelständischen Unternehmen in Deutschland helfen, den Fortbestand ihrer Firma zu sichern, passt nicht in dieses Bild.

Mitarbeiter als erweiterte Familie.


Viehöver malt schwarz-weiß, und das sollte man wissen, wenn man sich auf sein ansonsten faktenreiches und gut recherchiertes Buch einlässt. Die EinflussReichen, das sind zwölf starke Dynastien, "alle Multimilliardäre, die stark in ihrer Tradition verhaftet sind". Das Buch stellt diese "großen Unbekannten der deutschen Oberliga" vor: Merckle, Böhringer, Beisheim, Haniel, Freudenberg, B. Braun, Mohn und Henkel sowie Haub, Sal. Oppenheim, Röchling und Otto, alles milliardenschwere Konzerne, die vielen börsennotierten Unternehmen sowohl in Größe, Umsatz und Mitarbeiterzahl als auch in ihrer Weltmarktorientierung durchaus das Wasser reichen können. Aber in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, teils, weil sie das nicht wollen, teils, weil in der Wirtschaftsberichterstattung die großen Aktiengesellschaften im Vordergrund stehen. "Deutschlands unbekannte Schatten-Reiche sind in Wirklichkeit ein gewaltiger Machtfaktor. Sie setzen in der Summe Billionen um und geben Millionen Menschen Arbeit", schreibt Viehöver.
Sein Blick hinter die Kulissen ist aufschlussreich. Er zeigt das Binnenleben der Unternehmen, die allesamt bereits auf eine längere Geschichte zurückblicken. Weil dies zugleich Familien- und Unternehmensgeschichte ist, hat Tradition für die Inhaber eine besondere Bedeutung. Zugleich achten sie auf den langfristigen Fortbestand des Unternehmens, das zum Familienbesitz zählt und ebenso gepflegt wie das Tafelsilber an die nächste Generation weitergegeben werden soll. Beinahe alle porträtierten Familienunternehmen wurzeln in einem soliden Wertefundament, legen Wert auf eine intakte Firmenkultur und achten auf die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter. Denn die "sind die erweiterte Familie", wie Philipp Merckle, Juniorchef des gleichnamigen Mischkonzerns, der vor allem durch die Marke Ratiopharm bekannt geworden ist, seinen Großvater zitiert.

Kapitalrendite statt sozialer Fürsorge.


Doch gerade die gewachsene Kultur und die betonte Mitarbeiterorientierung sind, wie Viehöver zeigt, in etlichen Unternehmen unter Druck geraten. Auch sie zwingt die verschärfte Marktkonkurrenz zu schmerzhaften Einschnitten. Einschnitte, die der Autor freilich nicht als Anpassung an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen interpretiert, sondern als Eingriff in gewachsene Besitzstände und als Ausdruck wachsender Profitorientierung der Unternehmen. Soziale Fürsorge habe ausgedient, es regieren Kapitalrendite, Markteroberung und Globalisierung, kritisiert Viehöver. Doch dass auch in Familienunternehmen nicht Milch und Honig fließen, will er nicht wahrhaben.

Ulrich Viehöver:
Die EinflussReichen. Henkel, Otto & Co. -
Wer in Deutschland Geld und Macht hat,

Campus Verlag, Frankfurt am Main 2006,
323 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37667-9
www.campus.de

Winfried Kretschmer, Journalist und Autor, arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

© changeX [29.06.2006] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Die EinflussReichen. . Wer in Deutschland Geld und Macht hat. . Campus Verlag, Frankfurt am Main 1900, 323 Seiten, ISBN 3-593-37667-9

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Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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