Und in die Hände gespuckt
Comeback für Deutschland - das neue Buch von Martin Hüfner.
Von Sigmar von Blanckenburg
Der Aufschwung ist da. Bewirkt haben ihn aber nicht diejenigen, die sich nun auf die Schultern klopfen. Politik und Unternehmen haben nur wenig zum neuen Boom der Wirtschaft beigetragen, sagt ein renommierter Volkswirt. Gegriffen hat vielmehr eine Allianz der Vielgescholtenen: die Menschen, die sich schneller geändert haben als die Strukturen, und der Kapitalmarkt, dessen Liberalisierung die Deutschland AG entkrustet hat. Na, wer sagt's denn: Wenn Kapital und Arbeit erst mal an einem Strang ziehen ... / 11.09.07
Hüfner CoverDeutschland hat in den letzten Jahren eine "stille Revolution" erlebt. Sagt Martin Hüfner, ehemaliger Chefvolkswirt der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. Das zeigt der gegenwärtige wirtschaftliche Aufschwung, der keineswegs nur auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 zurückzuführen sei. Sondern vor allem auf strukturelle Veränderungen, die die wirtschaftliche Entwicklung begünstigt haben. Darüber kommt Hüfner fast ins Schwärmen: "Wir erleben eine historisch wichtige, eine einmalige Periode in der Nachkriegszeit. Es tut sich etwas in unserem Land und wir werden in den nächsten Jahren noch viele gute Nachrichten aus Deutschland hören."

Ein Hoch auf die Heuschrecken.


40 Prozent der strukturellen Verbesserungen, die in Deutschland vorgenommen wurden, sind nach Martin Hüfners "Gefühl" auf die Veränderungen des Kapitalmarktes zurückzuführen. Denn der war nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland unterentwickelt. Erst die Liberalisierung des Kapitalmarktes und der Rückbau der Deutschland AG haben dazu geführt, dass viel mehr ausländisches Kapital nach Deutschland geflossen ist. Ein schlagender Beweis dafür ist der Höhenflug des DAX, betont Hüfner, der sich entschieden gegen das verbreitete Negativimage ausländischer Investoren wendet. So haben Private-Equity-Fonds und Hedgefonds dazu beigetragen, viele deutsche Unternehmen profitabler zu machen - entgegen dem schlechten Ruf, den die "Heuschrecken" in Deutschland genießen. Zwar gebe es schwarze Schafe, räumt der Autor ein, doch im Wesentlichen sei der Einfluss auf die Entwicklung deutscher Unternehmen positiv.

Ein Tusch für die Arbeitnehmer.


Das ist aber erst der erste Aktivposten beim Comeback des Landes. Weitere "gefühlte" 40 Prozent gehen auf das Konto der Menschen in Deutschland, die "vor allem ihr Verhalten als Arbeitnehmer" geändert haben. Der Fernsehhersteller Loewe ist für Hüfner ein leuchtendes Beispiel: Nachdem das Management den Umschwung zu Flachbildgeräten verpasst hatte, schrieb das Unternehmen rote Zahlen. Doch die Beschäftigten gingen trotz ihres Unmuts auf die Forderungen des Firmenchefs ein und verzichteten auf ein Monatsgehalt beziehungsweise akzeptierten Gehaltskürzungen um zehn Prozent. Als Gegenleistung sollte die Firma das Geld samt 25 Prozent Aufschlag wieder zurückzahlen, sobald es dem Unternehmen besser ginge. Diese Zugeständnisse ermöglichten es Loewe, die Krise zu überwinden. Für Hüfner ein Beispiel, wie sehr sich deutsche Arbeitnehmer in den letzten Jahren geändert haben. Das gilt auch allgemein: Der Arbeitsmarkt ist flexibler geworden, es gibt mehr Selbständige und mehr Teilzeitarbeit - und auch wieder längere Arbeitszeiten. Das ist die eigentliche "Revolution": Weil der Staat nichts unternahm, nahmen viele ihr Leben selbst in die Hand. Dass die größere Flexibilität nicht verordnet, sondern von den Privaten mehr oder weniger freiwillig verwirklicht wurde, sei das Besondere des Modells Deutschland - neben der Liberalisierung des Kapitalmarktes.

Die Peanuts der Politik.


Politik und Unternehmen haben dagegen nur wenig zu den Veränderungen beigetragen: Nur 20 Prozent gingen auf ihr Konto. "Die Reformen, die der Staat in dieser Zeit verwirklichte, nehmen sich in diesem Vergleich wie die berühmten Peanuts aus." Weiterhin sind also die Menschen auf sich allein gestellt. Für sie entwirft Hüfner zum Schluss noch "eine etwas andere Reformagenda": Er empfiehlt, die Freiheit zu nutzen, die uns unsere Wirtschaftsordnung bietet. Eine Marktwirtschaft lebe davon, dass jeder reich werden wolle. Weder auf Kündigungsschutz noch auf Mindestlöhne solle man sich verlassen und stattdessen selber Aktionär werden. Denn das sei die beste Altersvorsorge. Den Staat solle das aber keineswegs zu weiterer Untätigkeit ermuntern. Denn trotz des Politikversagens hätten die Bürger zum Aufschwung Deutschlands beigetragen. Aber: "Wenn das Modell Deutschland nachhaltig funktionieren soll, wenn wir die erfreuliche Entwicklung der letzten zwei Jahre auf eine dauerhafte Basis stellen wollen, dann brauchen wir auch wirtschaftspolitische Reformen. Der Staat darf bei den Reformen nicht abseits stehen."
Hüfner versteht es, die wirtschaftlichen Zusammenhänge kurzweilig und anregend deutlich zu machen. Dabei führt er nebenbei in wichtige Grundlagen der Volkswirtschaft ein. Schon allein deswegen lohnt es, dieses Buch zu lesen. Sein Optimismus und seine Begeisterung für die deutsche Wirtschaft wirken geradezu ansteckend. Nach so vielen schlechten Nachrichten über den Zustand Deutschlands ist das eine willkommene Abwechslung.

Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Martin Hüfner:
Comeback für Deutschland.
Warum unsere Wirtschaft durchstartet,

Carl Hanser Verlag, München 2007,
260 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 978-3-446-41225-5
www.hanser.de

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: Comeback für Deutschland. . Warum unsere Wirtschaft durchstartet. . Carl Hanser Verlag, München 1900, 260 Seiten, ISBN 978-3-446-41225-5

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Sigmar von Blanckenburg

Sigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.

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