Entwicklung ermöglichen
Patchwork-Karrieren - wie changeX-Leser leben und arbeiten.
Von Sascha Hellmann
Geradlinige Lebensläufe, das war einmal. In der individualisierten Gesellschaft von heute kann sich jeder den passenden Lebensentwurf selbst aussuchen. Brüche, Überraschungen und Durststrecken eingeschlossen. Das Leben ist ein Patchwork unterschiedlicher Phasen, riskant und abwechslungsreich. In den nächsten Monaten porträtieren wir ausgewählte changeX-Leser. Spannende Menschen mit schillernd unterschiedlichen Lebens- und Arbeitswelten. In einer Serie von journalistischen Kurzporträts. Neue Folge 17: Brigitte Späth in München. / 30.04.08
Brigitte Späth
Brigitte Späth:
"Arbeit ist Tätigsein im weiteren Sinne. Mir ist die Herausforderung wichtig. Arbeit heißt auch, Handlungsspielräume schaffen und sich selbst immer wieder neu entwerfen."
"Ich bin sehend zur Welt gekommen", sagt die 56-jährige Brigitte Späth, die in Gunzenhausen geboren wird, jedoch im Vorschulalter erblindet. Sie absolviert die Volksschule in einem Internat in Nürnberg. "Mit 14 Jahren habe ich angefangen, mit meinen Eltern zu kämpfen", erinnert sie sich. Gewöhnlich wurden Blinde zu der Zeit als Telefonisten ausgebildet. Späth kann sich das für ihr Leben nicht vorstellen. Sie setzt durch, auf das Gymnasium in Marburg gehen zu dürfen. In der zwölften Jahrgangsstufe lernt sie an der Volkshochschule Italienisch und lässt sich nebenbei noch zur Telefonistin ausbilden. Um notfalls immer für sich sorgen zu können. Aber sie will Dolmetscherin werden - "doch das war damals überhaupt nicht vorgesehen". Nach dem Abitur bricht sie erst mal in eine andere Richtung aus: Für acht Wochen besucht sie Freunde in den USA. Darauf folgt ein einjähriger Aufenthalt in Paris. Sie studiert an der Sorbonne und unterrichtet Deutsch am Institut National des Jeunes Aveugles. Perugia in Italien heißt die nächste Station, wo sie für ein halbes Jahr Italienisch studiert. Danach geht sie nach München und studiert Politikwissenschaften, französische Philologie und öffentliches Recht. Sie lernt ihren späteren Mann kennen und schließt 1982 ihr Studium ab. Für vier Jahre geht sie nach Hamburg und arbeitet im Institut für Rehabilitation und Integration Sehgeschädigter (IRIS). Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und "Mädchen für alles", sagt Späth.

Perspektiven eröffnen.


Doch das kann noch nicht alles gewesen sein. Sie geht nach München zurück, ist zwei Jahre arbeitslos und bekommt schließlich eine Beschäftigung bei der Bundesagentur für Arbeit: Berufsberatung für Abiturienten und Hochschüler. Nach fünf Jahren fragt sie sich: "Was soll denn hier aus mir werden?" Sie sucht nach neuen Perspektiven und entscheidet sich, parallel zum Job eine Ausbildung zur Sprachgestalterin zu absolvieren. Im Anschluss folgt eine zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung zur Laufbahnberaterin in der Schweiz. "Und das war dann mein Aha-Erlebnis. Ich habe gespürt, was ich wirklich will." Sie fühlt darin eine Berufung: "Ich bin Beraterin." Der Umgang mit Menschen, verschiedenen Biografien und Lebenseinstellungen reizt sie heute immer noch. Sie sieht ihre Aufgabe darin, "verborgene Potenziale und Talente freizulegen". 2000 macht sie sich mit Späth Consulting selbständig. Die Stelle in der Arbeitsagentur behält sie bei und arbeitet nebenbei im eigenen Büro als Coach und Trainerin. Sie führt Einzelberatungen durch und gibt an den Wochenenden Seminare. "Hindernisse fordern uns auf, etwas anders zu machen. Es hilft nicht, immer mehr von dem Gleichen zu wiederholen. Damit stoßen wir uns und tun uns weh", sagt sie.
Ihre Mission: "Ich will helfen, die Wahrnehmung für die eigenen Hindernisse zu schärfen, durch mein persönliches Beispiel und in meinem Beratungsangebot als Laufbahnberaterin. Das bedeutet für mich: Entwicklung ermöglichen. Das sehe ich als meine Aufgabe."
Auf die Frage, was Arbeit für sie ist, antwortet sie: "Arbeit ist Tätigsein im weiteren Sinne. Mir ist die Herausforderung wichtig. Arbeit heißt auch, Handlungsspielräume schaffen und sich selbst immer wieder neu entwerfen."

Das Wichtigste ist die Haltung.


Arbeit ist für Späth auch Selbstausdruck. Insofern zieht sie keine strikte Grenze zwischen Arbeit und Privatleben. Die Beratungen, die sie leitet, gehören für sie auch zu ihrem privaten Leben, "weil sie mir Freude machen und ich sie als sinnvoll empfinde". Das Wichtigste bei ihrer Arbeit sei die Haltung. Sie betont den Aspekt der Kooperation und hat das Vertrauen, dass "jeder die Lösung in sich trägt". Sie selbst helfe nur dabei, diese Lösung sichtbar zu machen. Dass sie blind ist, erlebt sie nicht als einen Verlust. Sie "sieht" die Menschen anders: Allein der Händedruck und die Stimme eines Menschen verschaffen ihr einen ersten sicheren Eindruck. Das Neue reizt sie. Das ist auch der rote Faden in ihrem Leben: Immer wieder die eigenen Grenzen ausweiten.
Kollegen haben ihr changeX empfohlen. Sie interessiert sich besonders für die Rubrik "Arbeit und Leben". changeX erlebt sie als "eine Stimme außerhalb des Systems", die Mut macht, Dinge in die Hand zu nehmen. Etwas, das ihr auch in ihrem eigenen Leben wichtig ist.
Brigitte Späth hat schon in ihrer frühen Jugend den für sie vorgesehenen Weg verlassen. Und für ihren eigenen Weg gekämpft. Als Beraterin hilft sie nun professionell anderen Menschen, den für sie richtigen Weg zu erkennen.

Sascha Hellmann ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Kontakt:
Brigitte Späth M. A.
Berufs- und Laufbahnberatung, MBTI
Mediation, Kompetenzenbilanzierung
Krüner Straße 37
81373 München
Telefon: 089-76975791
E-Mail: bs@praxis-ressources.de
Internet: www.praxis-ressources.de

© changeX [30.04.2008] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Sascha Hellmann
Hellmann

Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

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