Sprich sauber
Der Ferkel-Faktor. Die schmutzigen Tricks der Kommunikation - das neue Buch von Günther Beyer.
Von Florian Michl
Die Sitten werden rauer. Anderen zu schaden und sich selbst Vorteile zu verschaffen werde gesellschaftsfähig, sagt ein erfolgreicher Psychologe und Trainer. In seinem neuen Buch entlarvt er die Dirty Tricks der Kommunikation. Und zeigt, wie man sich dagegen wehrt. / 09.09.08
Beyer Cover"Sie sind Geschichte ... drei Zentner fleischgewordene Vergangenheit." Sagte Joschka Fischer 1995 zu Bundeskanzler Helmut Kohl. Für Günther Beyer ist diese Verbalattacke ein Musterbeispiel für das, was er den "Ferkel-Faktor" nennt: Attacken, die Gefühle verletzen, Existenzängste schüren, das moralische Empfinden stören und die Kompetenz infrage stellen. In seinem neuen Buch entlarvt der Psychologe und Trainer die Dirty Tricks der Kommunikation - Verhaltensweisen, wie wir sie bisher vor allem aus der Politik kennen und die nur ein Ziel verfolgen: "Stimmung zu machen und für die eigene Meinung zu werben, wenn Sachargumente nicht geeignet sind." Wie das gelingt und wie man sich davor schützt, beschreibt Beyer fast unterhaltsam. Zum Lachen ist einem trotzdem nicht - zu oft erkennt man Vertrautes in den Fallbeispielen wieder: Willkommen im Berufsalltag! Hier werden Kunden belogen, Lieferanten abgezockt, Kollegen, Mitarbeiter und Führungskräfte gegeneinander ausgespielt - in zunehmendem Maße, ist Beyer überzeugt. Noch nie sei es so gesellschaftsfähig gewesen, anderen zu schaden, sich selbst Vorteile zu verschaffen und verbrannte Erde zu hinterlassen. Der Erfolgsdruck wächst und die Sitten werden rauer, so die bittere Diagnose des Autors.

Schulzeit mit Nachwirkung.


Beyers Buch ist eine "Phänomenologie der schmutzigen Tricks", wie die Überschrift des Hauptkapitels lautet - aber natürlich ohne den Totalitätsanspruch von Hegels "Phänomenologie des Geistes". Dementsprechend bleibt Beyer ganz am Boden der Realität: des Berufsalltags. Er analysiert, wer wann, wo und zu welchen Mitteln der Gesprächsmanipulation greift. Beispielsweise wenn ein Gesprächspartner Du- oder Sie-Botschaften sendet, wie: "Sie haben mich falsch verstanden!", "Sie haben doch eben erst behauptet, dass ...", "Du hast nicht gelernt" und "Du störst den Unterricht." Botschaften, wie wir sie aus unserer Kinder- und Schulzeit kennen. Und die noch im Erwachsenenalter als Sie-Botschaften Folgen haben: "Diese Botschaften sind in unserem Unterbewusstsein manifestiert und lösen negative Gefühle aus. Wer so angesprochen wird, fühlt sich angegriffen, getadelt, geohrfeigt, sogar minderwertig und unterlegen - und hat den Impuls, sich zu wehren." Das Fatale dabei ist, dass man den Blick für eine zielgerichtete Verhandlungsführung verliert. Um das zu vermeiden, rät Beyer, den Gesprächspartner durch Fragen festzunageln. Zum Beispiel: "Wo genau mangelt es denn Ihrer Ansicht nach bei unserem Service?" oder "Warum sind Sie mit unserer Qualität nicht zufrieden?" Die zweite Möglichkeit besteht darin, Du-Botschaften mit Ich-Botschaften abzuwehren: "Habe ich Sie möglicherweise falsch verstanden?" oder "Ich fühle mich unfair behandelt." Denn solche Aussagen würden keine Aggression erzeugen, sondern eher Verständnis und Mitgefühl. Zudem verliere keiner der Verhandlungspartner das Gesicht.

Der Blick als Waffe.


Ein anderer Dirty Trick zielt weniger auf die Gefühlslage des Gesprächspartners als auf dessen Nervenstärke: der Keilblick - der Angreifer fokussiert die Nasenwurzel seines Gesprächspartners und nutzt damit das vielleicht intensivste Instrument der körpersprachlichen Kommunikation, sagt Beyer. Denn der so Fixierte hat den Eindruck, sein Gegenüber schaue ihm direkt in die Augen. Im Gespräch eingesetzt wird dieser Blick zum Dirty Trick. Und entfaltet immense Wirkung. "Dem Betroffenen wird es schwerfallen, sich zu konzentrieren und die Aussagen des Angreifers kritisch zu hinterfragen." Deshalb empfiehlt Beyer, Waffengleichheit zu schaffen und dem Blick nicht auszuweichen. "Wenn Sie sich irritieren und einschüchtern lassen, haben Sie verloren."
Neben den Formen der manipulativen Körpersprache beschäftigt sich der Autor auch mit rhetorischen Stilmitteln, die es beispielsweise erlauben, Unterstellungen zu parieren. Er stellt aber auch dar, wie sich Gesprächspartner die Gesetze der Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit zunutze machen. Immer anhand von Fallbeispielen aus dem Berufsalltag, von der Verhandlung zwischen Vertrieb und Einkauf über interne Firmengespräche bis zur klassischen Interviewsituation. Oder auch Alltagsdialoge, deren unterschwellig manipulative Wirkung man oftmals gar nicht durchschauen mag. Etwa wenn Sie in einem Fast-Food-Restaurant gefragt werden, welche Größe Ihr Getränk haben soll: "Möchten Sie das kleinere oder das größere?" "Die meisten entscheiden sich für das größere Getränk, weil es an zweiter Stelle genannt wird. Und natürlich bedeutet das größere Getränk höheren Umsatz", erläutert Beyer. Und rät, aufmerksam zu sein, wenn man zwei Alternativen angeboten bekommt.
Am Ende der Lektüre ist der Leser zwar nicht so schlagfertig, um einen Joschka Fischer zu parieren, erkennt aber jede gängige List und bleibt mit seinem Gesprächspartner auf Augenhöhe. Aber Vorsicht: "Sie sind nicht nur Opfer, sondern auch Täter, denn viele unfaire Kommunikationstechniken werden unbewusst angewandt." Man kann sie aber auch bewusst anwenden und damit selbst zum Täter werden. Die Grenzen definieren Sie selbst, sagt Beyer.

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Günther Beyer:
Der Ferkel-Faktor.
Die schmutzigen Tricks der Kommunikation.

Econ Verlag, Berlin 2008,
192 Seiten, 16.90 Euro.
ISBN 978-3-430-20054-7
www.ullsteinbuchverlage.de/econ

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: Der Ferkel-Faktor. . Die schmutzigen Tricks der Kommunikation. . Econ Verlag, Berlin 1900, 192 Seiten, ISBN 978-3-430-20054-7

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Florian Michl
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Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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