Kapitaler Spirit
Der Kapitalismus entdeckt den Spirit - ein Gespräch mit Patricia Aburdene.
Von Nadja Rosmann
Immer mehr Menschen sehnen sich nach mehr Sinn im Beruf. Immer mehr Unternehmen werden sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst. Und immer mehr Verbraucher entscheiden sich für ökologisch und fair hergestellte Produkte. Die renommierte Trendforscherin Patricia Aburdene sagt: Verantwortung, Werte und Spiritualität sind die Ingredienzien für einen neuen, zukunftsfähigen Kapitalismus. / 17.10.08
Patricia AburdenePatricia Aburdene ist eine weltweit führende Trendforscherin. Sie berät seit über 25 Jahren internationale Unternehmen in Transformationsprozessen und hält Vorträge bei globalen Business-Kongressen. Ihre Karriere als Wirtschaftsjournalistin begann sie 1978 bei Forbes, und in den 90er-Jahren entwickelte sie am Radcliffe College in Cambridge, Massachusetts, neue Modelle für Leadership.
Frau Aburdene, in Ihrem Buch Megatrends 2020 sprechen Sie von einem Aufstieg des zukunftsfähigen Kapitalismus. Was tut sich da in der Wirtschaft?
Wir erleben gerade ein Wiedererwachen ethischer Denkweisen und eines Prinzips der Verantwortung. Und es geht nicht mehr nur um Werte, sondern auch um Spiritualität. Einerseits sehen wir bei den Konsumenten einen deutlichen Wandel, der sich beispielsweise in wachsenden Umsätzen bei Bio-Lebensmitteln zeigt. Hier ist Deutschland zurzeit der weltweit größte Markt. Darüber hinaus zeigt der neue Lohas-Trend - Lifestyle of Health and Sustainability -, der auf nachhaltig und unter fairen Bedingungen hergestellte Produkte abzielt, dass sich in den Köpfen der Verbraucher und der Business-Akteure eine tief greifende Wandlung vollzieht. Angebote, die in diese Kategorie fallen, von Green Fashion über Naturkosmetik bis hin zu Solaranlagen, erreichen bei uns in den Vereinigten Staaten schon ein Marktvolumen von 230 Milliarden Dollar. All diese Veränderungsprozesse sind kennzeichnend für den zukunftsfähigen Kapitalismus, der sich längst zu einem Megatrend entwickelt hat, an dem visionäre CEOs und Manager genauso beteiligt sind wie Mitarbeiter, Kunden, Investoren und Aktivisten. Erste Anzeichen dieser Entwicklung konnte man bereits vor fünf bis zehn Jahren beobachten, und ich gehe davon aus, dass dieser Trend sich in den kommenden zehn Jahren fortsetzen und verstärken wird.
Diese Entwicklung ist ja auch mit einem Wertewandel verbunden. Wie sieht der aus, und was bewirkt er?
Er verändert beispielsweise die Muster der Finanzwelt. Immer mehr Menschen fragen sich, welche Werte ein Unternehmen vertreten sollte, damit sie sich mit ihrem Investment wohlfühlen - sei es als Finanzinvestor oder als Konsument, der Produkte kauft. So gibt es auch in Europa bereits mehrere Hundert Investmentfonds, die nach Corporate-Social-Responsibility-Kriterien anlegen. Wir sprechen hier von einem Investitionsvolumen im Milliardenbereich. Parallel dazu werden die Konsumentenmärkte immer stärker von Werten getrieben. Es gibt Kunden, die wollen vor allem Produkte, die nachhaltig produziert wurden und gesund sind, andere setzen sich mit ihren Kaufentscheidungen dafür ein, ein Klima sozialer Gerechtigkeit zu fördern.
Sie sprechen in Ihrem Buch auch von Liebe und Herzensintelligenz. Wie passen diese Aspekte in die Geschäftswelt?
In der heutigen Zeit spielt Liebe im Business eine immer größere Rolle. Kürzlich war ich bei einer Veranstaltung und wir sprachen über die Bedeutung von Werten im Rahmen einer bewussten Unternehmensführung. Der Präsident eines Acht-Milliarden-Dollar-Unternehmens sagte: "Nun, das, worum es geht, ist Liebe." Bei der Verleihung des International Spirit at Work Award referierte Stephan Bode vom Bio-Seehotel Zeulenroda in Thüringen, das zu den ausgezeichneten Unternehmen gehörte, über die Management-Praxis in seinem Haus und erwähnte ebenfalls das Wort Liebe. Hieran zeigt sich, dass wir wirklich auf dem Weg sind in eine neue Business-Welt.
Was sagen Sie Kritikern, die glauben, im Geschäft gehe es um Geld, nicht um Emotionen?
Ich bedauere jeden, der glaubt, im Business ginge es alleine darum, Geld zu machen. Wer so denkt, wird keinen Spaß an der Arbeit haben. Und außerdem nicht wirklich viel Geld verdienen. Erfolg erwächst aus Leidenschaft, Überzeugung und Kreativität. Das sind alles sehr emotionale Dimensionen. Warum? Weil diese Werte den Menschen ausmachen. Und Menschen, sei es als Kunden, Führungskräfte, Arbeitnehmer, Investoren oder Zulieferer, sind es, die ein Unternehmen erfolgreich machen - nicht eine "Es geht alleine um den Profit"-Mentalität.
Und wie können Unternehmen sich ganz konkret diese Perspektive erschließen?
Es ist immer am einfachsten, von Vorbildern zu lernen. Eine gute Quelle ist die Liste "Sustainable Business 20", die seit sechs Jahren erscheint. 2007 beispielsweise wurde die Schmack Biogas AG ausgezeichnet für ihr Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien. 2005 gehörten die Umweltbank, Henkel und die SolarWorld AG zu den deutschen Preisträgern. Ein gutes Beispiel ist auch die amerikanische Bio-Lebensmittel-Kette Whole Foods, die nicht nur nachhaltige Produkte anbietet, sondern auch bei den Management-Praktiken zu den Vorreitern gehört, indem sie die Mitarbeiter auf Basis sich selbst führender Teams stark in Entscheidungsprozesse einbindet und auch ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement verfolgt. In Deutschland haben Sie hier im Bio-Bereich Unternehmen wie Basic und Alnatura, die für vergleichbare Ansätze stehen. Es ist die konsistente Haltung, die sowohl die Angebots- als auch die Führungsstrategie eines Unternehmens umfasst, die kennzeichnend ist für einen bewussten Kapitalismus.
Nachhaltigkeit als Strategie ist eine Sache. Aber wie kann ein Unternehmen die entsprechenden Werte entwickeln?
Wir müssen alle Mitarbeiter inspirieren, selbst Verantwortung zu übernehmen - und ihnen zeigen, dass wir das ernst meinen. Es geht in erster Linie darum, Machtstrukturen zu verändern, und die Menschen in die Lage zu versetzen, eigene Entscheidungen zu treffen. Dabei reicht es völlig aus, wenn man seine Mitarbeiter unterstützt in dem, was sie tun. Sind diese Voraussetzungen gegeben, entwickelt sich automatisch auch ein Wertesystem. Man muss nur ein wenig experimentierfreudig sein.
Welche Erwartungen entstehen durch das wachsende persönliche Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit gegenüber der eigenen Arbeit?
Die Menschen wollen, dass ihr Leben und ihre Arbeit einen Sinn und eine Bedeutung haben. Es ist die Aufgabe von Unternehmen, eine Verbindung zu schaffen zwischen dem, was die Firma will und tut, und dem Bedürfnis der Mitarbeiter, eine erfüllende Aufgabe zu übernehmen. Und hierbei geht es um spirituelle Werte wie Liebe, Mitgefühl, Gerechtigkeit. Es geht um Erfahrungen, nicht um Worte.
Viele der Führungskräfte, über die Sie in Ihrem Buch schreiben, gehen einer spirituellen Praxis nach. Welchen Einfluss hat das auf die persönliche Wahrnehmung dessen, was unternehmerische Verantwortung bedeutet?
Meditation kann sich sehr befruchtend auf das Arbeitsleben auswirken. Sie schärft die Intuition. Auch das Denken wird durch Meditation klarer, was vor allem in Stresssituationen sehr nützlich ist. Viele Menschen fühlen sich häufig unter Druck, schnelle Entscheidungen zu treffen, und handeln dann impulsiv, ohne die Konsequenzen im Blick zu haben. Meditation kann dabei helfen, wohlbedacht zu reagieren. Bei American Express gab es einmal ein spannendes Projekt, bei dem ein Berater mit einer Gruppe Brokern ein Jahr lang zum Thema Vergebung gearbeitet hat. Am Ende war die Performance der Abteilung um 60 Prozent gestiegen. Das Geheimnis: Wenn man in der Lage ist, zu vergeben, hat man den Kopf frei, um produktiv zu arbeiten. Oder, wie es der Weisheitslehrer Eckhart Tolle ausdrückt, man ist ganz im Jetzt.
Wie lässt sich diese spirituelle Grundhaltung ins Business gezielt einbringen?
Es gibt immer noch viele Menschen, die mit dem Thema Spiritualität überhaupt nichts anfangen können, aber das bedeutet nicht, dass man deshalb seine eigenen Ambitionen unter den Teppich kehren sollte. Spiritualität ist für alle Menschen eine Lebenskraft - ob sie sich selbst nun als spirituell ansehen oder nicht. Der einfachste Weg, zu anderen auf dieser Ebene eine Verbindung herzustellen, ist es, sich um sie zu kümmern und Interesse für sie zu zeigen. Wenn man Menschen fragt, wer sie sind und was sie sich wünschen, nimmt man auf einer spirituellen Ebene Kontakt auf, ohne groß darüber reden zu müssen.
Und das führt zum Erfolg?
Absolut! Eine solche Haltung ist sogar essenziell. Ein Unternehmen einwandfrei zu führen ist eine Voraussetzung, um im Business zu bleiben. Aber die persönliche Leidenschaft und nachhaltige Werte sind es, die es unverwechselbar machen. So entstehen wirkliche Alleinstellungsmerkmale. Aus Liebe, Goodwill, Mut und anderen transzendenten Werten wird so konkreter Erfolg.
Dr. Nadja Rosmann ist freie Journalistin und Herausgeberin der Business-Buchreihe �inspire! � bei J.Kamphausen.
Patricia Aburdene:
Megatrends 2020.
Sieben Trends, die unser Leben und Arbeiten verändern werden!

J.Kamphausen Verlag, �inspire! �, Bielefeld 2008,
352 Seiten, 22.80 Euro.
ISBN 978-3-89901-162-3
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: Megatrends 2020. . Sieben Trends, die unser Leben und Arbeiten verändern werden! . J.Kamphausen Verlag, »inspire!«, Bielefeld 2008, 352 Seiten, ISBN 978-3-89901-162-3

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Autorin

Nadja Rosmann

Dr. Nadja Rosmann ist Herausgeberin der Reihe inspire! beim J. Kamphausen Verlag.

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