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Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Die Entscheidung treffen immer die Mitarbeiter" - ein Gespräch mit Stephan Heiler und Gebhard Borck
Interview: Winfried Kretschmer

Eine Blaupause für die neue Organisation gibt es nicht. Nur Muster, Formen, die jedes Unternehmen anders kombiniert. So auch bei der Alois Heiler GmbH, einem mittelständischen Glasbauunternehmen mit rund 60 Mitarbeitern. Heute setzt die ehemals klassisch hierarchisch geführte Organisation auf die Selbststeuerung durch die Mitarbeiter. Statt Abteilungen gibt es Organe. Wissen ist verteilt. Führungskräfte gibt es keine mehr. Entscheidungen treffen die Mitarbeiter selbst. Und reportet wird andersherum als üblich: zu den Mitarbeitern hin. Und noch etwas ist anders bei der Heiler GmbH: Ein Berater arbeitet als Quasi-Mitarbeiter ständig im Unternehmen. Als Berater für alle. Folge 23 der changeX-Serie über Unternehmen, die Entscheidendes anders machen.

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Als Stephan Heiler von seinem Vater die Geschäftsführung übernimmt, scheint die Firma auf solidem Fundament zu stehen. Gute Voraussetzungen für den Wandel hin zu einem nicht mehr hierarchischen Führungsverständnis, den der Sohn einleitet. Scheinbar. Dann aber meldet die produzierende Schwesterfirma Insolvenz an. Das Geschäftsmodell im Sanitärmarkt verändert sich grundlegend. Im Wandel verlassen beinahe alle Führungskräfte das Unternehmen und gehen zum Wettbewerb oder gründen ein Konkurrenzunternehmen gleich nebenan. Ein Multikrisenszenario, das die Firma nur übersteht, weil sie konsequent auf die Selbststeuerung durch die Mitarbeiter setzt. In ihrer alten Struktur hätte die Firma die Krise nicht gemeistert. Sagt Stephan Heiler. 

Stephan Heiler ist Geschäftsführer der Alois Heiler GmbH, einem mittelständischen Hersteller und Handwerksbetrieb mit Sitz in Waghäusel in Baden-Württemberg. Das Unternehmen ist spezialisiert auf passgenaue Glaslösungen für den Innenausbau mit einem Schwerpunkt auf Glasduschabtrennungen. Gebhard Borck ist Geschäftsführer der GB Kommunikation GmbH und unterstützt die Heiler GmbH als "Transformations-Katalysator".
 

Herr Heiler, Sie haben in einer sehr schwierigen Situation die Nachfolge Ihres Vaters in der Geschäftsführung der Firma übernommen. Was war passiert? 

Stephan Heiler: Bevor ich die Geschäftsführung übernommen habe, wähnten wir uns in einer sehr stabilen Firma. Ich war auf der Suche nach einer Alternative zum klassisch geführten Unternehmen und wollte dies gemeinsam mit Gebhard Borck entwickeln. Als wir begannen, das in der Firma umzusetzen, selbst da war uns noch nicht klar, in welch problematischer Lage sich das Unternehmen befand. Erst damals, 2014, haben wir erkannt, dass die Firma ihren Zenit klar überschritten hatte. Uns wurde klar: Wir müssen die Prozesse verbessern, die Mitarbeiter qualifizieren, die erschreckend hohe Mitarbeiterfluktuation in den Griff bekommen und nicht zuletzt eine gesunde Rendite erwirtschaften. Wir haben dann alles transparent gemacht und mit einer Kick-off-Veranstaltung Anfang 2014 den Veränderungsprozess hin zu einer neuen Kultur angestoßen.
 

An welchen Anzeichen haben Sie gesehen, dass die Firma ihren Zenit überschritten hatte? 

Stephan Heiler: Zum einen die Konzentration auf ein Produkt, die rahmenlose Glasdusche. Zum anderen die Fokussierung auf eine Hauptkundengruppe, die Sanitärinstallateure, die Bäderbauer. Quasi unser ganzes Engagement in Vertrieb und Marketing floss in dieses eine Segment, alles andere wurde ignoriert oder abgelehnt. Nicht zuletzt hatte sich der Markt gesättigt, nur hat das damals niemand erkannt. Das waren keine guten Voraussetzungen, um langfristig zu überleben. 

Hinzu kam eine Entwicklung, die wir seit anderthalb, zwei Jahren erkennen: Das Geschäftsmodell in der Sanitärbranche ändert sich grundlegend. Traditionell war der Sanitärmarkt in Deutschland dreistufig ausgelegt: Die Industrie hat üblicherweise über den Großhandel und den Installateur an den Endkunden verkauft. Heute geht der Großhandel zunehmend direkt auf die Endkunden zu und versucht, das Geschäft direkt zu machen. Der Installateur ist dann nur der ausführende Betrieb und wird mit fertigen Aufträgen versorgt. Das läuft also zunehmend an uns vorbei. Der Großhandel sitzt an einem sehr langen Hebel.
 

Was war zuerst da: der Wunsch nach einem anderen Modell von Organisation oder das Erkennen der Krise? 

Stephan Heiler: Der Wunsch nach einer anderen Unternehmenskultur, einem anderen Führungsverständnis war definitiv zuerst da. Für mich war klar: Ich kriege eine gute Kopie meines Vaters nicht hin. Er war zentraler Dreh- und Angelpunkt der Firma. Was er sagte, war Gesetz. Es gab ja diese Erfolgsgeschichte: vom Ein-Mann-Betrieb zum Mittelständler mit 60 Mitarbeitern. Er war die Lichtgestalt. Das hätte ich nicht ausfüllen können. Zum anderen war mir bewusst, dass ein Betrieb unserer Größe gar nicht mehr überblickt werden kann. Selbst mein Vater stieß an Grenzen. Er war nicht mehr der Experte für alles, für Montage, für Aufmaß, für Unternehmensentwicklung und so weiter. Das wollte ich auf breiteren Schultern wissen.
 

Und Gebhard Borck kam als Berater mit Ihnen an Bord? 

Stephan Heiler: Nein, zuerst als persönlicher Coach, der mich auf die bevorstehende Übernahme der Geschäftsführung vorbereitete. In diesem persönlichen Coaching hat sich diese Alternative - eine Unternehmenskultur ohne Weisungsbefugnis, ohne feste Stellenbeschreibungen, ohne hierarchische Führung - weiter gefestigt, und irgendwann war ich so weit, zu sagen: Jawohl, das traue ich mir jetzt zu, und ich traue es auch der Firma zu, das hinzukriegen.
 

Was haben Sie dann konkret unternommen, um das umzusetzen? 

Stephan Heiler: Am Anfang haben wir uns auf die Führungsebene konzentriert. Wir haben versucht, den Führungskräften in regelmäßig stattfindenden Workshop-Tagen - zunächst alle drei Monate, dann in kürzeren Intervallen - Alternativen zur klassischen Führung aufzuzeigen und diese einzuüben. Ziel war es, die Führungskräfte zu gewinnen, um das neue Modell dann mit einem Veränderungsteam für die gesamte Firma umzusetzen. Das haben wir nach anderthalb, zwei Jahren aufgegeben. Es war der falsche Ansatz. Weil wir mit der Abschaffung hierarchischer Führung genau die Menschen vor den Kopf stoßen, die sich als Führungskraft verstehen. Anweisen, Entscheidungen treffen für Teams und Verantwortung übernehmen für Mitarbeiter, das ist ja das Selbstverständnis von Führungskräften. Ihr Job verändert sich also massiv. 

Das hat eine komplette Blockadehaltung bei den etablierten Führungskräften erzeugt. Wir aber haben beschlossen, das trotzdem zu machen.
 

Wie? 

Stephan Heiler: Indem wir die Belegschaft gefragt haben: Wer hat überhaupt Lust, hier mitzumachen? Wer würde sich gerne aktiv beteiligen? Mit diesem Ansatz haben wir den Durchbruch geschafft. In der Belegschaft gab es keine Blockadehaltung mehr. Damit haben wir es geschafft, diesen Unternehmenswandel hinzukriegen.
 

Wie haben die Führungskräfte reagiert, als Sie quasi an ihnen vorbei den Schulterschluss mit den Mitarbeitern gesucht haben? 

Stephan Heiler: Sie sind zum Großteil von sich aus gegangen. Wir haben sie bei Bedarf unterstützt. In der Regel ist das sehr fair und geregelt abgelaufen. Nur ganz, ganz selten ist jemand mit schlechten Gefühlen gegangen. Von sieben Führungskräften sind zwei geblieben.
 

Gebhard, an dich die Frage: Wie stellt sich diese Entwicklung aus der Perspektive des Beraters dar? 

Gebhard Borck: Das Wichtigste war, zu verstehen, dass dieser Dreiklang "ich analysiere zunächst, entwickle dann ein Konzept, das ich danach systematisiert umsetze", nicht funktioniert. Auch die Idee, mit den Führungskräften zu beginnen, folgte diesem alten Ansatz: Wir überzeugen die, die sich bereits für die Firma engagieren, und gewinnen sie dafür, bei der Veränderung mitzumachen, um den Veränderungsimpuls dann in die Organisation hineinzutragen. Als sich das als Sackgasse entpuppt hat, mussten wir die Sache wenden. Wir haben nicht groß nachgedacht, sondern einfach gemacht. Und ganz offen in die Firma hinein gefragt: Wer will mitmachen? Doch wenn man eine solch offene Frage stellt, weiß man nicht, welche Antwort zurückkommt. Man muss lernen, damit zu leben, dass man die Antwort nicht kennt, aber trotzdem handeln muss. 

Für den Berater bedeutet das, im Moment präsent zu sein und mit den Menschen zusammen etwas zu entwickeln. Das ist auch die Rolle von Führung: Zu lernen, die Menschen in ihrem täglichen Tun im Abgleich mit ihrer Umwelt zu moderieren. Es geht gar nicht darum, die Lösung zu finden. Das schaffen sie alleine. Aber die Moderation des Prozesses, in einem akzeptablen Zeitraum zu einer Lösung zu kommen und diese strukturiert umzusetzen, das ist die Aufgabe.
 

Welche Wirkung hatte dieses veränderte Führungsverständnis auf die Mitarbeiter? 

Gebhard Borck: Irgendwann im zweiten Jahr haben wir das Bild entwickelt: Am Anfang versucht man, den Veränderungsprozess zu treiben, irgendwann steigen dann die Mitarbeiter ein, und wenn das geschehen ist, dann treiben einen die Mitarbeiter. Für den Berater ist das anspruchsvoll, weil er immer nach der Grundlage gefragt wird: Warum machen wir das so? Und warum nicht anders? Und wenn wir das so machen, warum ist das jetzt richtig, und warum ist plötzlich falsch, was wir vorher gemacht haben? Das heißt, der Berater ist nicht mehr losgelöst, sondern er ist mittendrin.
 

Hat diese Erkenntnis, mittendrin sein zu müssen, die Rolle des Beraters verändert? Du bist sehr viel stärker in das Unternehmen eingebunden, als das sonst der Fall ist. 

Gebhard Borck: Absolut. Die Rolle des Beraters ändert sich ziemlich drastisch. Erst mal ist man Berater für jeden. Üblicherweise haben Berater konkrete Ansprechpartner: die Abteilungsleitung, die Bereichsleitung, die Geschäftsleitung. Das funktioniert nicht, wenn man als Berater für alle Menschen auf allen Ebenen ansprechbar ist. Dann kann man sich nicht auf die Spezialistenrolle zurückziehen. Sondern man wird von Mitarbeitern zu allem Möglichen gefragt, seien es Personal-, Wirtschaftlichkeits- oder Personalentwicklungsfragen. Zudem hat man ständig wechselnde Ansprechpartner. Man ist immer mittendrin und muss trotzdem versuchen, die Distanz zu wahren. Um zu sehen: Wie sieht eigentlich die Firma als großes Bild aus?
 

Wie wahrt der Berater diese Distanz? 

Gebhard Borck: Er muss die Tagesarbeit, die ihm angeboten wird, ablehnen und klar sagen: Das ist nicht mein Job. Mein Job ist nicht, Prozesse zu dokumentieren, sondern sie anzustoßen und zu begleiten. Es muss also immer jemand dabei sein, der die Verantwortung trägt. Das kann nie der Berater sein.
 

Wenn der Berater auf einmal für alle da ist und nicht nur für die Geschäftsleitung, dann bedeutet das ja einen Verlust von Herrschaftswissen. Richtig? 

Stephan Heiler: (lacht) Der ganze Prozess ist ein Verlust von Herrschaftswissen und von Macht generell. Alles andere wäre auch gar nicht vorstellbar. Das könnte weder ich alleine lösen noch irgendwie auf vier, fünf Hauptmitarbeiter abwälzen. Bei uns sind wirklich alle Mitarbeiter involviert in diesen Prozess. Die Aufgabe des Beraters ist es, sich mit der breiten Masse der Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Das ist natürlich anspruchsvoll und zeitintensiv - bei dir, Gebhard, nimmt es aktuell an die 60 Prozent deiner Kapazität ein, oder? 

Gebhard Borck: 50 bis 60. 

Stephan Heiler: Und es war schon mehr. 

Gebhard Borck: Es braucht auch eine ganz, ganz enge Abstimmung zwischen Geschäftsleitung und Berater. Ständig. Es gab Zeiten, wo wir fast jeden Tag miteinander telefonieren mussten, um den Wissensausgleich herzustellen. Wir standen in den ersten zwei Jahren total alleine, aber wir haben auch gelernt, Mitarbeiter mit hineinzunehmen und das Wissen auf mehrere Schultern zu verteilen. Aber ohne die Preisgabe des Herrschaftswissens und der Interpretationshoheit ist ein mitarbeitergeführtes Unternehmen nicht denkbar.
 

Und dadurch verliert das Herrschaftswissen den Herrschaftscharakter? 

Gebhard Borck: Das kann man so sagen. Es ist dann halt einfach Wissen. Es gibt durchaus Momente, wo Mitarbeiter früher als wir etwas für die Firma Wichtiges wissen und auch früher handeln. Ein kleines Beispiel: Letzte Woche erst haben Mitarbeiter in der Werkstatt entschieden, am Samstag zu arbeiten, damit sie fertig werden. Früher hätten sie definitiv die Geschäftsführung gefragt: Können wir am Samstag kommen oder muss das unbedingt noch am Freitag fertig werden? Heute kriegt man das im Nachhinein mit. Und sieht, dass es auch so geht.
 

Die Mitarbeiter bestimmen also selbst über die Art und Weise, ihre Arbeit zu erledigen. Sie arbeiten selbstorganisiert? 

Stephan Heiler: Ja, absolut. Wir unterscheiden verschiedene Ebenen. Auf der Alltagsebene, wo es um alltägliche, wiederkehrende Arbeitsprozesse geht, handeln unsere Mitarbeiter in sehr hohem Maß eigenverantwortlich und selbstgesteuert. Fragen oder Probleme außerhalb der Alltagsebene wie strukturelle oder strategische Fragestellungen werden von allen Mitarbeitern entschieden, die von diesem konkreten Thema betroffen sind. Diese Entscheidungsprozesse werden in der Regel von Gebhard und/oder mir vorbereitet, moderiert und in der Umsetzungsphase begleitet. Die Entscheidung treffen aber - egal, um welches Thema es geht und auf welcher Ebene das Thema verortet ist - immer die Mitarbeiter.
 

Wie ist das Unternehmen organisiert? 

Stephan Heiler: Wir sind weggegangen von funktionalen Teams hin zu tätigkeitsübergreifenden Organen, wie wir das nennen …
 

… welche dieser Organe gibt es? 

Stephan Heiler: Es gibt ein zentrales Verwaltungsorgan, das nennt sich POI, eine Abkürzung für Prozessorganisations- und Informationsorgan. Dazu gehören die Geschäftsleitung, übergreifendes Marketing, Buchhaltung, IT, Archiv, die zentralen Verwaltungsaufgaben also. Das POI versteht sich als Dienstleister der anderen Organe. Das sind zwei Marktorgane, die geografisch aufgeteilt sind nach Südost und Südwest. Dort sind alle Prozesse zusammengefasst, die direkt mit dem Markt zu tun haben; da sind also die Monteure drin, die Aufmaßtechniker, die Außendienstmitarbeiter, die Innendienstmitarbeiter. Dort sind alle Prozesse zusammengeführt, die tägliche Touch Points mit dem Markt draußen haben: Auftragsabwicklung, Disposition, Reklamationswesen, Faktura und so weiter. So können die Mitarbeiter autark zusammen am Markt arbeiten. Als viertes Organ gibt es das Produktorgan, da sind Logistik, Einkauf, Konstruktion, Werkstatt und so weiter zusammengefasst.
 

Wie funktioniert diese eigenverantwortliche Selbststeuerung konkret? 

Stephan Heiler: Wenn wir beim Beispiel Werkstatt bleiben: Die Werkstatt gehört zum Produktorgan. Sie ist so organisiert, dass die Mitarbeiter einmal pro Woche für ungefähr eine halbe Stunde - das ist keine fixe Vorgabe, sondern ein Erfahrungswert - zusammenstehen und kurz klären, was aktuell anliegt, was an Problemen zu lösen ist und wer was in die Hand nehmen muss, damit das passiert. Das hat sich in der Werkstatt sehr gut bewährt, aber die anderen Organe tagen nicht in dieser Häufigkeit. 

Gebhard Borck: Ein Vorteil des Produktorgans ist, dass alle Mitarbeiter am Standort sind. In den Marktorganen hingegen sind viele Mitarbeiter außerhalb tätig, nicht am Standort selbst. Die Mitarbeiter dort kommen vielleicht alle acht Wochen zusammen, um sich abzusprechen. 

Dann haben wir alle vier bis sechs Monate eine Betriebsversammlung - das sind aber keine Informations-Betriebsversammlungen mehr, sondern immer Arbeits-Betriebsversammlungen, die betriebsübergreifende Themen bearbeiten, die die ganze Firma betreffen. 

Schließlich gibt es eine Gruppe von Menschen, die wir Katalysatoren nennen. Das sind Mitarbeiter im Prozessorganisations- und Informationsorgan, die praktisch immer abrufbar sind, um bei Schwierigkeiten mit Kommunikationsprozessen oder Abläufen hinzuzukommen und zu moderieren, egal, ob es um Personal, Lieferanten, Kunden, irgendwelche Projektfragestellungen oder strategische Themen geht. Das passiert situativ, es wird ad hoc eine Gruppe gebildet, wo die Betroffenen zusammenkommen. Da gibt es natürlich keinen Rhythmus oder Jour fixe.
 

Gibt es noch Führungskräfte? Haben Sie die Führungskräfte, die gegangen sind, durch andere ersetzt? 

Stephan Heiler: Nein, das haben wir nicht. Es gibt tatsächlich keine einzige Führungskraft mehr im Hause Heiler, außer dem Geschäftsführer, den es ja geben muss. Ein Beispiel: Früher hatten wir einen Produktionsleiter, der auch für den Einkauf zuständig war. Nach seinem Ausscheiden haben wir die Stelle neu besetzt - und zwar in drei Jahren fünfmal! Das war so eine Art Schleudersitzposition. Wir haben dann entschieden, die Position einfach nicht nachzubesetzen. Stattdessen sind wir auf die Mitarbeiter zugegangen, die mit dem Leiter Produktion und Einkauf zusammengearbeitet hatten, und haben ihnen angeboten, sie so zu unterstützen, dass sie die Aufgaben auch ohne Führungskraft bewältigen können. Also Unterstützung hin zur Selbststeuerung, zum eigenverantwortlichen Handeln.
 

War das eine ähnliche Situation wie bei Ihrem Vater, der als Lichtgestalt den Betrieb lange Jahre geleitet hat, dann aber auch nicht mehr alles wissen konnte, weil das verteilte Wissen im Unternehmen so groß und so breit geworden war, dass es eine Person nicht mehr überblicken konnte? Scheint dasselbe Muster auch hier auf? 

Stephan Heiler: Beide waren sehr breit aufgestellt in ihrer Kompetenz, ihrem Überblick und ihrem Fachwissen. Aber sie waren beide extrem stark gefangen im Alltag. Sie waren auch eine Art Feuerwehr für die Mitarbeiter. Wenn es bei der alltäglichen Arbeit Probleme gab, haben die Mitarbeiter gar nicht erst versucht, diese selbst zu lösen, sondern waren froh, dass es jemanden gab, der als Feuerwehrmann einsprang und ad hoc diese Probleme gelöst hat. So haben sich mein Vater und auch diese Führungskraft verstanden. Aus heutiger Sicht war es eine Hauptursache für das Kränkeln der Firma, dass wir in einer Phase, in der es uns noch richtig gut ging, die wichtigen strategischen und strukturellen Themen nicht im Blick hatten. Weil wir im Tagesgeschäft alle zu gefühlt 120 Prozent am Strampeln waren, und zwar vom Sachbearbeiter bis hin zur Geschäftsführung.
 

Hat die Selbstorganisation zu einer Verbesserung dieser Überlastungssituation geführt? 

Stephan Heiler: Unbedingt, ja! Dank unserer neuen Firmenkultur gibt es keine hierarchischen Einzelentscheide mehr. Es würde unserer Kultur zuwiderlaufen, wenn ich mir eine Lösung für ein Problem ausdenken und anweisen würde, sie umzusetzen. Diese Möglichkeit habe ich bewusst aus der Hand gegeben. Hier liegt der Unterschied zur neumodischen Unternehmensdemokratie, wo die Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse einbezogen und nach ihren Vorstellungen und Wünschen gefragt werden - dann aber, wenn es den Inhabern oder der Geschäftsführung nicht passt, was die Mitarbeiter entscheiden möchten, wieder überstimmt werden. Das ist in unserer Kultur nicht mehr möglich. Das spüren die Mitarbeiter. Und übernehmen mit steigender Kompetenz und mit steigender Einbindung dann auch mehr Verantwortung. 

Gebhard Borck: Auch ein wichtiger Punkt: Klassisch wird ja zur Geschäftsleitung hin reportet, damit die gute Entscheidungen treffen kann. Wir strengen uns seit über zwei Jahren extremst an, gut zu den Mitarbeitern hin zu reporten, damit diese ein wirtschaftliches Verständnis von der Situation der Firma entwickeln und über alle Informationen verfügen, um gute Entscheidungen treffen zu können. Wir reporten also genau andersherum. Wir informieren genau in die andere Richtung. Möglichst viele Mitarbeiter sollen, was Marktsituation, Kassenstand und so weiter angeht, einen ähnlichen Informationsstand haben wie die Geschäftsführung. Da kommen zunehmend auch Fragen. Inzwischen wollen immer mehr Mitarbeiter die Zusammenhänge verstehen und Verantwortung übernehmen. Damit verteilt sich die Last, die mit der Verantwortung, Probleme zu lösen, verbunden ist, auf mehrere Schultern. Das ist wirklich eine Entlastung.
 

Gibt es ein Beispiel? 

Gebhard Borck: Früher hat die Reklamationsverwaltung alle Auftragsreklamationen verwaltet; das waren ein bis zwei Mitarbeiter, bei denen alles auflief. Das war eine sehr verantwortliche Tätigkeit, aber auch eine sehr belastende, weil es halt immer nur Beschwerden waren. Diese Aufgabe haben wir nun in den Marktorganen auf mehrere Schultern verteilt. Das hat zwei Effekte. Erstens kommt auf den einzelnen Menschen viel weniger Stress zu, weil er viel weniger Fälle hat. Zweitens kennt er die Fälle inhaltlich, weil er sie selber bearbeitet hat. Er kennt den Vorgang, kennt die Zusammenhänge und weiß unter Umständen auch, wie es zu der Beschwerde kommen konnte. Das hebt die Qualität der Beschwerdebearbeitung. 

Führungsstress wird oft dadurch verursacht, dass man viel mehr Informationen hat, als man verarbeiten kann. Diese Informationen auf mehrere Schultern zu verteilen und von mehreren Leuten bearbeiten zu lassen, bringt definitiv eine erkennbare, direkte Entlastung.
 

Wie funktioniert dieses umgedrehte Reporting ganz praktisch? 

Stephan Heiler: Es gibt eine Stelle, die nennen wir Controlling, obwohl das mit normalem Standard-Controlling nur wenig zu tun hat. Aufgabe dieses Mitarbeiters ist es, aus unserer Betriebssoftware, aus Marktdaten, aus der Buchhaltung Daten herauszuziehen, um die jeweiligen Teams mit den relevanten Informationen zu versorgen. 

Gebhard Borck: Andere Unternehmen arbeiten im Controlling meistens mit Umsatzzahlen oder mit Deckungsbeitrag eins, also Deckungsbeitrag plus direkt auftragsrelevante Kosten. Wir wollen den Aufwand vollständig in Bezug setzen und die Betriebsergebnisse transparent machen. In Zukunft sollen die Mitarbeiter selbst nachschauen können, ob die Firma rentabel arbeitet und eine ausreichende Auslastung gegeben ist. Wir wollen den Mitarbeitern gewissermaßen einen Kassensturz ermöglichen: Das sind die Umsätze, die wir machen, das sind die Aufwände, die wir reinstecken. Laufen wir im Moment profitabel oder nicht? Und wenn nicht, warum nicht?
 

Noch mal zu den Formen der Organisation, die Sie verwenden. Vorhin hieß es, die Mitarbeiter stehen zusammen, um etwas zu besprechen - sie machen eine Stehung statt einer Sitzung? 

Stephan Heiler: In der Werkstatt ist es so, ja. Andere Teams, glaube ich, sitzen eher. 

Gebhard Borck: Ob man sitzt oder steht, ist nicht so das Thema, meine ich. Wir verwenden mehr Sitzkreisformate, wo in der Mitte nichts ist; also ohne große Tische in der Mitte. Heute gibt es keine Sitzung ohne Flipcharts und ohne Moderationstools wie Post-its, mit denen sich eine Gruppe an der Wand etwas veranschaulichen kann. Sitzungen, wo jeder sein Blatt Papier vor sich hat und seine eigenen Notizen macht … 

Stephan Heiler: … oder eine fertige Powerpoint an die Wand projiziert wird … 

Gebhard Borck: … gibt es nicht mehr. Die sind Geschichte.
 

Welche anderen Instrumente setzen Sie ein? 

Stephan Heiler: Am faszinierendsten finde ich die Großgruppenveranstaltungen, bei denen die komplette Belegschaft in frei gewählten Kleingruppen an einem Thema arbeitet, die Ergebnisse zusammenführt und zu einer Entscheidung bringt. Das sind für mich Highlights. Da kommen so viele Impulse von den Mitarbeitern, die alle das Gefühl haben, etwas beizutragen, das wichtig ist. Das hatte ich noch nicht gesehen und habe mir das auch nicht vorstellen können. Mittlerweile ist das eine ganz normale Methode bei uns. 

Gebhard Borck: Ein Mittelständler braucht Lösungen, mit denen er auch umgehen kann. Ein Beispiel: Natürlich gibt es bei Heiler Projekte. Ein moderner Weg, Projekte zu organisieren, heißt Scrum, und in Scrum werden Kanban-Listen verwendet. Doch bei Heiler kann man das so nicht nennen - dann hört einem niemand mehr zu. Wenn man den Menschen aber klarmacht - wenn du ein Projekt abwickeln willst, dann musst du versuchen, die Aufgaben so klein zu machen wie irgend möglich; du musst eine Liste haben, nach der du diese nacheinander abarbeitest; und diese Liste muss die unterschiedlichen Zustände aufzeigen: ist in Vorbereitung, ist in Arbeit, ist erledigt - das leuchtet den Menschen ein. Auf diese Weise kann so was wie Scrum wunderbar bei einem Mittelständler in Anwendung kommen. 

Was wir gelernt haben: Entscheidend ist zu erkennen, welcher Teil eines Konzepts in der eigenen Firma funktioniert. Es gibt kein Konzept, das wir zu 100 Prozent übernommen hätten. Da gab es nichts Fertiges, nichts Vorgedachtes. Das ist der Punkt: Sich Konzepte anschauen. Prüfen: Welcher Teil hilft unserer Firma? Diesen Teil rausnehmen und mit anderen Konzepten kombinieren. Und findet man nichts, eigene Sachen entwickeln. Also nicht sagen: Es gibt nichts, dann müssen wir mit dem leben, was wir haben. Sondern immer neue Werkzeuge entwickeln.
 

Es mutet recht komplex an, wie die Firma aufgebaut ist und wie sie funktioniert. Eine Hierarchie scheint im Vergleich dazu wesentlich einfacher. Mal ketzerisch gefragt: Verstehen die Mitarbeiter überhaupt diese komplexe Struktur? 

Stephan Heiler: Eine Firma ist generell sehr komplex, ein Organigramm aber wird der Komplexität nicht unbedingt gerecht. Unsere Mitarbeiter setzen sich heute überhaupt mit der Komplexität der Firma auseinander. Doch um eine Firma langfristig erfolgreich am Markt zu halten, ist es notwendig, dass die Mitarbeiter ständig ein realistisches Bild von der aktuellen Lage, von den Chancen und Risiken haben. Deshalb sollte man die Komplexität nicht von den Mitarbeitern fernhalten. 

Gebhard Borck: Natürlich ist die Hierarchie viel simpler. Aber sie ist eine Reduktion von Komplexität, die vieles verbirgt. Ich kenne keine Firma, die mit reiner Hierarchie auskommt. Die meisten haben noch eine Matrix darunter, haben eine Projektorganisation daneben stehen, die IT ist überall präsent, und nicht zuletzt spielt das Beziehungsgeflecht zwischen den Menschen überall hinein. Das ist in jedem Unternehmen so, aber es wird von den Mitarbeitern nicht verlangt, sich damit auseinanderzusetzen. Der große Unterschied bei Heiler ist der, dass wir von den Mitarbeitern verlangen, sich damit auseinanderzusetzen - und ihnen das auch zutrauen. Darin werden wir jeden Tag bestätigt. Die Mitarbeiter können mit der scheinbar höheren Komplexität ziemlich gut umgehen. Das ist ein Lernprozess.
 

Zu welchen Ergebnissen führt der? 

Gebhard Borck: Wir finden es viel erfrischender, seit die Komplexität der Firma nicht nur der Geschäftsführung, sondern zunehmend auch den Mitarbeitern klar wird. Das bewirkt ein größeres Verständnis für den Geschäftsführer. Heute hört man viel öfter als früher, der Stephan macht einen guten Job, wir brauchen den und der ist total wichtig für uns. Früher gab es viel mehr Kritik an der Geschäftsführung, weil die Leute gar nicht gesehen haben, was für eine Arbeit drinsteckt. Heute sehen sie es.
 

Spannend. Vieles deckt sich mit Lösungen, die andere Unternehmen für die Organisation von Selbstorganisation gefunden haben. Interessant finde ich das Modell, dass der Berater erstens eine feste Position in der Organisation hat und zweitens nicht nur für die Geschäftsleitung da ist, sondern für alle. Noch mal kurz dazu. Wie haben die Mitarbeiter auf diesen Berater-Mitarbeiter reagiert? 

Stephan Heiler: Als die Schleudersitzposition Produktions- und Einkaufsleitung frei wurde und nicht mehr besetzt werden sollte, waren die Mitarbeiter skeptisch. Sie sagten: Das ist ja recht und schön, wenn ihr uns unterstützt, das ohne Führungskraft, ohne Feuerwehrmann bewältigen zu können. Aber wer garantiert uns dann, dass der Berater dann noch da ist? Ihre Forderung war: Wenn wir zustimmen, dann muss es weiterhin den Berater als direkten Ansprechpartner geben. 

Gebhard Borck: Sie haben es so auf den Punkt gebracht: Wir wollen, dass du noch da bist, wenn das dumme Geschwätz nicht funktioniert. Sie wollten Dinge direkt ansprechen können. Es ging auch darum, auszutesten: Meinen die das ernst? Und können wir wirklich mit einem Berater sprechen? Ich habe dann schon zu hören gekriegt: Was du erzählst, das bringt mir gar nichts. Sag das mal so, dass ich das verstehe. Das war durchaus eine Herausforderung.
 

Hat sich dadurch das Honorierungsmodell für Beratung verändert? Wie rechnet ihr ab? Bist du quasi als Mitarbeiter angestellt? 

Gebhard Borck: Das wäre sogar ein gangbarer Weg gewesen. Aber ich bin nicht angestellt. Nur hat sich schnell herausgestellt, dass die normale Abrechnung per Tagessatz nicht mehr funktionierte. Wenn ein Berater so stark involviert ist, sprengt das für einen Mittelständler die Möglichkeiten. Auf der anderen Seite entsteht beim Berater eine sehr kontinuierliche Auslastung, also eine hohe Sicherheit. Wir beide haben dann mit einem Schmunzeln festgestellt, dass wir voneinander abhängig sind. Daraufhin haben wir zusammen ein Modell entwickelt, das nennen wir Flatrate. Das ist ein monatlicher Betrag, der bezahlt wird, unabhängig von der Kapazität, die ich für das Unternehmen aufwende. Damit kann ich alle Anfragen, die kommen, bearbeiten, bin aber auch verpflichtet, dies zu tun. Dadurch mussten wir uns nicht mehr über Kapazitäten unterhalten, sondern die Sinnfrage ist in den Mittelpunkt gerückt. 

Wir haben dem dann ein Element hinzugefügt, das wir "Black Swan Agreement" nennen. Das ist eine Vereinbarung, die mich als Nutznießer an dem Erfolg, der durch die Beratungsleistung entstehen soll, beteiligt. Sie kommt zum Tragen, wenn der Erfolg sich einstellt. Tut er das nicht, bleibt es bei der Flatrate. Die liegt auf einem Niveau, das für einen Mittelständler gangbar ist. 

Weil Beratung aber auch immer krisenanfällig ist, haben wir zudem eine Krisenklausel eingebaut. Sie besagt, dass die Firma dann, wenn der Berater zum Krisenfaktor wird, die Chance hat, ihn schnell loszuwerden, um wieder handlungsfähig zu werden.
 

Das Stichwort Krise schließt den Bogen zum Einstieg in das Gespräch. Das klang ja so, Herr Heiler, als hätte Ihnen jeden Augenblick die Firma um die Ohren fliegen können. Hätten Sie diese Krise ohne den Umbau, ohne die Transformation bewältigen können? 

Stephan Heiler: Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Firma in ihrer alten Struktur diese Herausforderung nicht gemeistert hätte - und ich persönlich, glaube ich, auch nicht. Wir haben durch das Engagement der Mitarbeiter, durch ihr eigenverantwortliches Handeln, Wirkungen erzielt, die sich per Anweisung durch Führungskräfte nie hätten erreichen lassen. Einfach durch Augen öffnen, Probleme besprechen und den Mitarbeitern freie Hand lassen, wie sie damit umgehen. 

Auch heute können wir noch nicht sagen, wir haben es geschafft. Aber ich denke, das tiefste Tal haben wir durchschritten. Wir sind mit dem Veränderungsprozess sehr weit gekommen, und wir haben Mitarbeiter, die mit großem Engagement, hoher Kompetenz aktiv mitarbeiten und gute Ideen einbringen. Wir sind nicht in einer akuten wirtschaftlichen Krise, sondern schaffen es immer wieder, ein ausgeglichenes Ergebnis hinzulegen. Aber um langfristig wieder stabil zu werden, müssen wir die Rendite steigern, fünf Prozent plus x. Daran arbeiten wir.
 

Das klang schon nach Schlusswort. Trotzdem noch eine Frage: Sie haben beschrieben, wie sich der Markt verändert und der Großhandel nun selbst als Auftraggeber für die Installateure auf den Plan tritt. Wie reagieren Sie auf diese Marktveränderung? Das betrifft ja die Vertriebsstruktur im Kern. 

Stephan Heiler: Jetzt geht es darum, zusammen mit unseren Mitarbeitern den richtigen Marktansatz zu finden, um den Laden rentabel führen zu können. Dafür müssen wir zusätzlichen Umsatz generieren, zum Beispiel im Projektbereich.
 

Wie? 

Gebhard Borck: Dazu muss man vielleicht etwas ausholen: Vor drei, vier Jahren gab es in der Firma noch klassische Abteilungen: Vertrieb, Aufmaß, Montage. Der Vertriebsaußendienst mit sieben Leuten wiederum war dafür zuständig, die wegbrechenden Umsatzanteile in irgendeiner Form zu kompensieren. Heute hingegen versuchen alle Mitarbeiter in den Marktorganen - egal, ob sie Aufträge abwickeln, Monteure oder Servicemitarbeiter sind -, diesen Umsatzausfall zu kompensieren. Statt früher sieben sind es jetzt 30 Leute, die sich Gedanken machen, was sie dazu beitragen können. Sie überlegen, ob sie für ihre Kunden zu den richtigen Zeiten ansprechbar sind. Monteure sagen: Wenn ich beim Kunden vor Ort bin, kann ich doch fragen, ob er vielleicht eine Glastür braucht neben der Dusche. 

Das heißt: Ja, die Vertriebsstruktur muss sich ändern - aber das ist nicht mehr eine Angelegenheit von ein paar Leuten plus Geschäftsführung, sondern das ist eine Sache von 30 Mitarbeitern. Und die machen auch alle mit.
 

Was auch bedeuten kann, dass der Berater Empfehlungsgutscheine verteilt? 

Gebhard Borck: Ja, auch das ist eine Idee eines Mitarbeiters: Warum geben wir nicht Geschäftspartnern der Firma die Möglichkeit, uns zu empfehlen, wenn sie von uns überzeugt sind? Keine schlechte Idee, fanden wir, und suchten nach einem Beispiel. Da habe ich gesagt: "Ich bin externer Partner, habe eure Produkte bei mir eingebaut und bin überzeugt davon. Lasst uns einen Empfehlungsflyer gestalten, und wir probieren das aus." Das ist es: Einfach etwas ausprobieren! 

Stephan Heiler: Es braucht ein versuchsweises Vorgehen. Funktioniert das oder funktioniert das nicht? Wenn nein, geht es zur nächsten Aktion.
 


Das Interview haben wir telefonisch geführt.
 


Zitate


"Am Anfang versucht man, den Veränderungsprozess zu treiben, irgendwann steigen dann die Mitarbeiter ein, und wenn das geschehen ist, dann treiben einen die Mitarbeiter." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Ohne die Preisgabe des Herrschaftswissens und der Interpretationshoheit ist ein mitarbeitergeführtes Unternehmen nicht denkbar." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Es gibt keine einzige Führungskraft mehr im Hause Heiler, außer dem Geschäftsführer, den es ja geben muss." Stephan Heiler: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Dank unserer neuen Firmenkultur gibt es keine hierarchischen Einzelentscheide mehr." Stephan Heiler: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Wir reporten genau andersherum. Wir informieren genau in die andere Richtung." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Führungsstress wird oft dadurch verursacht, dass man viel mehr Informationen hat, als man verarbeiten kann. Diese Informationen auf mehrere Schultern zu verteilen und von mehreren Leuten bearbeiten zu lassen, bringt definitiv eine erkennbare, direkte Entlastung." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Ein Mittelständler braucht Lösungen, mit denen er auch umgehen kann." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Entscheidend ist zu erkennen, welcher Teil eines Konzepts in der eigenen Firma funktioniert. Es gibt kein Konzept, das wir zu 100 Prozent übernommen hätten. Da gab es nichts Fertiges, nichts Vorgedachtes." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Um eine Firma langfristig erfolgreich am Markt zu halten, ist es notwendig, dass die Mitarbeiter ständig ein realistisches Bild von der aktuellen Lage, von den Chancen und Risiken haben. Deshalb sollte man die Komplexität nicht von den Mitarbeitern fernhalten." Stephan Heiler: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Es braucht ein versuchsweises Vorgehen. Funktioniert das oder funktioniert das nicht? Wenn nein, geht es zur nächsten Aktion." Stephan Heiler: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Man muss lernen, damit zu leben, dass man die Antwort nicht kennt, aber trotzdem handeln muss." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

"Wir haben nicht groß nachgedacht, sondern einfach gemacht." Gebhard Borck: Unterstützung hin zur Selbststeuerung

 

changeX 21.11.2017. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Quellenangaben

Autor

Winfried Kretschmer
Kretschmer

Winfried Kretschmer ist Chefredakteur und Geschäftsführer von changeX.

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