Intranet goes social

Social Intranet - der Reader von Frank Wolf
Text: Jost Burger

Irgendwo auf dem Weg vom Enterprise 1.0 zur Version 2.0 wurde das Intranet abgehängt. Für ein Enterprise 2.0 muss das Intranet aber wirklich "social" werden. Und dazu braucht es mehr als nur ein paar schicke Tools. Was zählt, sind die klare Nutzenabwägung und die richtige Integration.

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Flashback in die Mitte der 90er-Jahre: Kaum hatten Unternehmen weltweit sich an dieses neue Internet gewöhnt und begonnen, es für ihre Zwecke zu nutzen, schon drängte die neue Technologie mit Macht auch ins Innere von Unternehmen. Schnell verbreitete sich der Wunsch, die damals noch statische HTML-Welt auch intern zu etablieren: Dem Internet stand fürderhin das Intranet zur Seite. 

Dessen Entwicklung folgte eine Weile den Trends da draußen: Als das Web 2.0 die Welt veränderte, kam schnell die Rede vom "Enterprise 2.0" auf. Rasch wurden Elemente des Web 2.0 aufgegriffen, oder, wie Frank Wolf schreibt: "Viele Unternehmen waren begeistert von der einfachen Technologie und begannen intern mit der Nutzung von Wikis oder Blogs zu experimentieren. Das Web 2.0 war also unaufhaltsam dabei, wie schon sein Vorgänger, das Web 1.0, seinen Weg ins Unternehmen zu finden."


Unübersichtlicher Ablageplatz für alles und nichts


Wolf leitet den Bereich "Social & Collaboration Solutions" by T-Systems Multimedia Solutions und verantwortet darüber hinaus ein sehr schönes, umfangreiches Blog zum Thema Intranet (www.besser20.de). Vieles von dem, was sich dort findet, hat er jetzt in dem von ihm herausgegebenen Buch Social Intranet zusammengeführt.  

Dass es lohnt, sich der Sache anzunehmen, macht Wolf schon im Vorwort deutlich: Irgendwo auf dem Weg vom Enterprise 1.0 zur Version 2.0 sei das Intranet abgehängt worden. Was in den späten 90ern okay war - das Intranet als eine Art elektronische Unternehmenszeitung etwa -, ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß: "Das klassische Intranet ist oft nicht der erhoffte Dreh- und Angelpunkt für die unternehmensweite Kommunikation geworden. Vielmehr präsentiert es sich als unübersichtlicher Ablageplatz für alles und nichts, der durch wenige Redakteure mühsam auf der Höhe der Zeit gehalten wird." 

Dabei könnte es so viel leisten. Uns allen schwirren ja die einschlägigen Begriffe im Kopf. Überall ist die Rede von Collaboration Software und von Social-Media-Plattformen, die zur Kommunikation zwischen Kollegen, mit Zulieferern, Händlern und natürlich Kunden und Multiplikatoren dienen. Es wird gesharet, was das Zeug hält, Kundendienstabteilungen filtern im großen Stil Tweets, um mehr über Probleme mit dem Produkt zu erfahren, und sind im besten Fall intern so vernetzt, dass sie einzelnen Twitter-Freunden schnell und unkompliziert eine Lösung für ihr Anliegen anbieten können.  

Steht es also gar nicht so schlecht ums "Intranet"? Ja und nein, würde der Herausgeber wohl sagen. Ein Intranet wird nicht 2.0-tauglich, indem man irgendwo im Unternehmen eine Social-Media-Anwendung installiert. Oder auch, wie es richtig heißt: eine Enterprise Social Software.


IT matters


Einer der interessantesten Effekte dieses Buches ist es, die Gedanken einmal wieder zu dem etwas angestaubten Begriff des Intranets zurückzuführen. Letztendlich ist ein Intranet ja zunächst einmal die technische Bühne für die gesamte unternehmensinterne Kommunikation. Sicher verwandelt es sich zunehmend in ein teilweise dezentrales, nutzergeprägtes Instrument, eben zu einem Kind der Social-Web-Ära. Dennoch braucht es Ziele, Absichten und Steuerung.  

Und es verlangt wie jedes umfassende IT-Unterfangen große Anstrengungen und gebündelte Aufmerksamkeit vonseiten der IT-Abteilung. Ob es sich darum handelt, ein Unternehmens-Wiki aufzusetzen oder im Salesforce-Stil die komplette interne und externe Kommunikation plus Marketing plus Vertrieb plus Projektkoordination auf eine Facebook doch sehr ähnliche Plattform zu übertragen - das sind handfeste IT-Projekte. Die mit all den üblichen Herausforderungen verbunden sind, als da wären Zielvorgaben, Budgetfragen, Akzeptanzprobleme, Kommunikation mit der Geschäftsführung, Prozessmodellierung, Support.  

Für die Macher und Umsetzer solcher Projekte ist dieses Buch geschrieben. Neben Wolf liefern elf weitere Experten aus ganz verschiedenen Unternehmen Beiträge etwa über die Projektplanung, die Berechnung des ROI eines Intranets oder die Notwendigkeit, auch ein Social Intranet ständig zu moderieren und zu steuern. Großartig die Grafik im Kapitel über am Markt vorhandene Software, die in Form einer Karte - ähnlich einem S-Bahn-Plan - Überblick gibt über vorhandene Produkte und deren Funktionen.


Lösungen statt Trends


Richtig interessant wird es in den anschließenden sechs Fallstudien. Dort geht es etwa um die Orchestrierung der internen Unternehmenskommunikation im Intranet der ING-DiBa, um die Erfahrungen mit einem internen Wiki bei SAP, um eine weltweite Intranet-Anwendung der Bayer AG, die Produktvorschläge der Mitarbeiter sammelt, oder darum, wie Social-Media-Anwendungen das Prozess- und Wissensmanagement der Telekom beflügeln.  

Auffallend ist, wie nüchtern die vorgestellten Firmen an die Sache herangehen. Es fallen erstaunlich wenige Buzzwords. Was zählt, ist der Nutzen einer Anwendung. Wenn es ein ausgefeiltes Wiki tut, brauchen wir nicht auf Teufel komm raus eine überladene Collaboration-Plattform, die irgendwie an Facebook erinnert. Das ist die Botschaft des Buches: Das Web 2.0 ist toll, Enterprise 2.0 ist toll - aber vergesst nicht, dass wir Lösungen brauchen und nicht bloß Trends installieren wollen.  


changeX 21.12.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Social Intranet. Kommunikation fördern, Wissen teilen, effizient zusammenarbeiten. Carl Hanser Verlag, München 2011, 320 Seiten, 39.90 Euro, ISBN 978-3-446-42791-4

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Autor

Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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