Interessanterweise empfinden die meisten menschlichen Leser bei der Schilderung dieser Sachverhalte aus dem Tierreich keine besondere moralische Verwerflichkeit. Die wenigsten von ihnen werden es den Mäusen als ein moralisches Vergehen ankreiden, wenn sie den Sexualpartner häufig wechseln. Tieren gegenüber sind wir Menschen noch tolerant, wenn sie eine andere oder gar keine Moral im Vergleich mit uns haben.
Damit das Verhalten der dopamingestörten Maus einen moralischen Kontext erhält, müssen wir ihre Großhirnrinde auf die Größe des menschlichen Isocortex anwachsen lassen. Hätte die Präriemaus einen dem menschlichen vergleichbaren Isocortex mit dem ausgeprägten Präfrontallappen, dann könnte sich folgendes Gespräch zwischen einem Weibchen mit gestörtem Dopaminhaushalt und deren betrogenem Gatten entwickeln. Sie kommt eines Abends in die gemeinsame Präriemauswohnung in den Erdlöchern und der Gatte wartet mit böser Miene hinterm Eingang: "Du bist schon wieder fremdgegangen", wirft er ihr vor. "Na und", antwortet sie, "was ist schon dabei; es gibt einfach zu viele schöne junge Männchen. Warum soll ich sie vorbeihuschen lassen?" "Weil es sich nicht gehört!", brüllt der Gatte zurück. "Was bedeutet das, 'weil es sich nicht gehört?'", fragt die Frau zurück. "Es bedeutet, dass wir seit Generationen im Familienverband leben", antwortet das Männchen. "Es gehört sich nicht für eine Präriemaus, dass sie ihren Partner betrügt." "Ich jedenfalls", erwidert das Weibchen, "verstehe nicht, warum sich mein Lebenswandel nicht 'gehören' soll und warum ich jemanden 'betrüge', nur weil Präriemäuse immer schon in der Monogamie lebten. Mich kümmert die Gewohnheit nicht. Ich empfinde nichts Schlechtes dabei, wenn ich andere Männchen und mich selbst glücklich mache. Schließlich haben diese auch gute Gene, und ich trage sogar zu Stärkung der kommenden Generationen bei."
Das Weibchen kann die Gefühle des Männchens nicht mehr verstehen. Und das Männchen wird der Unterhaltung vielleicht noch Folgendes hinzufügen: "Du bist unmoralisch, was sollen die Nachbarn denken ..." Dann könnte es sein, dass das Weibchen Folgendes dagegenhält: "Übrigens haben Neurowissenschaftler herausgefunden, dass ich gar nicht schuld daran bin, dass ich mich so anders als die anderen Präriemaus-Weibchen verhalte. Bei mir ist im Gehirn der Dopaminhaushalt gestört. Dies führt dazu, dass ich keine Liebe und keine Treue empfinden kann. Ich kann nichts dafür!" Nun wird es dem Männchen zu bunt. "Jetzt wirst du unfair. Ich rede hier von einem moralischen Vergehen und du ziehst die Diskussion in eine völlig andere Sphäre. Moral und Natur sind zwei gänzlich voneinander getrennte Reiche. Im Reich der Natur herrschen strikt die deterministischen Naturgesetze, während das Reich der Freiheit unsere moralisch-ethische Welt begründet."
Wir könnten den gar nicht so fiktiven Dialog fortsetzen und würden nach einer Weile das gesamte Spektrum ethisch-moralischer Argumente vorfinden.
Die Ethik des Gehirns.
  So schwer es für manche zu
  akzeptieren ist: Unser ethisches Empfinden und Argumentieren ist
  mit den physiologischen Zuständen des Gehirns untrennbar
  verbunden. Wenn bestimmte Funktionen im Gehirn anders arbeiten,
  als es für die moralische Wertung erforderlich ist, haben Moral
  und Ethik ihre Bedeutung verloren.
  
Beim Menschen sind es nicht in erster Linie chemische
  Substanzen, die unser moralisches Bewusstsein steuern, sondern
  vor allem die Arbeitsweise des Präfrontalcortex. Die
  ernüchternden Erkenntnisse der Neurobiologen aus den vergangenen
  zehn Jahren zeigen, dass Ethik nicht in erster Linie der
  normativen oder religiösen Begründung des Guten bedarf, sondern
  einer einwandfreien Arbeitsweise der für moralisches Empfinden
  notwendigen Hirnareale. Mit diesen Auskünften der Hirnforscher
  und Neurobiologen sind zwei fundamentale Einsichten
  verbunden:
- Unser Gehirn benötigt eine Ethik.
- Unser Gehirn kann diese Ethik am besten zur handlungsleitenden Instanz werden lassen, wenn der Besitzer dieses Gehirns davon überzeugt ist, dass Ethik nicht nur eine Selbstbefriedigung des Gehirns bedeutet - obgleich genau dies der Fall sein kann. Ethik funktioniert am besten, wenn es ein höchstes Gut gibt, an das die Menschen wie an eine real existierende Sache glauben können.
  Der erste Punkt erklärt die
  Existenz von Ethik, der zweite Punkt formuliert eine
  grundsätzliche Haltung zur Art und Weise, wie sie in Erscheinung
  tritt.
  
Anders als herkömmliche Begründungen von Ethik, die das
  Sollen oder die Pflicht zu einem unbedingten Prinzip erheben
  wollen, legt die moderne Neurobiologie eine unspektakuläre und
  nüchtern-empirische Begründung von Ethik nahe: Unser Gehirn
  bildet eine Präferenz für die ethisch-moralische Konstellation
  aus. Wo immer sich die Chance bietet, einen Sachverhalt
  einzubinden in einen moralischen Kontext, wird das Gehirn diese
  Chance ergreifen. Verschiedene Experimente belegen, dass die
  bevorzugte Kontextbildung für das Verstehen von Zusammenhängen
  die ethisch-moralische ist. Unser Gehirn kann einen Zusammenhang
  leichter verstehen, speichern, überschauen, wiedererkennen und
  mit anderen Kontexten vergleichen, wenn es den vorgestellten
  Zusammenhang in einen moralischen Kontext einzuordnen
  vermag.
Schnelleres Begreifen mit Ethik.
  Eins dieser Experimente war das so
  genannte "Heider-Movie": Im Jahr 1944 zeigten Fritz Heider und
  Marianne Simmel ihren Versuchspersonen einen Zeichentrickfilm mit
  rein geometrischen Figuren. Die einfachen Dreiecke, Quadrate oder
  Kreise führten einen Bewegungsablauf vor - und es zeigte sich,
  dass die Versuchspersonen den Figuren allesamt einen moralisch
  bewerteten Charakter zuschrieben, sie setzten die Bewegungen mit
  Verfolgung und Rache, Bestrafung und Überlisten in Beziehung. Ein
  Großteil der Probanden entwickelte für eine bestimmte
  geometrische Figur starkes Mitgefühl und für andere so eine Art
  Verachtung. Das Experiment wies schon vor Jahrzehnten darauf hin,
  dass der Ort der Entstehung von Moral in unserem Gehirn liegt und
  von dort in die äußere Welt projiziert wird.
  
Unser Gehirn bildet sich zu einem gegebenen Sachverhalt
  einen moralischen Kontext, den es unter anderem aus der
  Gewohnheit entnimmt. Es sieht so aus, als benötigte das Gehirn
  eine Moral, um unbekannte Sachverhalte durch Einordnung in
  gewohnte Kontexte schneller zu begreifen und mit anderen
  vergleichen zu können. Das Gehirn, das moralische Kontexte sucht
  oder ausbildet, ist offenbar im Verlauf der Evolution besser
  imstande gewesen, überlebenswichtige soziale Strukturen zu
  erzeugen und einen Sicherheit garantierenden Sozialverband
  aufzubauen.
  
Was bedeutet es, einen moralischen Kontext zu haben? Es
  bedeutet, einen Handlungsablauf in den Schematismus von Gut und
  Böse und deren verschiedensten Graden von Stärke einordnen zu
  können. Es gibt Menschen, die wollen "das Böse" in seiner
  unübertrefflichen Absolutheit definieren und zum Maßstab
  erklären, es gibt andere, denen es um ein "absolut Gutes" als
  Maßstab geht, und es gibt Menschen, denen beide Formen zu radikal
  erscheinen, weil sie sich mit einem "Besser" und "Schlechter"
  zufrieden geben können.
Moral entsteht quasi automatisch.
  Aus Sicht des Gehirns ist es keine
  Frage, ob wir Moral haben wollen oder nicht - das Gehirn macht
  sie sich selbst oder ergreift die nächstliegenden moralischen
  Kontexte, sofern die nötigen Areale im Präfrontalcortex
  leistungsfähig genug sind.
  
Die Klage, wir hätten zu wenig Moral, beruht auf einer
  verzerrten Wahrnehmung. Sie ist eher ein Ausdruck dafür, dass die
  in einem bestimmten Umfeld wahrgenommene Moral nicht mit dem
  eigenen Erwartungshorizont übereinstimmt. Menschen streiten
  weniger, weil der eine Moral hat, ein anderer jedoch nicht. Jeder
  hat Moral, wenn ihn nicht Funktionsstörungen in der Großhirnrinde
  behindern. Das menschliche Gehirn benötigt Moral, um seine
  Eindrücke aus der sozialen Welt zu vereinheitlichen. Moral
  erlaubt es uns, Phänomene der Gesellschaft in einen einheitlichen
  Kontext zu stellen.
  
Streitfragen der Moral sind zumeist Fragen der Gültigkeit
  unterschiedlicher Moralen. Sie entstehen, wenn konkurrierende
  Interessen sich zu Moralkodizes verdichtet haben, die nicht mehr
  kompatibel miteinander sind. Streitigkeiten über Moral können
  daher auch Streitigkeiten über verschiedene spezifische
  Vorschriften sein. Eine für alle Menschen gültige Moral haben wir
  bislang nicht erfunden. Es ist auch zu befürchten, dass eine
  solche Moral und die Systeme, die nötig wären, um ihre Einhaltung
  zu kontrollieren, nicht dasjenige sein werden, was sich die
  Menschen, welche dann darunter werden leiden müssen, zuvor
  gewünscht hatten.
Entspannung für das Gehirn.
  Die nahe liegende Vermutung, dass
  die Existenz von Ethik und Moral nicht der Ausdruck des Guten in
  der Welt sei, sondern eine Forderung der Physiologie des
  menschlichen Gehirns, stellt für jeden Ethik-bewegten Menschen,
  für jeden, der sich für "ethisch" hält und sein Schaffen unter
  die Leitlinie einer Ethik gestellt hat, eine unannehmbare
  Provokation dar. Sein Unbehagen wird sich noch steigern, sobald
  er sich in den folgenden Vergleich einfühlen soll:
  
Wenn Sie einen Traum haben, erleben Sie nicht die einzelnen
  physiologischen Zustände Ihres Gehirns, während es starke
  Eindrücke aus dem wachen Leben "verarbeitet". Sie erleben nicht,
  wie Hirnströme von Neuron zu Neuron weitergeleitet werden und
  Spannungen entstehen. Sie erleben nur das fertige Produkt -
  beispielsweise das Gefühl, aus eigener Kraft wie ein Vogel über
  das Land zu fliegen.
  
Neurowissenschaftler und Psychologen aber erklären uns,
  dass Verdrängungen aus dem wachen Erlebnis die eigentliche
  Ursache für den Traum vom Fliegen sein können. Sie erleben das
  befreiende Gefühl des Fliegens, und nur dieses ist es, das Ihrem
  Gehirn die Entspannung verschafft, die sich im Traum einstellt.
  Die Konzentration auf die Entstehungsmechanismen der Entspannung
  würde Ihnen keine Entspannung verschaffen.
  
Weil wir über unsere Traummechanismen nicht bewusst
  verfügen können, kommen uns Träume unverursacht vor. So kann es
  einerseits geschehen, dass wir manchmal nicht mehr wissen, ob wir
  etwas "nur" geträumt haben oder ob es reales Geschehen war. Hier
  begegnen wir der gegenständlichen Kraft des Träumens am
  stärksten.
  
Der Prozess der Aufklärung und Säkularisierung hat unser
  Bewusstsein derart geprägt, dass wir heute einen Traum nicht ohne
  Weiteres als dasjenige hinnehmen, für das er sich selbst ausgibt.
  Wenn in den frühindustrialisierten Ländern heute eine junge Frau
  mit besonders heftigen religiösen Gefühlen morgens aufwacht und
  ihren Eltern erklärt, sie habe geträumt, der Erzengel Michael sei
  ihr erschienen und habe verkündet, sie werde demnächst als
  Jungfrau ein Kind gebären, dann mögen die Eltern vielleicht
  mitfühlend zuhören. Sobald dieser Traum jedoch als reale Ursache
  für ihre Schwangerschaft herangezogen werden soll, werden die
  Eltern mit Sicherheit eine andere Erklärung für plausibler
  halten, selbst wenn ihre Tochter versichert, kein anderer als der
  Erzengel Michael sei schuld an dieser Schwangerschaft. Aufklärung
  führt dazu, dass wir die Inhalte unseres Bewusstseins nicht ohne
  Weiteres als das anerkennen, wofür sie sich selbst ausgeben.
  
Der Stand der Aufklärung hat unser Bewusstsein derart
  geläutert, dass wir allen Träumen eine andere Bedeutung beimessen
  als diejenige, die uns der Traum selbst nahe legt. Wir verstehen
  Träume im übertragenen, nicht im strikten Sinn. Zum aufgeklärten
  Bewusstsein gehört es aber auch, Träume nicht zu verdammen, weil
  sie uns eine Realität vorspiegeln, die es nicht in der Weise
  gibt, wie der Traum sie uns anbietet oder weil er die
  existierende Realität verzerrt wiedergibt. Die Bedeutung des
  Traumes für einen gesunden Stoffwechselprozess des Gehirns ist
  unbestritten. Aber sie bezieht sich nicht darauf, dass wir den
  Gegenständen des Traumes unsere Aufmerksamkeit widmen, sondern
  seinen Ursachen.
Bloß nicht entzaubern.
  Wir haben uns weit davon entfernt,
  den Traumbildern unkritisch eine Gegenständlichkeit beizumessen.
  Doch bei den Phänomenen des Ethischen und Moralischen ist das
  vollkommen anders. Hier reagieren wir in der aufgeklärten
  frühindustrialisierten Welt noch in derselben Weise wie ein
  unreifes Kind, dem die Realität seiner schönen Träume entzaubert
  werden soll. Wir sind auf weiter Front nicht bereit, uns auf den
  Gedanken einzulassen, dass es dem Ausgleich der Hirnfunktionen
  geschuldet sein könnte, wenn wir Handlungen und Handlungsabläufe,
  Geisteshaltungen, Theorien und wissenschaftliche Modelle in einen
  Kontext zwischen Gut und Böse einordnen wollen. Ja, streckenweise
  begegnen wir noch heute Vorstellungen, nach denen Gut und Böse
  als real existierende Substanzen aufzufassen sind. In
  abgeschwächter Form sollen sie zumindest autonome Kategorien der
  Ethik sein, die sich keinesfalls auf Natur reduzieren mögen.
  
Die Auskunft, dass wir auf Grund der physiologischen
  Beschaffenheit des Gehirns Moral benötigen und einen Raum
  zwischen Gut und Böse aufspannen, um die Einordnung bestimmter
  Sachverhalte in (soziale) Kontexte zu ermöglichen und zu
  erleichtern, führt zu einer Kränkung unseres Selbstbewusstseins.
  Das moralische Bewusstsein möchte die ethisch-moralischen
  Überzeugungen als Ausdruck einer an sich seienden Wertestruktur
  einer geistigen oder vernünftigen Welt verstehen. Wer von dem an
  sich seienden ethisch-moralischen Wert seiner Überzeugungen
  "überzeugt" ist, lässt sich kaum mehr überzeugen davon, dass er
  diese Werte vielleicht nur deswegen benötigt, weil sein Gehirn
  Ausgleich von Spannungszuständen herzustellen versucht. In
  gleicher Weise wie Traumerfahrungen treten Gefühle des Guten und
  des Bösen mit dem Anspruch in unser Bewusstsein, dass sie etwas
  Autonomes seien. Weil sich das Bewusstsein nicht auf die
  neurologischen Zustände fokussieren kann, die beim Zustandekommen
  moralischer Gefühle von konstitutiver Bedeutung sind, glaubt es,
  dass neurologische Zustände keine Bedeutung für die Existenz
  moralischer Gefühle haben. Und wo das Bewusstsein daran erinnert
  wird, dass es in seinen moralischen Gefühlen weniger einem real
  existierenden Guten begegnet, sondern in erster Linie seinen
  Hirnfunktionen, reagiert es wie der "Wahrträumende", der sich
  nicht vorstellen kann, den Konstrukten seines Traumes in der
  realen Welt wahrscheinlich niemals begegnen zu können.
Moral und Traum.
  In derselben Weise, wie wir träumen
  müssen, benötigen wir Ethik und Moral. Bleibt der wohltuende und
  reinigende Prozess des Träumens aus, kann unser Gehirn Schäden
  erleiden. Fehlen uns die Strukturen des Guten und Bösen,
  verlieren wir schnell die Orientierung, die uns Einheitlichkeit
  in die Welt der menschlichen Handlungen bringen soll. Was der
  Traum für den schlafenden Menschen ist, ist die Moral für den
  wachen Menschen: eine notwendige Bewältigung spannungsgeladener
  Hirnzustände.
  
Und so, wie wir den Traum besser verstehen lernen, wenn wir
  ihn nicht als das anerkennen, wofür er sich selbst ausgibt, so
  verstehen wir auch Moral besser, wenn wir sie nicht für dasjenige
  nehmen, wofür sie sich anbietet: nämlich als Ausdruck eines real
  existierenden Guten. Wir verstehen den Traum besser, wenn wir die
  Hirnfunktionen verstehen, die ihn hervorbringen, und wir
  verstehen Moral besser, wenn wir wissen, warum das Gehirn den
  Kontext von Gut und Böse bevorzugt, um Einheitlichkeit in sein
  Verständnis von Handlungsmotiven zu bringen.
Die Rolle der Wirtschaft beim Entstehen von Ethik.
  Daraus folgt: Es ist keine Frage
  mehr, ob wir Unternehmensethik haben wollen oder nicht. Wir
  bedienen mit Unternehmensethik auch den Aktivitätsmodus unseres
  Gehirns. Wenn wir diesen Sachverhalt ernst nehmen, müssen wir in
  einem Unternehmen den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit ein
  Angebot machen, wie sie unternehmerische Arbeit und deren
  Produkte in einen moralischen Kontext einordnen können. Es ist
  kontraproduktiv, wenn Unternehmer glauben, auf Moral verzichten
  zu können, selbst wenn es ihnen so vorkommt, als benötigten sie
  selbst keine Ordnungsvorgaben aus einer Moral. Solange sie sich
  treiben lassen vom Rechthabenwollen, mit dem sie auch ihre
  Mitarbeiter zu ihrer eigenen Einsicht zwingen wollen,
  beschäftigen sie sich mehr mit ihren eigenen Problemen als mit
  unternehmerischen Notwendigkeiten. Eleganter ist es, dem
  Erwartungshorizont nachzugeben, der die Einordnung beobachteter
  sozialer Sachverhalte in einen moralisch-ethischen Kontext
  verlangt.
  
Für Unternehmer ist es allein deswegen wichtig, den
  Überblick über die verschiedenen ethischen Normen und ihrer
  Begründung nicht zu verlieren. Sie müssen verstehen, dass eine
  allein ökonomische Betrachtung die Gewissen der Beobachter in den
  meisten Fällen nicht befriedigt. Stärker als die ökonomische
  Betrachtung ist die moralische. Unternehmer, die es nicht
  verstehen, den Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, dass es
  "gut" ist, in der Art und Weise zu produzieren, wie es auch aus
  ökonomischer Notwendigkeit geboten scheint, vergeuden Energie.
  Unternehmer spielen daher eine besondere Rolle bei der Ausbildung
  eines ethischen Bewusstseins. Ein Unternehmer muss wissen, dass
  es nicht wichtig ist, ob er an die Wirkung von Ethik glaubt; sie
  wirkt auch, wenn er nicht daran glaubt.
Dr. Klaus-Jürgen Grün ist Vizepräsident des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft e. V. Nach einer naturwissenschaftlichen Ausbildung promovierte er in Philosophie. Er ist Privatdozent für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main, an der er auch lehrte, sowie Gründer und Leiter des Philosophischen Kollegs für Führungskräfte ( www.philkoll.de).
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Ethikverband der deutschen Wirtschaft e.V.
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