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Ein Hoch auf den Kurzschlaf - fünfeinhalb Fragen an Stefanie Demmler

In unserer rigiden Arbeitskultur gilt Anwesenheit vielfach noch als Ausweis von Arbeitsleistung. Und schlafen zur Arbeitszeit als Tabu. Ein Tabu, das zu brechen lohnt. Denn ein kurzes Nickerchen zwischendurch ist gesund, steigert die Leistungsfähigkeit und dient unserem Bedürfnis nach Erholung.

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"Tue Gutes, halte ein kleines Nickerchen und sprich darüber!" Empfiehlt Stefanie Demmler. Die Beraterin und Autorin ist leidenschaftliche Verfechterin des Kurzschlafs - auch im Büro. Fünfeinhalb Fragen an sie.
 

Was spricht für Powernapping, also das Nickerchen zwischendurch? 

Die Schlafforschung zeigt ganz deutlich: Ein kurzes Nickerchen von zehn bis 30 Minuten steigert die Leistungsfähigkeit und beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Aber es geht dabei nicht nur um bloße Leistungssteigerung. Ein Nickerchen zwischendurch entspricht unserem Bedürfnis nach Erholung und innerem Rückzug während - biologisch notwendiger - Leistungstiefs. Mithilfe von Ruhepausen verarbeiten wir Erfahrungen und Erlebnisse und verfestigen erlerntes Wissen.
 

Andere Kulturen kennen Formen des Kurzschlafs - warum ist er in unserer so wenig verbreitet? 

Das ist er ja gar nicht! In unserer Kultur wird genauso häufig ein Kurzschlaf eingelegt wie in anderen Kulturen auch. Wir reden nur nicht darüber - und bitte auch kein Nickerchen in der Öffentlichkeit! Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Begegnung mit chinesischen Investmentbankern, die in Deutschland an einem Fachseminar teilnahmen und während der Mittagspause kollektiv ein kurzes Nickerchen hielten. Der deutsche Dozent war über diesen Anblick mehr als irritiert und bezweifelte kopfschüttelnd die Leistungsfähigkeit der Teilnehmer. Im Verlauf des Tages wurde er eines Besseren belehrt. Die Teilnehmer waren auch am Nachmittag hoch konzentriert bei der Sache, er hingegen wirkte auf mich erschöpft und müde. Etwas mehr Offenheit dem Thema gegenüber würde uns in unserm Kulturkreis sicherlich guttun.
 

Sie schreiben, Powernapping im Beruf sei ein Tabu. Warum? Wirkt hier das Klischee des Büroschlafs nach? 

Wir alle kennen doch den Witz: Treffen sich zwei Beamte auf dem Büroflur. Sagt der eine zum anderen: "Kannst du auch nicht schlafen?" Das Interessante ist, dass jeder dritte Deutsche gerne mittags am Arbeitsplatz ein Nickerchen machen würde. Wir amüsieren uns also über etwas, das wir eigentlich gerne praktizieren würden. In unseren Interviews mit Entscheidungsträgern in Unternehmen und der Verwaltung mussten wir immer wieder feststellen, wie stark sich das Vorurteil hält, dass Schlaf gleich Nichtstun sei. Ich wurde in einem Interview mit der Präventionsbeauftragten eines großen internationalen Konzerns wiederholt gebeten, bloß nicht zu schreiben, dass das Unternehmen das Powernapping seiner Mitarbeiter unterstützt, obwohl extra für diesen Zweck Ruheinseln eingerichtet wurden. Auch wenn wir es nicht gerne hören, unser Arbeitsleben wird von einer Anwesenheitskultur geprägt.
 

Diese Arbeitskultur, in der Anwesenheitszeit als Ausweis für Arbeitsleistung gilt, ignoriert die Bedürfnisse der Menschen? 

Spätestens seit der Industrialisierung bestimmen äußere Anforderungen unseren Alltag und drängen individuelle innere Bedürfnisse in den Hintergrund. Dass gegen unsere innere Uhr zu leben krank machen kann, zeigen Schichtarbeit und Jetlag - dass das sogar gefährlich sein kann, verdeutlicht der Sekundenschlaf am Steuer eines Autos. Wir legen in unserer leistungsbetonten Arbeitskultur zu wenig den Fokus auf die biologisch notwendigen Effekte von Ruhepausen und Kurzschlaf. Denkprozesse und Wissensverarbeitung vollziehen sich aber am nachhaltigsten während solcher Ruhepausen.
 

Arbeit verändert sich stark, Kreativität und Agilität gewinnen an Bedeutung - alles ausgeschlafene Eigenschaften. Wird das einen Einstellungswandel zum Mittagsschläfchen bewirken? 

Das hoffe ich doch stark! Es gibt bereits eine Reihe bemerkenswerter Initiativen, die wir auch in unserem Buch beschreiben. Ein gern genanntes Erfolgsbeispiel in Sachen Powernapping ist die Stadtverwaltung von Vechta. Trotz heftiger Kritik vonseiten der Presse und des Sächsischen Beamtenbundes hielt die Verwaltung an ihrem Projekt, Powernapping und weitere Präventionsmaßnahmen den Mitarbeitern zu ermöglichen, fest. Heute gilt Vechta bei seinen Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber mit einem unterdurchschnittlichen Krankenstand. Auch gibt es inzwischen witzige und originelle Hilfsmittel, die das Powernapping unterstützen, wie die aufblasbare Schlafkapsel oder der gepolsterte Aktenordner. Ein wenig Unterstützungshilfe, ob emotional oder funktional, lohnt sich!
 

Das Wichtigste in einem Satz? 

Tue Gutes, halte ein kleines Nickerchen und sprich darüber!
 

Zur Person: Stefanie Lea Demmler arbeitet selbständig als Unternehmensberaterin, Assessorin und Dozentin in den Bereichen Gründungscoaching, Geschäftsmodellentwicklung, Potenzialprofiling und Kommunikation. Zusammen mit Solveig Lanske und Dörthe Ziemer hat sie den 30-Minuten-Band Power-Napping geschrieben. 


changeX 15.01.2015. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: 30 Minuten Power-Napping. GABAL Verlag, Offenbach 2015, 96 Seiten, 8.90 Euro, ISBN 978-3-86936-545-9

30 Minuten Power-Napping

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