Das gelobte Land der Innovation

Start-up Nation Israel - das neue Buch von Dan Senor und Saul Singer
Rezension: Jost Burger

Zehnmal so viele Unternehmen im NASDAQ, fast doppelt so hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung wie Deutschland - Israel ist ein weltweiter Innovationsführer. Wie das kommt, erklärt ein faszinierendes - und überraschendes Buch.

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USB-Sticks, WLAN-Technologien, sichere Bezahlverfahren bei PayPal oder künstliche Netzhäute - diese Innovationen stammen nicht etwa aus den USA, sondern aus Israel. Das Land gilt als eines der innovativsten Länder der Welt. Und während viele Menschen in der ganzen Welt Israel vor allem im Kontext des Nahost-Konflikts betrachten, ist es für die weltweite Hightech-Industrie schon längst Mekka und Eldorado zugleich.  

Um die Start-up Nation Israel geht es in dem gleichnamigen Buch von Dan Senor und Saul Singer. Der Politikberater und der Journalist gehen darin der Erfolgsgeschichte Israels auf den Grund. Dabei geht es nur vordergründig viel um Hightech: "Wir sind von der Technologie und ihren Auswirkungen auf die moderne Welt fasziniert, aber unser Thema ist jenes Ökosystem, das vollkommen neue Geschäftsideen hervorbringt."  

Oder amerikanische Chip-Giganten rettet. Eine der vielen, sehr gut lesbaren Fallgeschichten des Buches handelt davon, wie die israelische Entwicklungsabteilung von Intel Anfang des 21. Jahrhunderts das Diktat der Taktfrequenzsteigerung bei CPUs brach. Ihnen war früher als anderen im weltweiten Konzern klar, dass Prozessoren unmöglich immer schneller werden konnten - sie würden irgendwann unkontrollierbar heiß. So entwickelten sie eine neue Technologie, die letztendlich dem Prinzip mehrerer Rechenkerne in einer CPU zum Durchbruch verhalf. Zuvor mussten die israelischen Intel-Mitarbeiter aber jahrelang die komplette Führungsspitze des Konzerns persönlich belagern. Inklusive häufiger 24-Stunden-Flüge nach Amerika.


Reichtum im Mangel


Zwei Lehren ziehen die Autoren aus der Geschichte: Zum einen haben israelische Ingenieure wenig Respekt vor tradierten Weisheiten - zum anderen können sie unglaublich hartnäckig sein. Womit man bei den Gründen ist, die Senor und Singer für den Erfolg anführen. Man findet sie eigentlich schon im Vorwort von Schimon Peres. Drei Zitate sollen genügen: "Ein armes Volk, das in ein armes Land zurückkehrte, musste den Reichtum im Mangel finden." Zweitens: "In Israel entstand die Hochtechnologie aus der Landwirtschaft." Und drittens: "Die kreativen Lösungen für unsere Sicherheitsprobleme legten den Grundstein für zivile Industrien." Übersetzt: Israel blieb nach der Staatsgründung in feindlicher Umgebung gar nichts anderes übrig, als kreativen Überlebenswillen zu entwickeln, vieles neu zu denken - und vor allem nicht nachzulassen. Landwirtschaft in der Wüste ist Hightech. Und ein immer wiederkehrendes Thema ist die Bedeutung des Militärs für die israelische Wirtschaft.  

Und zwar nicht nur, weil militärische Forschung schon immer der größte Motor auch für die Entwicklung der zivilen Technik war. Sondern weil die Armee, untrennbarer Teil des israelischen Alltags, zugleich Ausbildungsstätte und Ort intensiver Vernetzung ist. Saul Singer brachte es in einem Interview auf den Punkt: "Das Militär ist der dritte Lebensabschnitt im Leben fast jedes Israelis, zwischen der Schule und der Arbeit. Und in diesem Lebensabschnitt lernen Israelis viel über Führerschaft, Teamwork und, am wichtigsten, Missionserfüllung. Das verlangt Erfolgsstreben, Einfallsreichtum und Mut zum Risiko, und genau das braucht es auch bei der Gründung eines Technologie-Start-ups."


Ansteckender Optimismus und unbekümmerte Tatkraft


Nein, eine Verklärung ist das Buch nicht. All die Erfolgsgeschichten und die beeindruckenden Wirtschaftsfakten werden getragen von einer abwägenden Darstellung der historischen Entwicklungen und von sozialen Problemen. So fehlt dem Land zum Beispiel immer stärker die Arbeitskraft sowohl ultraorthodoxer Juden, die nicht arbeiten dürfen, wie auch arabischer Israelis, die nicht wehrpflichtig sind und deshalb nicht die Vorteile dieser Innovationsschmiede nutzen können. Und auch wenn geschildert wird, wie Entwicklerkonferenzen trotz Bombardements nicht unterbrochen werden, so sind doch ständig drohende Kriege nicht nur als Ansporn und Motivation fürs "Jetzt erst recht" aufgeführt, sondern auch als eine irgendwann vielleicht nicht mehr abzuwehrende Gefahr.  

Frontier-Mentalität, wie man sie vor 150 Jahren in Amerika besang - das trifft es vielleicht eher, was dieses Buch beschreibt. In Deutschland, auch in den USA oder in Japan lässt sich diese Innovationskraft nicht so einfach herstellen - so der leise Verdacht, der im satten und sicheren deutschen Leser aufkeimt. Aber vom ansteckenden Optimismus und der unbekümmerten Tatkraft, die dieses Buch atmet, davon kann sich gewiss jeder etwas abgucken.  


changeX 08.03.2012. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

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Zum Buch

: Start-up Nation Israel. Was wir vom innovativsten Land der Welt lernen können. Carl Hanser Verlag, München 2012, 374 Seiten, 24.90 Euro, ISBN 978-3-446-42921-5

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Autor

Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

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