Wort&Tat
Wie funktioniert gutes Networking? - Ein Gespräch mit Andreas Lutz.
Von Sylvia Englert
Networking ist die Kunst der beiderseitigen Gewinnbeziehung. Sagt einer der besten Netzwerker des Landes. Sein wichtigster Rat: Gute Netzwerker investieren in persönliche Beziehungen, ohne dass sie sofort etwas zurückwollen. Ihre Devise: Langfristig gute Beziehungen aufbauen. Das wahllose Streuen von Visitenkarten und das kurzfristige Ansprechen aller möglichen Leute sind hingegen kontraproduktiv. Das Ziel aller Networker ist klar: In Netzwerken agieren, in denen jeder den Nächsten mit gutem Gewissen weiterempfehlen kann. In denen aber auch jeder Nein sagen kann, wenn er will.
Andreas LutzAndreas Lutz ist promovierter Betriebswirt. Als Business Developer und kaufmännischer Leiter mischte er in der New Economy mit. Als er nach dem Crash seinen Job verlor, machte er sich selbstständig und wurde schnell zu einem der bekanntesten Existenzgründungsexperten Deutschlands. Er schrieb mehrere Ratgeber rund um die Themen Ich-AG und Überbrückungsgeld, gründete ein Netzwerk für Selbstständige mit inzwischen über 6.000 Mitgliedern. Seine auf Gründungsförderung spezialisierte Website ueberbrueckungsgeld.de bietet verständliche Informationen und Orientierung im Dschungel der Behörden.
Wann haben Sie bewusst mit dem Networking begonnen?
Als ich mich vor zweieinhalb Jahren selbstständig gemacht habe. Auslöser war eine positive Erfahrung: Als ich meinen Job verloren habe, hat der Personalmanager Manfred Faber, den ich über ein Netzwerk kennen gelernt hatte, sich mein Zeugnis durchgelesen, hat mir Tipps gegeben für den Aufhebungsvertrag und so weiter. Das hat mich einerseits gefreut, andererseits war ich erstaunt, dass mir jemand einfach hilft, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Das war meine erste praktische Lektion im Networking - gute Netzwerker investieren in persönliche Beziehungen, ohne dass sie da gleich etwas zurückwollen. Das hat mich sehr beeindruckt. Schnell wurde mir außerdem klar, dass Networking gerade für Existenzgründer sehr wichtig ist. In der Folge habe ich nach und nach immer mehr über das Netzwerken gelernt.
Wie gehen Sie heute vor, wie viel Zeit investieren Sie dafür?
Manche Profis sagen, dass sie etwa 30 Prozent ihrer Arbeitszeit in Networking investieren; aber es ist schwer, das genau anzugeben, weil die Grenze zwischen Geschäfts- und privater Freundschaft fließend sein kann. Beispielsweise bin ich letzte Woche zweimal mit befreundeten Journalistinnen frühstücken gegangen. Das war für mich keine Arbeitszeit. Aber lohnend und inspirierend war es auf jeden Fall - auch in geschäftlicher Hinsicht. Anderes Beispiel: Ich fahre heute Abend nach Hamburg zu einer Presseveranstaltung und habe versucht, mit verschiedenen Bekannten in Hamburg, die ich bisher nur durchs Telefon kenne, einen Termin auszumachen sowie alte Kontakte, die ich lange nicht mehr gesprochen habe, endlich wieder zu sehen. Ich vertraue einfach darauf, dass diese Zeit gut investiert ist.
Ihr Praxisbuch Networking wendet sich auch an Leser, die nicht von Natur aus Netzwerker sind, denen es auf Anhieb nicht so leicht fällt. Was würden Sie empfehlen, wie findet man den Einstieg? Denn gerade wenn man Leute kontaktiert, mit denen man schon lange nichts mehr zu tun hatte, hat man eine gewisse Hemmschwelle ...
... jeder weiß, was man in solchen Situationen sagt: "Ich wollte eigentlich schon lange mal anrufen ...", aber entscheidend ist, dass man dann auch tatsächlich Taten folgen lässt und nicht davon ausgeht, dass der andere in diesem Moment nach fünf Jahren sofort eine Stunde Zeit hat, mit einem zu telefonieren. Also sagt man zum Beispiel: "Ich komme demnächst in deine Stadt und wollte fragen, ob wir uns bei dieser Gelegenheit endlich mal wieder sehen können?"
Sie sehen: Teilweise erschließt sich Networking über den gesunden Menschenverstand. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass man sich die Mechanismen des Networkings bewusst macht und gezielter mit ihnen umgeht.
Aber es ist eben nicht nur gesunder Menschenverstand im Spiel, sondern auch Sozialkompetenz, und die hat nun mal nicht jeder?
Genau, das kommt natürlich hinzu. Aber ich glaube, jeder kann auf seine ganz persönliche Weise erfolgreich netzwerken, wenn er sich ernsthaft dafür öffnet und wenn er die Einstellung gewinnt, dass Networking eine gute Sache sein kann. Und mit jedem kleinen Erfolg, den er erzielt, wird das Vertrauen in das Networking stärker. Deshalb ist es für jemand, der eher introvertiert ist und noch nicht so viel Erfahrung mit Networking hat, besser, sich nicht gleich auf eine Networking-Party unter lauter Fremde zu begeben - davon wird er mit einem "Nie wieder!" auf den Lippen zurückkommen. Ich würde empfehlen, in kleinen Schritten vorzugehen, sich mit einer einzelnen Person zu verabreden und zu unterhalten. Durch das Erfolgsgefühl wird die Motivation verstärkt, man unternimmt mehr und so kommt ein positiver Kreislauf in Gang.
Aber es gibt auch Leute, die unter dem Deckmantel des Networkings zu viel von einem verlangen. Wo sollte man die Grenze ziehen?
Ganz wichtig ist, dass man beim Networking jederzeit Nein sagen darf. Gutes Networking bedeutet, dass ich andere um Unterstützung bitten kann, dies aber immer in einer Art und Weise tue, die es dem anderen möglich macht, Nein zu sagen. Das Recht, das ich anderen gebe, habe ich aber auch selbst: Wenn jemand immer mehr als einen Gefallen von mir einfordert oder mich gar unter psychischen Druck setzt, dann ist das für mich ein Alarmzeichen, dass der andere nicht fair netzwerkt ...
... sondern sich als Vampir betätigt, wie Sie das so schön bezeichnen.
Dann mache ich mich rar, nehme mir weniger Zeit. Oder ich rede Klartext: "Sorry, aber so, wie das zwischen uns läuft, will ich es nicht fortsetzen."
Für manche bedeutet Networking vor allem das Sammeln und Verteilen von Visitenkarten. Was halten Sie davon?
Visitenkartenpartys bringen schon was, wenn man sie richtig nutzt. Das Tolle an solchen Veranstaltungen ist ja, dass die Teilnehmer alle mit dem erklärten Ziel dort sind, Kontakte zu knüpfen und andere Leute kennen zu lernen. Es ist also nicht so wie in manchen etablierten Netzwerken, in denen schon alle in Cliquen und Grüppchen organisiert sind und man nicht weiß, wie man da reinkommt. Visitenkartenpartys sind im Vergleich dazu eine sehr demokratische Einrichtung und eignen sich auch als Spielwiese für Anfänger. Natürlich wird man dabei mit vielen Menschen konfrontiert, die noch nicht so viel Erfahrung mit Networking haben und auch Fehler machen, zum Beispiel mit vollen Händen Visitenkarten verteilen, ohne wirkliche Kontakte zu knüpfen. Besser ist, die anderen erstmal in ein Gespräch zu verwickeln, die Gemeinsamkeiten auszuloten, bevor man seine Karte übergibt. Als Thema eignen sich der Anlass des Treffens, die Räumlichkeiten, die Anreise ... die Anknüpfungspunkte sind oft ganz nahe liegend.
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Es gibt sehr verschiedene Netzwerke und Networking-Methoden. Was für einen Mix empfehlen Sie?
Jeder muss seinen eigenen Mix finden. Es geht nicht nur darum, in irgendeinen Verband einzutreten. Beim Networking kommt es auf mein individuelles, ganz persönliches Netzwerk an - auf die Leute, die ich kenne, und die Menschen, die ich über diese Leute kennen lernen kann. Formelle Netzwerke, Verbände und so weiter sind vor allem Chancen, das eigene, persönliche Netzwerk zu erweitern - funktioniert das nicht, nützt die Mitgliedschaft nichts.
Also am besten in verschiedene Netzwerke reinschnuppern, die einen interessieren - es gibt ja meist die Möglichkeit, das als Interessent kostenlos zu machen -, und danach ein oder zwei aussuchen, bei denen man das Gefühl hat, "da werde ich warm mit den Leuten, da passe ich rein, da kann ich auch profitieren". Um Gottes willen nicht fünf Netzwerken auf einen Schlag beitreten, sonst kommt man ja gar nicht mehr nach Hause!
Es gibt beim Networking also auch ein Zuviel ...
... man will ja nicht seine ganze Zeit dem Networking widmen, sondern muss auch mal Geld verdienen. Deshalb sollte man auch gegenüber dem eigenen Netzwerk eine Grenze ziehen, also nicht zu viele Leistungen umsonst erbringen. Beispiel: Ich bin Rechtsanwalt, und Mitglieder des Netzwerks stellen mir rechtliche Fragen. Dann muss man natürlich irgendwann sagen: "Du, das geht jetzt ins Detail, da sollten wir uns mal in meiner Kanzlei zusammensetzen." Ich würde auch immer empfehlen, von sich aus eine Bezahlung anzubieten; das gehört dazu, wenn man den anderen respektiert. Dann sagt der andere, wenn man Glück hat: "Nee, nee, das ist nicht nötig - aber ich würde mich freuen, wenn du mich weiterempfiehlst." Oder er bietet vielleicht einen Freundschaftspreis an.
Welche Bedeutung hat das Internet inzwischen für das Networking?
Eine ganz enorme. Erst gestern hat jemand zu mir gesagt, er sehnt sich nach den Zeiten des "First Tuesday" zurück. Mit diesen Netzwerktreffen von New Economy-Akteuren begann damals das Verschmelzen von Internet-Netzwerken und realen Netzwerken; die Treffen wurden erstmals komplett über das Internet organisiert. Heute gibt es Networking-Plattformen wie openBC, die noch viel mehr bieten.
Sie haben bei openBC auch eine eigene Community aufgebaut, ein Netzwerk für Existenzgründer und Selbstständige ...
... ich sehe solche Plattformen als große Chance. Ich würde aber nie sagen: "Das herkömmliche Networking ist passé, es gibt jetzt nur noch das Internet." Für mich ist es eher eine tolle Ergänzung. Es macht das Networking effektiver, und wer es geschickt nutzt, wird sicherlich stark profitieren. Aber den persönlichen Kontakt wird es natürlich niemals ersetzen. Face-to-Face-Treffen geben dem Kontakt eine ganz andere Qualität, und man kommt im lockeren Gespräch auf ganz andere Themen zu sprechen. Spätestens, wenn man mit jemandem enger zusammenarbeiten möchte, sollte man ihn schon mal gesehen haben. Nach dem persönlichen Kennenlernen bietet das Internet dann wieder erstklassige Unterstützungsmöglichkeiten, um den Kontakt weiter zu pflegen.
Für Selbstständige ist das Networking besonders wichtig, okay. Aber was sind die Vorteile für Angestellte?
Ein Stück weit ist heute jeder ein Ich-Unternehmer. Für Angestellte kommt es wesentlich mehr darauf an, sich gut zu verkaufen. Nicht, um sich daraus unfaire Vorteile zu verschaffen, aber damit Vorgesetzte und Kollegen überhaupt wissen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen ich besitze. Mein Tipp ist, nicht immer mit denselben Kollegen zum Mittagessen zu gehen, sondern auch mal mit netten Leuten aus anderen Abteilungen oder Kundenunternehmen. Meist freuen die sich über den Vorschlag, weil es für sie genauso langweilig ist, immer mit den gleichen Kollegen zusammenzusitzen. So kann man auf sehr einfache Weise, ohne dass es zusätzliche Zeit kostet, sein Netzwerk erweitern.
Richtig praktisch wird Networking, wenn man einen neuen Job sucht?
Interne und externe Jobs werden kaum noch ausgeschrieben, das Tuning der Bewerbung bringt nicht mehr viel, wenn die perfekten Unterlagen in einem Stapel von einem Meter Höhe versteckt sind. Also brauche ich Wege, zum Beispiel über einen Anruf, eine persönliche Beziehung zu dem Entscheider aufzubauen. Noch besser ist, ich kenne jemandem im Unternehmen, der mich empfiehlt.
Hat so etwas nicht schnell ein "Geschmäckle"?
Nein, weil so etwas nicht den Hintergrund hat: "Ich möchte einen Job bekommen, weil ich XY kenne", sondern weil es dem Auswählenden seinen Job leichter macht, wenn er zusätzliche verlässliche Informationen über den Bewerber erhält, die das Risiko einer Fehlentscheidung verringern. Es geht beim Networking darum, das Wissen über die eigene Person weiterzuverbreiten. Wenn mich ein anderer empfiehlt, ist das glaubwürdiger, als wenn ich mich selbst lobe. Beim Verkaufen geht es um die direkten Kontakte - da spricht man möglichst viele Leute an, und irgendeiner wird dann schon kaufen - beim Networking geht es um die Kontakte der Kontakte.
Beispiel: Bei openBC habe ich etwa 400 Mitglieder als direkte Kontakte eingetragen. Diese 400 Leute kennen wiederum insgesamt 15.000 Menschen. Und wenn die 400 direkten Kontakte wissen, was ich kann und wofür ich stehe, wenn ich denen ein klares Profil vermittle, dann bleibe ich bei ihnen im Hinterkopf. Wenn dann bei irgendeinem der 15.000 indirekten Kontakte ein Bedarf entsteht, dann heißt es: "Schau doch mal auf die Seite ueberbrueckungsgeld.de oder ruf den Andreas Lutz an, der kann dir sicher helfen." Ich versuche also, Fürsprecher zu gewinnen - das ist für mich das Geheimnis des Networkings.
Wenn Sie dagegen versuchen würden, die 15.000 Leute direkt anzusprechen, würden Sie sie vermutlich nerven?
Genau, dann würde ich das Gegenteil erreichen. Generell sehe ich es so, dass man Networking nicht nur unter dem beruflichen Aspekt - Job finden, Karriere machen, Aufträge erhalten - sehen sollte, sondern dass das Fundament immer Spaß, Freundschaft, persönliche Unterstützung, Informations- und Wissensaustausch sein sollten.
Sylvia Englert, Journalistin und Buchautorin, ist Redakteurin bei changeX.
Andreas Lutz:
Praxisbuch Networking.
Einfach gute Beziehungen aufbauen.
Von openBC bis Visitenkartenpartys,

Linde International/Wirtschaftswoche, Wien 2005,
171 Seiten, 14.90 Euro,
ISBN 3-7093-0084-3
www.lindeverlag.at
© changeX [20.10.2005] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Praxisbuch Networking. Einfach gute Beziehungen aufbauen. Von openBC bis Visitenkartenpartys.. Linde International/Wirtschaftswoche, Wien 2005, 171 Seiten, ISBN 3-7093-0084-3

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