So, wie es im Hauhalt der Zukunft im Wohnzimmer Video on Demand und in allen Räumlichkeiten Music on Demand gibt, macht die Computer-Revolution gemäß den MIT-Forschern auch vor der Küche nicht Halt: "Dishes on Demand" - Geschirr auf Abruf - haben sie ihr Verfahren betitelt.
Das Vorhaben der Küchenverbesserer am Media Lab ist Teil einer langsam einsetzenden massiven Transformation der Produktion aus dem Geiste der informationstechnischen Revolution. 3-D-Drucker können heute schon nicht nur Plastikteller anfertigen, sondern beispielsweise auch künstliche Zähne, Knochen, Hautgewebe, Sushi oder Metallteile. "Wir spielen Gott, wir schaffen etwas aus nichts", gibt Boris Chichkov, Physikprofessor am Laserzentrum Hannover, als leicht vermessen klingende Forschungsparole aus.
Die zugrundeliegende Technologie.
  Die Rapid-Verfahren, welche die
  Grundlage für die skizzierte Personal Fabrication bilden,
  bestehen aus komplexen Technologien. Sie haben beim ersten
  Betrachten etwas Magisches an sich, da die für die Fertigung
  verwendeten Materialien in dem Prozess kaum sichtbar sind.
  Scheinbar werden die digitalen, virtuellen Bits im Rechner direkt
  wie von Geisterhand in Materie verwandelt. Erinnerungen an den
  fiktionalen "Replikator" in der "Star Trek"-Serie oder den
  "Nutri-Matic"-Getränkeautomaten aus 
  Per Anhalter durch die Galaxis werden wach. Solche
  Vorstellungen führen zum Teil in die Irre, da durch die
  Rapid-Techniken keineswegs physikalische Gesetze gebrochen
  werden. Mit Zauberei hat das Ganze nichts zu tun, eher mit
  modernem Hightech. Das am nächsten liegende Bild ist nach wie vor
  das vom Ausdrucken eines Texts vom Computer am Tinten- oder
  Laserprinter. Der große Unterschied ist aber, dass sich alles
  nicht auf der Fläche, sondern auf der räumlichen 3-D-Ebene
  abspielt.
  
Aber auch die bildhafte Vorstellung rund um das
  "Ausdrucken" von Materie vom Heim-PC aus schönt die Realität der
  RP-Technik gewaltig. So führt der Fabber-Evangelist Marshall
  Burns eine TV-Werbung von UPS aus dem Jahr 2000 als anschauliche
  Darstellung künftiger Herstellungsverfahren an. In dem Spot
  bestellt ein Junge einen Football auf einem Heim-PC über das
  Internet. Erwartungsvoll richtet sich sein Blick daraufhin auf
  den angeschlossenen Drucker. Aus ihm ploppt das begehrte
  Spielzeug dann auch nach kurzer Zeit regelrecht heraus in die
  Arme des fangbereiten Nachwuchssportlers. Sicherlich kommt darin
  ein Traum aller RP-Visionäre wortwörtlich zum Ausdruck. Doch das
  Szenario direkt aufs Fabbing zu übertragen geht an der weniger
  glorreichen Theorie und Praxis des Rapid Manufacturing vorbei.
  UPS dürfte sich selbst wohl auch kaum für eine derartige
  Interpretation begeistern, da der Burns'sche Haushalt-Fabrikator
  mit seinem unterirdischen Zuliefersystem klassische
  Zustelldienste in Existenznöte bringen würde. Der Firma ging es
  vielmehr darum, für ihre schnelle Beförderung von online
  bestellten Waren zu werben. Tragisch trotzdem, dass sie mit dem
  Spot ungewollterweise ihrer eigenen Abschaffung das Wort redete.
  
Wie funktionieren die Rapid-Verfahren also tatsächlich? Der
  Begriff Rapid Prototyping stammt aus der Software-Entwicklung, wo
  er Mitte der 1980er entwickelt wurde und 1990 erstmals in einem
  Buchtitel auftaucht. In diesem Umfeld dient RP dazu, die
  Machbarkeit und die Dauer eines Projekts einzuschätzen. Rasch
  fasste das eingängige Schlagwort auch im Ingenieurwesen Fuß und
  wurde auf die Herstellung von Musterbauteilen ausgehend von
  elektronischen Konstruktionsdaten übertragen. Heute gilt RP als
  Sammelbegriff für eine Reihe unterschiedlicher neuer
  Fertigungsverfahren, um Werkstücke möglichst rasch und
  automatisch aufzubauen. Die ersten RP-Methoden hatten das Ziel,
  Anschauungsmodelle zu erzeugen. Mittlerweile wird die ganze
  Palette der Entwicklungsstufen abgedeckt. Sie reicht von
  Proportions-, Ergonomie-, Design- und Funktionsstudien über
  Prototypen mit Gebrauchseigenschaften und Werkzeugen (Rapid
  Tooling) bis hin zu funktionstüchtigen Bauteilen oder gar
  Endprodukten beim Rapid Manufacturing.
Drei Szenarien.
Wie wird sich die Zukunft der Rapid-Technologien gestalten? Wie wahrscheinlich ist die Entwicklung vom Rapid Prototyping zum Personal Fabricator? Grundsätzlich sind drei Kern-Szenarien denkbar, die wiederum in unterschiedlichen Varianten adaptiert werden können.
Das Industrie-Szenario. In diesem Ausblick bleiben Rapid-Techniken auf die industrielle Anwendung beschränkt. So, wie heute niemand auf die Idee kommen würde, sich etwa ein Fließband aus der Fabrik zu Hause zu installieren, werden sich auch RP-Maschinen keinen Platz im digitalen Heim der Zukunft erobern. Stattdessen werden die Hersteller auf der einen Seite die Techniken und Prozesse der RP-Systeme immer weiter verfeinern und verstärkt für die Fertigung qualitativ hochwertiger Endprodukte hochrüsten. Da dafür nach wie vor weite Sprünge bei der Verbesserung der Verfahren und Materialien notwendig sind, bleibt in diesem High-End-Bereich kein Raum für Kostensenkungen. Nur Konzerne werden weiterhin in der Lage sein, die teuren Fabrikanlagen zu erwerben. Gleichzeitig werden Low-End-Systeme wie 3-D-Drucker allerdings langsam günstiger. Für Ingenieur- und Architektenbüros sowie Medizinlabors bieten sich somit erschwingliche Alternativen, die allerdings nicht an die Genauigkeit der teuren RP-Boliden heranreichen. Reines Virtual Prototyping wird sich nicht durchsetzen, das Verlangen nach dem haptischen Moment in der industriellen Fertigung stark bleiben.
  Das 
  Kinko-Szenario. Dieses Modell trägt seinen Namen nach der
  riesigen Copyshop-Kette in den USA gleichen Namens. Die
  Kinko-Shops bieten schon heute eine Reihe von Dienstleistungen,
  die vom reinen Kopieren über die Nutzung von Computern für
  Fachanwendungen und das Ausdrucken von digitalen Dateien reicht.
  Nichts liegt gedanklich näher, als dass die McDonald's im Kopier-
  und Printing-Business künftig auch 3-D-Drucker bereithalten und
  das Fabrizieren von Bau- und Werkteilen - eventuell nach im Laden
  verfügbaren Datei-Vorlagen - zu einem relativ niedrigen Preis
  erlauben. An 3-D-Scannern können Kunden zudem Gegenstände
  einlesen, im CAD-Programm am gemieteten Rechner verändern und auf
  den RP-Systemen ausdrucken. Natürlich steht es ihnen auch frei,
  eigene STL-Dateien mitzubringen und im Laden zu materialisieren.
  
Das Kinko-Szenario gliedert sich am unteren und am oberen
  Ende in mehrere Untergruppen auf. Von der Produktqualität und dem
  Preis her gesehen am niedrigsten liegen die 
  Points of Fab (POFs). Sie sehen in etwa aus wie heutige
  multimediale Informations-Kiosksysteme beziehungsweise Points of
  Information (POIs), Geldautomaten oder Telefonzellen und sind wie
  diese über den gesamten städtischen Raum verteilt. Der
  Verbraucher benutzt den POF als "virtuelles Kaufhaus in a Box"
  mit realem Output: Wie in einem E-Commerce-Portal sucht er das
  passende Produkt aus einem vorgegebenen Sortiment fabbarer
  Gegenstände aus oder nimmt kundenindividuelle Anpassungen vor. Je
  nach Waren-Typ kann man die Ware sofort mitnehmen. Oder man
  "versendet" den Auftrag an einen anderen POF, an dem man später
  noch vorbeikommt. Alternativ ist natürlich vorstellbar, dass man
  den Fab-Befehl vom heimischen Rechner, vom Mobiltelefon oder vom
  PDA aus startet und das erwünschte Teil dann an einem
  ausgesuchten POF abholt. Ähnlich wie bei zentralen Lagerstätten
  für die Abholung von online bestellten Shopping-Artikeln werden
  die Fabrikate auch beim POF in einzelnen Schließfächern parat
  gehalten, die sich nur mit einem individuellen Code oder über ein
  Biometriesystem öffnen lassen.
  
Verständlicherweise kommen bei einem POF - schon allein aus
  Vandalismus-Vorsorge - nicht die teuersten
  Stereolithographie-Geräte zum Einsatz. Auch im Fab-bereiten
  Copyshop finden sich eher halbwegs preisgünstige Inkjet-Systeme,
  keine Highend-Geräte. Wer Wert legt auf ein oberflächengenaues
  und weitgehend makelreines Bauteil, Werkzeug oder Endprodukt,
  muss sich an professionelle 
  Fab-Center oder 
  Technofakturen mit so genannten 
  Local Units of Fabrication (LUFs) wenden. Dahinter
  verbergen sich RP-Systeme der höchsten Qualitätsstufe, also vor
  allem Stereolithographie-Maschinen. Sie sind am ehesten mit den
  bereits heute verfügbaren Service-Centern zu vergleichen und
  bieten eine große Produktpalette samt Beratung. Für diverse
  Einzelhandelsketten bietet es sich auch an, LUFs in das eigene
  Ladenkonzept zu integrieren, insbesondere bei der Vermarktung
  individuell angepasster Produkte. Der persönliche Laufschuh etwa
  wird dann gleich beim Kauf vor Ort fabriziert; der Kunde kann ihn
  nach kurzer Zeit mitnehmen.
  
Alle diese unter dem Kinko-Szenario zusammengefassten
  Modelle gehen davon aus, dass sich mit dem Fortschreiten der
  RP-Technik ein indirekter Verbrauchermarkt für das Fabbing
  entwickelt.
  Das 
  Heim-Szenario. Erst hier kommt der eigentliche Personal
  Fabricator zum Zuge. Allerdings handelt es sich auch um das
  gewagteste Szenario. Brock Hinzmann stellt in seinem frühen
  Aufsatz über den PF klar: "Es geht davon aus, dass die Kosten,
  die Bedienungsfreundlichkeit und die nachgeordneten
  Infrastrukturen der heutigen RP-Maschinen sich bis zu einem Punkt
  hin entwickeln, an dem der durchschnittliche Verbraucher ein
  solches Gerät für den Heimgebrauch will, es sich leisten und es
  so bedienen kann, dass es eine persönliche Fabrik darstellt und
  sämtliche physikalischen 3-D-Strukturen fabrizieren kann."
  Zahlreiche Bedingungen - synergetische Techniken, Versorgungswege
  und Marktfaktoren insbesondere - müssen dafür zusammenkommen, was
  nach Ansicht der meisten Experten frühestens in 20 Jahren der
  Fall sein wird. So ist es beispielsweise mit der Anschaffung
  eines Fabbers und der dazugehörigen Materialien nicht getan. Um
  den vollen Nutzen aus dem Investitionsgut zu ziehen, wird neben
  einem leistungsstarken Rechner unter anderem ein 3-D-Scanner
  benötigt. Dabei handelt es sich momentan ebenfalls keineswegs um
  Konsumgüter und es ist momentan nicht vorhersehbar, ob sich die
  Technik überhaupt entsprechend entwickelt.
  
Zudem könnte sich bei aller theoretischen Wünschbarkeit
  eines PF der praktische Nutzen doch als relativ begrenzt
  herausstellen. So viel kann im Haushalt gar nicht zu Bruch gehen,
  als dass man einen Fabber tatsächlich sinnvoll einsetzen könnte,
  unken Skeptiker. Und die im Haushalt allen
  Individualisierungsansätzen zum Trotz auch künftig relativ stark
  zum Einsatz kommenden Massenartikel könne man im Super- oder
  Heimwerkermarkt um die Ecke immer billiger kaufen, als sie zu
  Hause anzufertigen. Nicht bedacht werden von den Gegnern des
  Heimszenarios allerdings der Spieltrieb und die kreative
  Schaffensfreude der Menschen.
Die Fabbing Society kommt - so oder so.
  Selbst wenn der Personal Fabricator
  sich nicht durchsetzen sollte, dürfte künftig eine mehr oder
  weniger dichte Infrastruktur fürs Fabbing zur Verfügung stehen.
  Von schier ubiquitären 
  Points of Fab bis zu 
  Local Units of Fabrication in eher spezialisierten
  Technofakturen reicht hier die Bandbreite der denkbaren Lösungen.
  Eine Dienstleistungsindustrie wird entstehen, die das einfache
  und rasche Fabrizieren materieller Gegenstände auf der Basis von
  Design-Dateien aus dem Computer ermöglicht. Ein zumindest
  indirekter Verbrauchermarkt steht der Rapid-Prototyping-
  beziehungsweise Fabber-Industrie damit offen. Es wird noch eine
  ganze Weile dauern, bis der Prosument sich etwa sein verloren
  gegangenes Netzteil in einem Fabbing-Center nachbaut. Und den
  Plastikstuhl für den Balkon wird er vermutlich immer im Baumarkt
  oder im Möbelgeschäft billiger und schneller bekommen. Die
  "antike" Kommode mit Sammlerwert wird Fabbern zudem wohl stets
  vorenthalten bleiben. Doch das individualisierte Telefonbauteil,
  der Maßanzug oder die ans Wohnumfeld optimal angepasste
  Design-Lampe werden aus dem 3-D-Printer kommen.
  
Im industriellen Bereich zeichnet sich vorab bereits die
  weitere Verlagerung der Produktion in dezentrale Minifabriken ab,
  um kundennah Mass Customization erschwinglich anbieten zu können.
  Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing werden dabei die
  entscheidende Rolle spielen, um die Anpassung der Güter an die
  individuellen Kundenwünsche innerhalb möglichst kurzer Zeit
  durchzuführen. Aus der Medizin sind RP-Verfahren schon heute kaum
  noch wegzudenken. Sie dienen der Fabrikation von Prothesen
  genauso wie der Erstellung von Operationsmodellen. Auch
  Architektur und die eigentliche Designwelt schwören verstärkt auf
  die additiv-generative Fertigung von Modellen und Produkten. Die
  RP-Technik zum Hausbau befindet sich mitten in der
  Serienentwicklung.
  
Den Rapid-Verfahren und dem Fabbing steht so eine große
  Zukunft bevor - unabhängig davon, ob sie direkt in die Hände
  einer Vielzahl von sich zu Prosumenten wandelnden Verbrauchern
  fällt. Die Fabbing Society kommt - ob in Form einer
  Dienstleistungsindustrie oder in ihrer Ausgestaltung mit Fabbern
  im Heimbereich ist letztlich eine Geschmacksfrage. Wenn der Homo
  Fabber sich nicht selbst künftig das neue Getriebe seines
  Fahrzeugs aus dem Netz lädt und ausdruckt, so wird dies zumindest
  die Werkstatt oder die Zubehörfirma tun und in den Wagen
  einbauen. Das wochenlange Warten auf die Lieferung von
  Ersatzteilen ist passé.
  
  Andreas Neef / Klaus Burmeister / Stefan Krempl:
  
  Vom Personal Computer zum Personal Fabricator,
  
Murmann Verlag, Hamburg 2005,
  
140 Seiten, 35 Euro,
  
ISBN 3-938017-39-2
  
 
  www.murmann-verlag.de
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Andreas Neef / Klaus Burmeister / Stefan Krempl: Vom Personal Computer zum Personal Fabricator. . Murmann Verlag, Hamburg 1900, 140 Seiten, ISBN 3-938017-39-2
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Klaus BurmeisterKlaus Burmeister ist Gründer und Managing Partner von Z_punkt The Foresight Company.
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Andreas NeefAndreas Neef ist Managing Partner von Z_punkt.



