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Genug für alle
Ernährung sichern - weltweit - das neue Buch von Franz-Theo Gottwald und Franz Fischler.
Von Florian Michl
Ernährung, Erholung, Wasser, Energie. Landwirtschaft erfüllt heute vielfältige Bedürfnisse. Und sie kann diesen Ansprüchen auch gerecht werden - sofern es gelingt, die weltweite Verteilungsfrage zu lösen. Denn grundsätzlich ist genug für alle da. Die Lösung liegt in einer ökosozialen Marktwirtschaft, sagen die Autoren eines aktuellen Buches zum Thema. / 19.02.08
Gottwals/Fischler CoverWir essen gerne gesund, biologisch angebaute Vollwertkost am liebsten. Sitzen im Schatten einer Eiche, sehen den Kirchturm, den glitzernden See. So lassen sich die Bedürfnisse eines wachsenden Teils der Bevölkerung umschreiben. Ernährung, Erholung, Wasser und Energie - sie "werden für eine lebenswerte Zukunft aller Menschen immer wichtiger", schreibt der frühere österreichische Landwirtschaftsminister Josef Riegler, der vor rund 20 Jahren den Begriff der ökosozialen Marktwirtschaft geprägt hat, im Geleitwort des Buches Ernährung sichern - weltweit. Und benennt damit zugleich die vier "Kernkompetenzen" einer multifunktionalen Landwirtschaft. Diese ist mehr als bloßer Nahrungsmittellieferant - sie ist Teil unserer Kultur und Identität. Und als naturnaher Sektor nimmt sie eine Schlüsselrolle in einer Zeit ein, in der schmelzende Gletscher und der drohende Klimawandel mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.
"Dabei geht es nur am Rande um die Frage, ob in den deutschen Weinanbaugebieten in Zukunft eher schwere Rot- als leichte Weißweine wachsen werden", so Franz-Theo Gottwald, Professor an der Humboldt-Universität Berlin. Vielmehr gehe es darum, die wachsenden und zunehmend miteinander verwobenen Probleme der globalen Erwärmung, der Welternährung und des Erhalts der natürlichen Ressourcen zu lösen. In dem vorliegenden Buch sucht Gottwald zusammen mit Franz Fischler, dem ehemaligen Agrarkommissar der EU, und unterstützt von Wissenschaftlern und Experten nach Antworten auf diese Probleme. Herausgekommen ist ein facettenreiches Bild der globalen Land- und Forstwirtschaft und ihrer Akteure: von Staaten wie China, Staatengemeinschaften wie der EU über globale Konzerne wie Cargill, ADM und Bunge, die beispielsweise 80 Prozent des internationalen Handels mit Getreide und Ölsaaten kontrollieren, bis zum Kleinbauern.

Sackgasse Biodiesel.


Die Landwirtschaft ist aber nicht allein Opfer des Klimawandels, sondern auch Täter - ihr Beitrag zu den globalen Treibhausgas-Emissionen beträgt 30 Prozent. "Sie ist damit der Sektor, der am stärksten zum Treibhauseffekt beiträgt - noch stärker als Industrie, Verkehr, und Energieerzeugung", sagt Gottwald. Und ergänzt: "Kohlendioxid wird dabei vor allem durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen, den Betrieb von Gewächshäusern und die durch Spezialisierung und wachsenden internationalen Handel immer länger werdenden Transportwege emittiert." Treibstoffe auf Pflanzenbasis sind dabei auch keine Lösung: Der Anbau von Energiepflanzen wie Mais, Raps und Zuckerrohr erfolgt bereits überwiegend - und mit weiter zunehmender Tendenz - in hochintensiven Monokulturen mit einem entsprechend starken Maschinen- und Düngermitteleinsatz. Die Folge: Treibhausgase. "Neueste Berechnungen des Chemie-Nobelpreisträgers Paul Crutzen deuten sogar auf eine insgesamt negative Klimabilanz für aus Raps gewonnenen Agrodiesel", schreibt Gottwald. Zudem könne die Produktion von Energiepflanzen auf Böden, die auch zur Nahrungsproduktion geeignet sind, kein langfristig tragfähiger Ansatz sein. Denn bei einem Anstieg der Weltbevölkerung auf neun Milliarden bis zum Jahr 2050 droht Nahrung weltweit zu einem Engpass zu werden.

Die unsichtbare Hand.


Das aber muss nicht sein. Hungern müsste eigentlich keiner auf der Welt, sagt Franz Josef Radermacher, Vizepräsident des Ökosozialen Forums Europa, in seinem Beitrag. Denn die globale landwirtschaftliche Produktion ist ausreichend - auch bei einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen. Die Lösung liegt also in der geschickten Verteilung. Das ist das Ziel der Global Marshall Plan Initiative. Sie gibt eine Antwort auf die Frage, wie wir das Verteilungsproblem bezüglich des erzeugten Wohlstandes und damit indirekt auch das Verteilungsproblem bei den Ressourcenzugriffen lösen. "Dieser Ansatz kombiniert in geschickter Weise Effektivitätsfragen, durchgesetzt über Rahmenbedingungen der Wirtschaft, mit Effizienz, durchgesetzt über Wettbewerb unter Rahmenbedingungen. Die Rahmenbedingungen weisen dem Wettbewerb die Richtung - eine funktionierende 'unsichtbare Hand' im Sinne von Adam Smith." Hinzu kommen strikter Umweltschutz und die substanzielle Besteuerung von Gewinnen zugunsten der Finanzierung sozialer Anliegen, wie eine gute Bildung für alle. In Summe, so Radermacher, ergibt das eine ökosoziale Marktwirtschaft, wie sie bereits in Europa zu großen Teilen umgesetzt sei. Sein Fazit: "Ob weltweit etwas Ähnliches gelingen wird oder ob eine falsch laufende Globalisierung letztlich das in der reichen Welt Erreichte aushebeln wird, ist die entscheidende Frage für die Bestimmung unserer Zukunft in einer vergleichsweise chaotischen Situation."

Florian Michl ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Franz-Theo Gottwald / Franz Fischler (Hrsg.):
Ernährung sichern - weltweit.
Ökosoziale Gestaltungsperspektiven.

Murmann Verlag, Hamburg 2007,
272 Seiten, 18 Euro.
ISBN 978-3-86774-030-2
www.murmann-verlag.de

© changeX Partnerforum [19.02.2008] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.


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: Ernährung sichern - weltweit. Ökosoziale Gestaltungsperspektiven. Murmann Verlag, Hamburg 2007, 272 Seiten, ISBN 978-3-86774-030-2

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Autor

Florian Michl
Michl

Florian Michl schreibt als freier Autor für changeX.

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