Flugsimulator fürs Gehirn
Was bleibt. Wie die richtige Story Ihre Werbung unwiderstehlich macht - das neue Buch von Chip und Dan Heath.
Von Sigmar von Blanckenburg
Wie vermittelt man Ideen so, dass sie hängen bleiben? Zwei amerikanische Forscher sagen: Um einprägsam zu sein, müssen Ideen einfach, unerwartet, konkret, glaubwürdig und emotional sein. Und sie wirken am besten, wenn man sie in eine Geschichte verpackt. Denn Geschichten sind eine Art Flugsimulator fürs Gehirn: Medium für Testflüge in neue Wirklichkeiten. / 20.06.08
Heath CoverEs waren einmal zwei Brüder, die sammelten Geschichten. Nein, gemeint sind nicht die Gebrüder Grimm. In unserem Fall handelt es sich um die Brüder Chip und Dan Heath. Der eine ist Unternehmensberater und Mitgründer eines Lehrbuchverlags namens Thinkwell, der andere Professor für Organizational Behavior an der Stanford University. Beide beschäftigen sich seit Langem schon mit der Frage, was Ideen einprägsam macht und dafür sorgt, dass sie im Gedächtnis haften bleiben. Ihre Antwort: Ideen müssen einfach, unerwartet, konkret, glaubwürdig und emotional sein. Und sie wirken am besten, wenn sie in einer Geschichte vermittelt werden. Aus Geschichten lernen wir am besten, denn die Grenze zwischen den Protagonisten einer Geschichte und dem Publikum ist in Wirklichkeit fließend. Chip und Dan Heath formulieren es so: "Geschichten sind Flugsimulatoren für das Gehirn." In Form von Geschichten simuliert unser Gehirn Testflüge in neue Wirklichkeiten.

Auf den Mond und wieder zurück!


Wie solche Simulationen aussehen können, zeigt das Beispiel John F. Kennedy: Kennedy hätte nach seinem Amtsantritt 1960 sagen können, die Mission der USA bestehe darin, "zum internationalen Führer in der Raumfahrt aufzusteigen, und zwar mit einem Maximum an teamorientierten Innovationen und strategisch ausgerichteten Luft-Raumfahrt-Initiativen". Stattdessen drückte er denselben Sachverhalt so aus: "Die USA werden bis zum Ende des Jahrzehnts einen Mann auf den Mond schicken und ihn sicher wieder zurückbringen." Mit dieser kleinen Geschichte hat Kennedy, so die Autoren, "ein Jahrzehnt lang das Handeln von Millionen Menschen" motiviert. Sein Satz wies alle Strukturmerkmale einer einprägsamen Idee auf: Er war einfach formuliert, kam unerwartet, war sehr konkret, wirkte glaubwürdig, sprach die Gefühle der Amerikaner an und war in einer kleinen Geschichte verpackt. Nach den Forschungen von Heath/Heath eine perfekte Idee.
Gute Ideenvermittlung praktizierte auch der Inhaber einer sehr erfolgreichen Lokalzeitung in den USA, der seinen Redakteuren und Fotografen für ihre tägliche Arbeit das einfache Leitmotiv "Namen, Namen und nochmals Namen" eintrichterte. Die Leser sollten sich und ihre Nachbarn in ihrer Lokalzeitung wiedererkennen. So wussten die Mitarbeiter im Zweifelsfall immer, dass der Name des unbeteiligten Zeugen am Straßenrand wichtiger war als der genaue Hergang des Unfalls, ein Foto des Stadtdirektors wichtiger als eines vom schönen Sonnenuntergang im Stadtpark. Um seine Botschaft noch mehr herauszustellen und sie in den Gehirnen seiner Mitarbeiter zu verankern, scheute der Verleger auch vor maßlosen Übertreibungen nicht zurück: "Wenn ich könnte, würde ich Telefonbücher drucken." Mit dieser Übertreibung durchbrach er die Erwartungen des gesunden Menschenverstandes - und machte dadurch seine Botschaft noch einprägsamer. Der gesunde Menschenverstand ist nämlich "der Feind einer einprägsamen Botschaft", so die Autoren. Der Mensch kann sich Dinge besser merken, die sich nicht gleich einordnen lassen.

Ideen aufspüren!


Die Beispiele zeigen tröstlicherweise auch, dass Kreativität und gute Ideen nicht im luftleeren Raum entstehen: Chip und Dan Heath meinen, "dass wir eine einprägsame Idee nicht eigens kreieren müssen. Oft ist es einfacher und praktikabler, sie aufzuspüren." So wie der Chef einer Werbeagentur den Studenten Jared aufspürte, der durch eine selbst ausgetüftelte Subway-Diät mehr als die Hälfte seines Übergewichts verloren hatte. Kein Marketing Director hätte diese Story erfinden können - wahrscheinlich hätte er sie selbst für unglaubwürdig gehalten. So reagierte wohl auch das Subway-Management. Weil dieses den Wert dieser Marketing-Idee nicht erkannte, produzierte der Werber die Geschichte von Jared zunächst auf eigene Kosten. Schließlich aber trug der Einsatz dieser realen Geschichte in der Subway-Werbung maßgeblich zum Erfolg der Kette in den USA bei. Auch hier handelt es sich wieder um eine einfache, emotionale Geschichte mit sehr konkretem und anschaulichem Inhalt. Eine Geschichte zudem, wie man sie von einer Fast-Food-Kette so nicht erwartet hätte.
Da die Brüder Heath ihr Buch nach den sechs Strukturprinzipien einer guten Idee gliedern, findet man sich in der Fülle der Beispiele immer gut zurecht. Sie fördern lauter interessante Ergebnisse zutage, die zwar nicht alle neu sind. Aber man freut sich, diese Erkenntnisse und dieses Buch aufgespürt zu haben. Die eingangs zitierte Erkenntnis, dass die Grenze zwischen den Protagonisten und dem Publikum einer Geschichte fließend sei, hatte übrigens der Schriftsteller Ludwig Tieck vor 200 Jahren auch schon. In seinem Stück Der gestiefelte Kater entsteht heillose Verwirrung darüber, wo denn nun eigentlich die Bühne und wo das Publikum ist. Weder Zuschauer noch Protagonisten können noch zwischen Wirklichkeit und Simulation unterscheiden - eigentlich trifft das auch unsere heutige Situation recht gut. Richtig populär wurde die Geschichte übrigens erst später als Märchen, herausgegeben von - na, den Brüdern Grimm!

Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Chip Heath / Dan Heath:
Was bleibt.
Wie die richtige Story Ihre Werbung
unwiderstehlich macht.

Carl Hanser Verlag, München 2008,
328 Seiten, 24.90 Euro.
ISBN 978-3-446-41324-5
www.hanser.de

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: Was bleibt. . Wie die richtige Story Ihre Werbung unwiderstehlich macht. . Carl Hanser Verlag, München 1900, 328 Seiten, ISBN 978-3-446-41324-5

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Sigmar von Blanckenburg

Sigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.

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