Trügerische Nähe
Seminarbericht: Interkulturelles Training USA.
Die wenigsten Deutschen bereiten sich gründlich auf ihren beruflichen Aufenthalt in den Staaten vor. Für Emily Slate, Expertin für Interkulturelle Kommunikation von Siemens Business Services, Learning, ein schwer wiegendes Versäumnis. Denn es gibt kaum jemanden, der keine Startschwierigkeiten hat. "American way of life" - ohne gezieltes Training kann dieser Traum schnell zerplatzen.
  Endlich: Der Antrag ist durch. Den
  zwei Jahren USA steht nichts mehr im Wege. In wenigen Monaten
  geht es los. San Francisco - hört sich toll an. Nach
  Blumenkindern, Liebesrevolution und viktorianischen Villen. Und
  die Amerikaner sollen auch ganz nett sein. Manchmal vielleicht zu
  nett. Aber es wird schon klappen, oder?
  
Interkulturelles Training ist für die wenigsten Deutschen,
  die beruflich in die Vereinigten Staaten ziehen, ein Thema. Zu
  vertraut erscheint ihnen die amerikanische Kultur. Die Deutschen
  lieben Robert Redford und Sharon Stone. Die Soaps 
  Ally McBeal und 
  Sex and the City feiern hier zu Lande große Erfolge. Dabei
  wird allzu oft vergessen: Die Kino- und Fernseh-Produktionen
  werden für den deutschen Markt synchronisiert und
  zurechtgestutzt. Die amerikanische Welt erscheint der unseren
  ähnlicher, als sie in Wirklichkeit ist.
Überraschend viele brechen vorzeitig ihre Zelte ab.
Emily Slate, Seminarleiterin für Interkulturelles Training bei Siemens Business Services, Learning, sieht in dieser vermeintlichen Nähe die Ursache vieler Probleme. So manche kehren vorzeitig von ihrem Auslandsaufenthalt zurück. Angeblich, weil ihre Partner mit dem amerikanischen "way of life" nicht zurechtkamen. Doch Slate weiß aus eigener Erfahrung: Es gibt selten Deutsche, die mit ihren amerikanischen Kollegen keine Probleme haben. Und diese Probleme können Projekterfolge maßgeblich beeinträchtigen. Zum Beispiel wenn es darum geht, eine deutsche Niederlassung in den Staaten zu gründen - oder ganz einfach: mit amerikanischen Partnern zu verhandeln. "Auf Messen zählt der erste Eindruck", so eine Seminarteilnehmerin. "Wenn wir es nicht schaffen, den amerikanischen Kunden richtig anzusprechen und ihm Interesse zu signalisieren, ist das Geschäft gelaufen. Dabei ist die Sprache nicht so sehr das Problem. Oft entscheiden kleinste Gesten über Erfolg und Misserfolg." Aus diesem Grund bietet Siemens Business Services, Learning seit einigen Jahren Seminare und Coachings zum Thema "Interkulturelles Training USA" an. Denn auch wenn es vielen Deutschen nicht bewusst ist: "Die Amerikaner", so Slate, "haben ein komplett anderes Wertegefüge."
Konträre Wertvorstellungen.
Beispiel Natur: Während die Deutschen im Vergleich zu anderen Ländern ein inniges Verhältnis zur Natur pflegen, in der Schule Brentano und Eichendorff lesen und Umweltschutz für erstrebenswert halten, haben Amerikaner eine andere Beziehung zur Natur. Als Siedler mussten sie gegen die Natur kämpfen, sie beherrschen und zum Teil zerstören. Nur so konnten sie das riesige Land bezwingen und ihr Überleben sichern. Auch deswegen haben Amerikaner eine andere Einstellung zu Gentechnologie, Lebensmittelindustrie und selbst Schönheitsoperationen als wir. Während Deutsche peinlich auf Lebensmittel-Prädikate wie "hundertprozentig naturbelassen", "ohne künstliche Zusatzstoffe" oder "rechtsdrehende, probiotische Aminosäuren" achten, greifen Amerikaner eher zu kalorienreduzierten synthetischen Produkten. Und während in Krankheitsfällen viele Deutsche es zunächst mit natürlichen Heilmethoden versuchen, vertrauen die meisten Amerikaner eher der konventionellen Schulmedizin. An amerikanischen Krankenhäusern wird viel früher und radikaler operiert - man versucht, die Natur zu bewältigen.
Desinteressiert und abweisend.
  Zweites Beispiel: nonverbale
  Kommunikation. Slate bittet die Seminarteilnehmer, sich einen
  Partner zu suchen. Der eine erhält einen roten Zettel, der andere
  einen weißen. Auf dem roten Zettel steht: "Sprechen Sie mit Ihrem
  Gegenüber über ein Thema, das Sie besonders fasziniert, das Ihnen
  am Herzen liegt." Auf dem weißen Zettel: "Hören Sie zu, antworten
  Sie, wenn Sie gefragt werden, doch zeigen Sie keine Regung."
  Resultat nach fünf Minuten: Die "Roten" sind "frustriert", fühlen
  sich "wie vor den Kopf gestoßen", "demotiviert", "ausgebremst".
  Slate: "So fühlen wir Amerikaner uns permanent, wenn wir uns mit
  Deutschen unterhalten. Es wird kaum gelächelt, der Rücken ist
  steif, die Arme sind vor der Brust verschränkt. Dieses Verhalten
  wirkt auf uns desinteressiert und abweisend." Das sei einer von
  vielen Gründen, die die Kommunikation zwischen Deutschen und
  Amerikanern erschweren und auf beiden Seiten Missverständnisse
  fördern. Fragt man Deutsche, die frisch aus den Staaten
  zurückgekehrt sind, nach ihren Erfahrungen mit amerikanischen
  Kollegen und Partnern, so ist die Antwort in der Regel positiv:
  "Die Amerikaner sind freundlich, der Umgang ist unkompliziert."
  Das amerikanische Urteil dagegen fällt äußerst kritisch aus: "Die
  deutschen Kollegen strahlen Arroganz aus. Teilweise bemühen sie
  sich kein bisschen, sich an amerikanische Arbeits- und
  Verhaltensweisen anzupassen."
  
Slate spult in ihren Seminaren kein starres Programm ab.
  Sie konzentriert sich auf ihre Seminarteilnehmer und geht auf
  deren Wünsche ein. Arbeiten im Team, Erwartungen an Kollegen und
  Vorgesetzte, Dienstleistungsbewusstsein,
  Kommunikationsstrategien, Planungs- und Entwicklungsprozesse -
  das sind nur einige der vielen Punkte, die Slate aufgreift und
  thematisiert. Wer sich noch intensiver mit der amerikanischen
  Kultur beschäftigen möchte, kann auch Einzel-Coachings buchen.
  Für sich, sein Team oder seine Familie.
Jede Kritik ist persönlich.
  Von den Amerikanern, so Slate,
  könnten sich Deutsche nur wenig Feedback erwarten. Denn
  Amerikaner würden Fremde für ihr Verhalten niemals kritisieren
  oder offen darauf ansprechen. Und das ist ein weiteres großes
  Problem. In Deutschland drückt man Kritik gern direkt aus, zudem
  gilt eine sachliche Kritik nicht als beleidigend. In Amerika wird
  jede Kritik persönlich genommen. Deswegen wird sie nur sehr
  vorsichtig geäußert - und ist somit für Deutsche schwer
  wahrnehmbar. Außer: Sie haben gelernt, die verbalen und
  nonverbalen Signale zu interpretieren. Diese spielen übrigens
  nicht nur im Beruf eine wichtige Rolle.
  
Typisches Beispiel: Nachbarschaftshilfe. Wer von seinem
  amerikanischen Nachbarn mit offenen Armen empfangen wird, hat
  keinen Freund fürs Leben gewonnen. Gegenseitige Hilfe und ein
  offenes Aufeinanderzugehen hat nichts mit Nähe zu tun, sondern
  war für die Amerikaner überlebenswichtig. Wieder ein Blick in die
  Geschichte: Die Erschließung des Westens hat bis 1890 gedauert,
  von den Anfängen der Kolonialzeit bis zu diesem Zeitpunkt waren
  Amerikaner ständig in Bewegung. "Sie waren Fremde in einer ihnen
  fremden Umgebung", so Slate, "und auf die Hilfe ihrer Nachbarn
  angewiesen."
Beobachten, lernen, anpassen.
Wie kann man sich also auf Aufenthalte in den Vereinigten Staaten vorbereiten? Natürlich gibt es einige Bücher zum Thema Interkulturelles Training USA. Darunter Paul Watzlawicks Gebrauchsanweisung für Amerika und Esther Wannings Kulturschock USA. Doch der Vorteil von Seminaren und Coaching liegt auf der Hand. In Rollenspielen erleben die Teilnehmer, wie Deutsche und Amerikaner einander wahrnehmen. Das ist sehr aufschluss- und hilfreich und zum Teil amüsant. Das gilt insbesondere für die nonverbale Kommunikation. Denn die lässt sich nun einmal theoretisch nur schwer vermitteln. Trotzdem sollte den beruflichen Emigranten eines klar sein: Gründliche Vorbereitung und Information, Wissen um Tipps und Tricks sind eine wichtige Voraussetzung. Aber mindestens genauso wichtig ist die innere Bereitschaft zu beobachten, zu lernen, sich einzulassen und anzupassen. Das kostet Kraft - aber ist letztlich ein großer Gewinn. Oder mit den Worten eines Seminarteilnehmers, der selbst einige Jahre in Kalifornien gelebt hat: "Auch wenn das ständige Strahlen uns aufgesetzt erscheinen mag. Die Amerikaner sind Fremden gegenüber tatsächlich freundlich, offen und ungezwungen - und in diesem Punkt können wir Deutsche noch einiges lernen."
  
  Siemens Business Services, Learning
  
 Dr. Christina Strobel
  
 Tel.: 089/636-47458
  
 Fax: 089/636-41335
  
 
  Christina.strobel@siemens.com
  
 
  www.siemens.com/learning
© changeX Partnerforum [12.04.2002] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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