Vom Mikrochip zum Nanochip

Ein Interview mit dem Infineon-Forscher Franz Kreupl.

Wer wie Infineon auch in Zukunft an der vordersten Front der Chipentwicklung mitmischen will, muss sich in die geheimnisvolle Welt der Nanotechnologie vorwagen. Dort gibt es ganz neue Materialien zu entdecken, die vielleicht einmal das Silizium ablösen könnten.


Immer kleiner und kleiner versuchen Chiphersteller die Strukturen auf Mikrochips zu machen. Doch irgendwann stößt man an natürliche Grenzen - und muss ganz neue Ansätze wagen. Bei Infineon beschäftigt sich eine Forschergruppe mit solchen Fragen und ganz besonders mit "Carbon Nanotubes", winzigen Kohlenstoff-Röhren, die einmal auf Mikrochips zum Einsatz kommen sollen. Dr. Franz Kreupl ist im Forschungsbereich Nanoprozesse Projektleiter von "Carbon Nanotubes".

Man hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel von Nanotechnologie gehört - von Nano-U-Booten, die einmal in den Adern fahren könnten, Mini-Kraftwerken und dergleichen mehr. Passiert ist wenig. Wie ist der Stand der Technik in diesem Bereich zur Zeit?
Wenn über dieses Thema geredet wird, beweisen manche eine Menge Fantasie. Das ist verständlich, denn man kann sich Nanotechnologie schwer vorstellen. Immerhin geht es dabei um Dinge, die ein Millionstel eines Millimeters groß sind. Von der Größe her verhält sich dabei ein Nanoteilchen zu einem Fußball ungefähr wie ein Fußball zur Erde. Nach meiner Einschätzung sind wir gerade erst dabei, die Natur in diesen winzigen Dimensionen zu begreifen und zu verstehen, wobei sie uns - vor allem auch in der Biologie - noch jede Menge Rätsel aufgibt. Wo vieles nicht bekannt ist, ist auch viel Raum für Spekulationen gegeben. Bis zu den erwähnten Nano-U-Booten wird es aber noch ein weiter mühsamer Weg sein.

In welcher Größenordnung bewegen sich die elektronischen Bauteile, die zur Zeit gebaut werden?
Im Moment sind wir bei elektronischen Bauteilen etwa im Bereich von 100 Nanometern. Das heißt, es passen schon jetzt mehr als 50 Millionen Transistoren auf einen Chip, der so groß ist wie ein Ein-Cent-Stück. Bei Forschungsbauteilen nähern wir uns bereits 10 Nanometern. Für einen Halbleiterhersteller ist es wichtig zu verstehen, was in dieser Größenordnung passiert, was für physikalische Gesetze eigentlich gelten. Es treten ganz neue Effekte zu Tage, die wir versuchen zu erkennen, zu verstehen und zu beherrschen. Es kann durchaus sein, dass diese Effekte neue Produkte möglich machen werden - zum Beispiel Mikrochips, die weniger Energie verbrauchen und schneller schalten. Das erforschen wir zur Zeit.

Es ist nicht ganz leicht, die Bauteile immer weiter zu verkleinern. An welche Grenzen stößt man dabei?
Leider stößt man dabei laufend an Grenzen. Ein Problem ist zum Beispiel die Lithographie. Das ist das Verfahren, mit dem man die feinen Strukturen in das Silizium ätzt. Je kleiner die Strukturen auf dem Chip, desto aufwendiger wird das Verfahren.
Eine weitere sehr wichtige Grenze ist die Dicke des Isoliermaterials in den Transistoren, den Bestandteilen jedes Chips. Diese Schicht lässt sich nicht beliebig dünn machen, sonst schaffen es Elektronen, die Isolierung zu überwinden. Das heißt, elektrische Impulse können von einer Leiterbahn zur anderen überspringen, es gibt sozusagen "Kurzschlüsse".
Weiterhin macht es in dieser Dimension etwas aus, ob ein Transistor aus 300 gleichen Atomen oder aus 300 Atomen plus einem Fremdatom besteht. Bei großen, herkömmlichen Transistoren ist das egal.

Kann die Nanotechnologie diese Probleme lösen helfen?
Ja und nein zugleich. Wenn sich auf einem Weg physikalische Barrieren ergeben, dann sind diese quasi Naturgesetz und somit unüberwindlich. Aber man hat die Freiheit, nach Alternativen zu suchen. Zum Beispiel kann man sich fragen, ob es nicht sinnvollere Wege gibt, solch kleine funktionelle Einheiten herzustellen. Ich denke dabei an Selbstorganisationsphänomene, wie wir sie in der Natur beobachten können. Das würde uns zumindest zum Teil von der aufwendigen Lithographie-Methode befreien. Wir müssen uns in der Halbleiterindustrie fragen, wie wir unsere Produkte verbessern und effizienter machen können, wo wir dem Kunden einen neuen Nutzen verschaffen können. Unter solchen Gesichtspunkten erforschen und screenen wir, was sich in der Nanotechnologie tut. In letzter Zeit widmen wir uns zum Beispiel dem vielversprechenden Thema Carbon Nanotubes.

Was sind Carbon Nanotubes?
Sie sind eine Erscheinungsform des Kohlenstoffs, der ja zum Beispiel als Graphit oder Diamant in der Natur vorkommt. Eine Nanotube können Sie sich als hohlen, wabenartig aufgebauten Zylinder vorstellen, der aus einer hauchdünnen Graphitschicht besteht. Er hat einen Durchmesser von 0,4 bis 30 Nanometern, kann aber sogar einige Millimeter lang werden. Nanotubes haben hervorragende Eigenschaften. Sie halten zum Beispiel um den Faktor 1.000 mehr Strom aus wie ein gleich dicker Kupferdraht, bevor sie schmelzen. Das ist möglich, weil sie den Strom über gewisse Strecken ohne Widerstand transportieren. Außerdem sind sie sehr robust und halten hohe Temperaturen aus. Nanotubes sind entweder metallisch oder halb leitend ...

Sie können beides sein?! Normalerweise ist etwas doch ein Metall oder ein Halbleiter wie Silizium ...
Ja, das ist das erstaunliche. Man kann sie in beiden Formen herstellen, es hängt davon ab, wie man diese Nanotubes "aufrollt". Es sieht so aus, als könne man mit ihnen in Zukunft Kohlenstoff-Chips bauen, die den herkömmlichen Silizium-Chip bei weitem übertreffen.

Wie kann man diese Bauteile überhaupt noch sehen?
Das ist in der Tat gar nicht so einfach. Unter einem gewöhnlichen Mikroskop wären sie nicht sichtbar, denn normales Licht hat eine zu große Wellenlänge, um diese winzigen Teilchen erfassen zu können. Mit einem Elektronenmikroskop sieht man schon besser und erst vor 20 Jahren ist nach großen Anstrengungen ein Gerät erfunden worden, mit dem man überhaupt auf atomarem Maßstab arbeiten kann: das Rastertunnelmikroskop und sein Nachfolger das Rasterkraftmikroskop. Es bringt eine sehr spitze Nadel ganz nah an den Gegenstand und tastet ihn mit Hilfe eines Elektronenstroms oder der resultierenden Kraft ab. Wir in unserer Forschergruppe kontrollieren unsere Arbeitsfortschritte mit Hilfe eines solchen "Auges".

Erstaunlich. Was für Experimente machen Sie mit diesen Tubes?
Wir versuchen zur Zeit, diese Nanotubes genau an der gewünschten Stelle auf einer Siliziumscheibe, dem so genannten Wafer, wachsen zu lassen. Das funktioniert so: Man gibt ein Katalysatormaterial, das Eisen, Nickel oder Kobalt enthält, auf das Silizium und schiebt das Ganze in einen Spezialofen. Bei den richtigen Temperatur- und Gasverhältnissen wächst aus diesen Metallpartikeln, die eine ganz bestimmte Größe haben müssen, wie durch Zauberhand eine Nanotube heraus, ohne dass man einen aufwendigen Prozess bemühen müsste - der Kohlenstoff organisiert sich quasi selbst. Übrigens kommt der Kohlenstoff von einem kohlenstoffhaltigen Gas wie Acetylen oder Methan.

Wann könnten die Nanotubes marktreif sein?
Zur Zeit sind wir noch in der Forschungsphase; es gibt verschiedene Szenarien, wie man diese Tubes einsetzen könnte. Eine einfache Anwendung wäre zum Beispiel, herkömmliche Siliziumchips durch Nanotubes zu verbessern. Wenn man zwei Metallschichten auf einem Chip durch Nanotubes verbinden könnte statt wie bisher mit Kupfer oder Aluminium, würde das weniger Fehlfunktionen verursachen als die bisherige Lösung. Das könnte man in drei bis fünf Jahren realisieren.

Was für ein Potential haben diese Entwicklungen?
Die Halbleiterindustrie wird sich zur Nanoindustrie wandeln, aus dem Mikrochip wird ein Nanochip. Das ist eigentlich unvermeidlich - nach dem Moore'schen Gesetz schafft es die Industrie circa alle zwei Jahre, die Anzahl der Transistoren auf einem Mikrochip zu verdoppeln. Bisher ist diese Vorhersage eingetreten, und meiner Meinung nach wird sich dieser Trend fortsetzen, bis wir uns im Bereich der Nanotechnologie bewegen. Möglicherweise werden die neuen Materialien sogar einmal das Silizium ablösen - vielleicht gibt es, wie erwähnt, in Zukunft Chips, die nur noch aus Kohlenstoff bestehen.

www.infineon.com
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