Was Kunden wollen

Was würde Apple tun? - das neue Buch von Dirk Beckmann
Text: Jost Burger

"Was würde Google tun?", fragte ein Erfolgsbuch vor drei Jahren. Doch die Frage ist falsch gestellt, findet ein IT-Berater. Denn nicht der Monopolist Google, sondern Apple ist der Maßstab für unternehmerischen Erfolg in der Informationstechnologie. Apples Rezept aber ist keine Geheimwissenschaft: konsequente Orientierung an den Kundenbedürfnissen.

cv_beckmann_140.jpg

Bücher über Apple fallen ziemlich häufig in die Kategorie "Heiligenlegende". Vielleicht ist das gar nicht erstaunlich: Unbestritten ist der Unternehmenserfolg der iPhone-Firma untrennbar mit der "Legende" Steve Jobs verbunden, der es schaffte, der Marke den Nimbus des Einzigartigen zu verleihen.  

Wer sich für wirtschaftliche und unternehmerische Fragen interessiert, dem werden solche Episteln jedoch nichts geben. Eher gilt das für ein Buch, wie es Dirk Beckmann mit Was würde Apple tun? vorgelegt hat. Aus seiner Sympathie für Apple macht Beckmann zwar keinen Hehl, aber sein Buch ist eine kluge, leicht erfassbare Analyse dessen, was das "Unternehmen mit dem Apfel" richtig macht - und was andere von ihm lernen können.  

Im Hauptberuf begleitet Beckmann als Berater Unternehmen in die Welt der digitalen Wirtschaft. Apple zählt nicht zu seinen Kunden, darauf legt er Wert. Als Objekt scharfer Beobachtung dient ihm das Unternehmen aber durchaus. Die Präsentation seiner Analyseergebnisse eröffnet er mit zwei provokanten Thesen.


These eins: Apple macht alles falsch


These eins: Apple macht alles falsch. Zumindest aus Sicht der "etablierten" Unternehmen. Die glauben an definierte Prozesse, stecken unendliche Budgets in Kundenbefragungen, lassen Controller und Marketing über die Produktentwicklung entscheiden. Apple hingegen ist bekannt dafür, die Prinzipien des Design Thinking umzusetzen - entwickelt wird in interdisziplinären Teams, Ideen dürfen sich entwickeln, im Mittelpunkt stehen die Bedürfnisse der Anwender, nicht der Produktentwickler.  

Apple berücksichtigt, was andere nur predigen - diese Feststellung ist so neu nicht, verdient aber, immer wieder gemacht zu werden. Anders ist kaum zu erklären, warum gerade Apple solch eine Innovationskraft an den Tag legt. Dazu gehört auch, dass man am Firmensitz in Cupertino nicht daran glaubt, potenzielle Kunden in Befragungs- und Focus-Group-Schlachten nach ihren Wünschen zu befragen. Idealerweise beobachten Apple-Entwickler den "User" in seinem natürlichen Umfeld, ohne dass er das bemerkt, und erfahren so seine wirklichen Bedürfnisse. Auch das eine Vorgehensweise der Kreativschmieden des Design Thinking. Beckmann gebührt das Verdienst, glasklar herauszustellen, wie dieser Ansatz zum Erfolg der Apple-Produkte vom iMac bis zum iPad geführt hat: Maschinen von Apple vermitteln den Eindruck, einfach zu sein. Ob sie es wirklich sind, ob sie wirklich immer funktionieren und nie abstürzen, ob andere Geräte manches besser können - egal. Apple würde bis in alle Ewigkeit sämtliche Anwenderpreise gewinnen, die "Normaluser" vergeben, weil Apple es schafft, nachhaltig den Eindruck von Simplizität und kluger Beschränkung auf das Wesentliche zu vermitteln. Wenn man so will, bieten Geräte von Apple Orientierung und fast spirituellen Halt in einer Welt, die in vielerlei Hinsicht das Gegenteil ist.


These zwei: Von Google kann man nicht lernen


Hier könnte sich wiederum der Bogen zur quasi-religiösen Verehrung von Steve Jobs und "seiner" Firma schließen. Zum Glück driftet Beckmann nicht ab, sondern bleibt auf dem Grund soliden unternehmerischen Denkens. Denn seine zweite These lautet: Von Google kann man nicht lernen. Anders als Apple ist Google Monopolist. Die Firma beherrscht den Online-Werbemarkt im Suchmaschinenbereich und kann es sich leisten, Inhalte und Dienstleistungen kostenlos anzubieten. Anderswo funktioniert diese "Umsonst-Wirtschaft" nicht, das sagt Beckmann ganz klar. Auch und gerade für Apple gelte das: Hier habe man schon vor der Jahrtausendwende erkannt, dass man mit kostenlosen Inhalten, Good-Guy-Strategien und allzu bereitwilliger Kooperation keinen Blumentopf gewinnt. "Apple will Geld verdienen, nicht die Welt retten", das könnte der zentrale Satz des Buches sein.  

Im Grunde, das wird klar, ist Apple ein Unternehmen, das die Möglichkeiten der digitalen Wirtschaft erkannt hat und sie sich zunutze macht, statt allein das "Dabeisein" schon als Beweis des erfolgreichen Mittuns anzusehen. Apple will eben Geld verdienen, indem es die beobachteten Bedürfnisse seiner Kunden erfüllt - eine der ältesten und erfolgreichsten Strategien im Business.  

Wenn dies Bedürfnis heißt, unkompliziert und schnell Musik für unterwegs mitzunehmen, muss dieses Bedürfnis erfüllt werden - aber nur mit einem ordentlichen Gewinn. Und wenn es die erforderlichen Strukturen dafür nicht gibt, muss man sie eben aufbauen. Völlig entgegen der so oft beklagten "Umsonst-Kultur" zwang Jobs die Musikindustrie, an seinem für ihn sehr lukrativen System teilzunehmen. Und weil auf so einfache Weise ein Bedürfnis erfüllt wird, waren Menschen bereit, Geld zu bezahlen. So entstand iTunes, im Grunde nichts als ein neuartiges Vertriebssystem, das die Möglichkeiten der modernen Zeiten nutzt.


Von Apple lernen


Kann man von Apple lernen? Ja. Firmen können lernen, bewährte Prozesse aus der Produktentwicklung, aus Vertrieb und Preispolitik in ihre Welt zu übertragen. Spaßeshalber tut Beckmann das unter anderem für einen Küchenhersteller und eine Automarke. Im Fall der Küche kommt - wenig erstaunlich - eine voll vernetzte, durchdigitalisierte Küche heraus, die leicht erweiterbar und besonders benutzerfreundlich designt ist. Autos auf Apple-Art wären modular und individuell konfigurierbar, einfach zu bedienen und würden den Wert des Prinzips der individuellen Mobilität transportieren.  

Zwar widmet sich Beckmann auch ausführlich den Möglichkeiten, in der digitalen Wirtschaft Apple zum Vorbild zu nehmen. Vor allem aber rät er, sich die von Apple aufgebauten Strukturen zunutze zu machen. Mit Apps für alles Mögliche verdienen viele Unternehmen mittlerweile viel Geld. Und auch wenn - gerade in Deutschland - unter Verlagen die Konditionen umstritten sind, zu denen Apple Magazin- und Zeitungsapps vertreibt, so weist Beckmann doch klar auf die Vorzüge eines so einfachen Geschäfts hin: Apple liefert die technische und prozedurale Plattform für den Vertrieb von Inhalten und Anzeigen und bekommt dafür eine Flatrate am Umsatz. Einfacher geht's wirklich kaum. Dazu Beckmann: "Wer digital Geld verdienen will, kann nicht nur von Apple lernen, wie das am besten geht, er kann dazu auch die Plattformen, Produkte und Lösungen des Unternehmens selbst nutzen." 

Der eigentliche Charme des Buches liegt aber in dem Anstoß, über gewisse alte Tugenden im Kundengeschäft nachzudenken - so wie Apple vieles, was schon längst bekannt ist, mit Erfolg wiederbelebt hat. Stellvertretend und an dieser Stelle passend der Schlusssatz: "Wer den Mut hat, aus Nutzern wieder Kunden zu machen, wird kurzfristig seinen langfristigen Erfolg abschätzen können. Denn wenn Nutzer bereit sind, für ein Produkt zu zahlen, ist es wert, ausgebaut zu werden." 



changeX 13.07.2011. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

econ

Econ Verlag

Weitere Artikel dieses Partners

Angstgetrieben

Video: Patrick Cowden zu seinem Buch Mein Boss, die Memme zum Video

Nie zu spät

Schlüsselfaktor Sozialkompetenz - das neue Buch von Eric Adler zur Rezension

Gefühlsformeln

36 Formeln, die Ihr Leben vereinfachen - das neue Buch von Chip Conley zur Rezension

Zum Buch

: Was würde Apple tun?. Wie man von Apple lernen kann, in der digitalen Welt Geld zu verdienen. Econ Verlag, Berlin 2011, 208 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-430201155

Was würde Apple tun?

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autor

Jost Burger
Burger

Jost Burger ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

nach oben