Menschliches Versagen

Peter Klaus Brandls Buch Crash-Kommunikation.
Text: Dominik Fehrmann

Mehr als drei Viertel aller Flugzeugunglücke gehen auf sogenanntes „menschliches Versagen“ zurück. Das ist bei unternehmerischen Fehlentscheidungen nicht anders, sagt ein Autor. Und empfiehlt, die Erkenntnisse der Flugsicherheitsforschung im Management nutzbar zu machen.

cv_brandl_140.jpg

Menschen machen Fehler und Manager sind auch nur Menschen. Doch die Fehler von Managern wiegen oft schwerer als die anderer Menschen, denn sie haben meist erhebliche Auswirkungen: gravierende finanzielle Verluste, Personalabbau, gar Insolvenz. Wäre es da nicht hilfreich, ein ausgereiftes Modell zu haben, mit dem Fehlentscheidungen auf der Managementebene systematisch minimiert werden könnten? 

Ein solches Modell gibt es längst, behauptet Peter Klaus Brandl. Es nennt sich „Crew Resource Management“, und es stammt aus der Luftfahrt. Aus einem Bereich also, in dem Entscheidungssituationen quasi in extremo verdichtet sind: Entscheidungen im Cockpit bestimmen buchstäblich über Leben und Tod und müssen meist innerhalb weniger Augenblicke getroffen werden. Und weil die Entscheidungen im Cockpit so folgenschwer sind und die Belastung der Piloten so groß ist, werden solche Entscheidungsprozesse in der Luftfahrt seit Langem schon aufs Akribischste analysiert und entsprechend optimiert. Und das, findet Brandl, sollte sich die Wirtschaft zunutze machen. Denn was im Flugzeug-Cockpit gilt, gilt weitgehend auch in den „Firmen-Cockpits“, wo die „Unternehmenspiloten“ am Steuer sitzen. Dies ist die ebenso verblüffende wie plausible Idee, die Brandl in seinem Buch Crash-Kommunikation darlegt. Brandl selbst ist nicht nur Unternehmer und Managementtrainer. Er ist außerdem selbst Berufspilot und Fluglehrer. Und als solcher hat er die Analysen unzähliger Flugzeugunglücke ausgewertet, um daraus Erkenntnisse für die Wirtschaftswelt zu gewinnen. Denn noch immer, so Brandl, gebe es erschreckend viele Beispiele, in denen die Ursache unternehmerischer Misserfolge in persönlichen Fehlentscheidungen zu finden ist. 


Risikofaktor missglückte Kommunikation


Genau wie in der Luftfahrt. Dort sind über drei Viertel aller Flugzeugunglücke auf sogenanntes „menschliches Versagen“ zurückzuführen. Brandl hält dies für einen leicht unpassenden Ausdruck, weil der Mensch in solchen Situationen nicht eigentlich – wie etwa ein Motor – versagt, sondern sehr wohl etwas tut, nur leider das Falsche. Es sind diese typischen Fehlreaktionen, die Brandl im Bereich der Luftfahrt beispielhaft aufzeigt und dann in den Bereich der Unternehmensführung überträgt. Als zentralen Risikofaktor identifiziert Brandl dabei eine ungenügende oder missglückte Kommunikation auf der Führungsebene. So macht er am Beispiel des Absturzes einer Birgenair-Maschine im Jahr 1996 die Gefahren autoritärer Führung deutlich. Jener Absturz hätte wahrscheinlich verhindert werden können, wenn Kopilot und Flugingenieur den Piloten – ihren Chef – nachdrücklich auf die von ihnen sehr wohl wahrgenommene Gefahr aufmerksam gemacht hätten. Was sie offenbar aus Respekt vor der Autorität des Piloten nicht taten. 189 Menschen starben. Erinnert dieses Duckmäusertum, so fragt Brandl nun, nicht strukturell an gewisse Situationen in der Wirtschaftswelt? An Situationen, in denen mächtige Konzernchefs ihr Unternehmen mit ihrem Kurs geradewegs ins Unglück gesteuert haben, und viele Mitstreiter dies sehenden Auges geschehen ließen. Was wäre der Daimler AG alles erspart geblieben, hätte Jürgen Schrempp sich damals in seine Weltkonzernutopie dreinreden lassen. 

Brandl nennt weitere potenziell verhängnisvolle Verhaltensmuster: eine starre Zielfixierung etwa oder – das Gegenteil – abschweifende Konzentration. Auch wo Zuständigkeiten verschwimmen oder Fehler vertuscht werden, steigt die Gefahr, im Krisenfall falsche und mitunter fatale Entscheidungen zu treffen. Es ist ein Verdienst der Flugsicherheitsforschung, nicht nur dieses Gefährdungspotenzial genauestens analysiert, sondern auch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen entwickelt zu haben, von denen viele in der Luftfahrt inzwischen in feste Vorschriften gegossen sind. Auf der Blaupause dieses „Crew Resource Management“ skizziert Brandl in seinem überraschend kurzweiligen Buch ein entsprechendes „Company Resource Management“, das er anschaulich in eine Reihe sogenannter „Anti-Crash-Formeln“ packt. Damit gibt er Führungskräften jedweder Branche ein hilfreiches Werkzeug an die Hand, um die Punktlandung auf dem angestrebten Unternehmensziel zu schaffen. Und einen Crash zu vermeiden.


changeX 26.05.2010. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.

Artikeltools

PDF öffnen

gabal

GABAL Verlag

Weitere Artikel dieses Partners

Zzzzzzzzzzz

Ein Hoch auf den Kurzschlaf - fünfeinhalb Fragen an Stefanie Demmler zum Kurzinterview

Öfter mal die Perspektive wechseln

Fünfeinhalb Fragen an Frauke Ion zum Interview

Von der Generation Y lernen

Fünfeinhalb Fragen an Martina Mangelsdorf zum Interview

Ausgewählte Links zum Thema

Zum Buch

: Crash-Kommunikation. Warum Piloten versagen und Manager Fehler machen. GABAL Verlag, Offenbach 2010, 232 Seiten, ISBN 978-3-86936-055-3

Crash-Kommunikation

Buch bestellen bei
Osiander
genialokal
Amazon

Autor

Dominik Fehrmann
Fehrmann

Dominik Fehrmann ist freier Journalist in Berlin. Er schreibt als freier Mitarbeiter für changeX.

nach oben