Entscheiden, verantworten, Erfolg haben
Ein Interview mit Peter Grimm über Hierarchie, Macht und Führungsqualitäten.
In vielen Unternehmen sieht es düster aus. Dort sitzen vor allem verwaltende Manager statt unternehmerisch denkender Verantwortlicher. Sie drücken sich vor Entscheidungen, sichern sich lieber dreimal ab, restrukturieren ohne Ende und brauchen für ihre Fehler so gut wie keine Konsequenzen zu übernehmen. Im Zweifel kassieren sie noch dicke Abfindungen. Aber es geht auch anders - mit weniger Angepasstheit und mehr Coaching.
Peter Grimm ist seit
über 25 Jahren selbstständiger Unternehmer und geschäftsführender
Gesellschafter der Peter Grimm Customing GmbH. Er ist innovativer
Unternehmensberater, Quer- und Vordenker sowie Experte für die
vertriebsbezogene Entwicklung in Industrie, Handel und
Dienstleistung. "Customing
�", sein Führungssystem für
vertriebsbezogene Unternehmensentwicklung und zukunftsfähigen
Verkauf, wird in namhaften Unternehmen in Lizenz eingesetzt. Sein
neues Buch 
Verkauf.Macht.Zukunft ist vor kurzem im Gabal Verlag
erschienen, sein nächstes Buch 
Hierarchie.Macht.Dumm zur Zeit in Planung.
  
  Sind Hierarchien etwas Unvermeidliches?
  
Selbstverständlich. Wenn drei Leute zusammenkommen,
  entsteht bereits eine Hierarchie. Es ist auch nicht die Frage, ob
  Hierarchie gut oder schlecht ist. Die Frage ist: Wie wird sie
  gelebt und welche Spiele laufen innerhalb von hierarchischen
  Gebilden wirklich ab?
  
  In menschlichen Hierarchien kommen ja nicht immer die
  geeignetsten Menschen nach oben ...
  
Es ist leider eine Eigenart menschlicher Hierarchien, dass
  in Organisationen die Angepasstesten nach oben kommen. Das heißt,
  unbequeme Querdenker sind zwar geeignet für Seiteneinstiege, aber
  sie werden in der Hierarchie eigentlich nicht entwickelt. Was
  übrigens eines der Probleme der Assessment-Center ist. In diesen
  können Ungeeignete "nach unten" erkannt werden, aber kaum "nach
  oben" Spitzenfähigkeiten. Sie nivellieren.
  
  Das heißt, die Manager, die dabei herauskommen, sind nicht
  immer die Besten?
  
Man muss die Gefahr sehen, dass die Organisation dazu
  neigt, sich mit bequemen Ja-Sagern zu umgeben, die an die
  Strukturen des Unternehmens angepasst sind. Zu Veränderungen aber
  sind diese Leute kaum in der Lage. So brauchen wir uns dann auch
  nicht zu wundern, warum externe Berater den Prozess der
  Veränderung von außen leisten müssen und nur allzu oft daran auch
  scheitern.
  
  Wie beurteilen Sie denn die Situation von Macht und Hierarchie
  in deutschen Unternehmen zur Zeit? Gibt es da viel
  Handlungsbedarf?
  
Leider ja. Wir haben im mittleren Management auf
  Hierarchie, Führung und Macht überhaupt nicht vorbereitete junge
  Manager, die mit den Hufen scharren, wenn sie nur das Wort
  "Karriere" hören, aber panische Angst haben, Fehler zu machen.
  Denn dies ist ja wieder karriereschädlich. So entsteht eine
  Scheinhierarchie Fehler vermeidender Instanzen, die einfach nicht
  mehr entscheiden (können). Die Folge: Das Unternehmen blockiert
  sich. Es wird nichts mehr wirklich entschieden. Am
  schmerzlichsten erlebe ich dies derzeitig in den
  Vertriebsbereichen. Hier wird dieser Engpass zur entscheidenden
  Frage der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
  
  Also sind die Leute, die von der Uni direkt in die Karriere
  einsteigen, eigentlich noch gar nicht dafür geeignet?
  
Sie wären geeignet. Aber sie werden vom Unternehmen sofort
  angepasst. Dann braucht man sich nicht zu wundern, warum sie
  ihren ursprünglichen kreativen Biss verloren haben.
  
  Also müsste man sie von Anfang an ganz anders "nutzen"
  lernen?
  
Zumindest müsste man ihre Fähigkeiten etwas genauer
  erkunden - auch, ob sie unternehmerische Fähigkeiten haben oder
  nur verwaltende Manager sind. Letztere haben wir überreichlich in
  unserem geliebten Lande und das spiegelt sich in den Unternehmen
  genauso wider. Wir haben entscheidungsarme Manager, die auf
  Fehlervermeidung konzentriert sind.
  
Das ist der Nährboden für Unterlasser. Und diese sind das
  Gegenteil von Unternehmern. Denn das Wesen des Unternehmertums
  ist doch, Verantwortung zu übernehmen. Das brauchen Beamte nahezu
  nie. Beamtentum ist organisierter Risikoausschluss.
  
  Nur wo kriegt man diese Unternehmertypen her? Die machen sich
  vermutlich lieber selbstständig.
  
Unternehmerisches Bewusstsein zu haben ist eine ganz
  bestimmte Bewusstseins- und Entwicklungsstufe, die ich entweder
  als Talent von Natur aus habe oder die über eine
  Bewusstseinsschulung erzeugt werden könnte. Was einen Unternehmer
  von einem verwaltenden Manager unterscheidet, hat sehr, sehr viel
  mit der Fähigkeit zur Verantwortung zu tun. Bei der derzeitigen
  Diskussion über Verantwortung sträuben sich mir die Haare.
  Angeblich haben Manager "Verantwortung". Was aber ist diese denn
  in Realität wert? Für was muss er denn in Wirklichkeit einstehen?
  Doch letztlich für nichts. Vielleicht hat er ein unangenehmes
  Gespräch mit seinem Vorgesetzten, aber sonst passiert doch
  nichts. Solange der Wert von Verantwortung nirgendwo definiert
  ist, können wir uns doch nur über eine Lachnummer
  unterhalten.
  
  Wann ist eine Hierarchie dumm?
  
Eine Hierarchie ist dann dumm, wenn sie weder eine
  Entscheidungskultur, noch eine Einsichtskultur hat, sondern im
  Grunde genommen das Bestehende um jeden Preis bewahrt.
  
  Aber das Problem ist ja nicht nur die Hierarchie an sich. Das
  Problem sind auch, so schreiben Sie, die Macht und ihr
  Einfluss.
  
Macht korrumpiert nun einmal, das ist unvermeidlich und hat
  sehr, sehr viel mit dem zu tun, was man landläufig Charakter
  nennt. Der eine lässt sich leicht korrumpieren, ein anderer merkt
  noch nicht mal, was er tut. Das Problem ist, dass manche Menschen
  Machtbesitz als ein erstrebenswertes Gut an sich betrachten.
  Haben sie dann plötzlich Macht, stellen sie plötzlich fest, dass
  sie Entscheidungsängste haben.
  
  Umgekehrt ist es aber auch ein Problem, dass sich die Leute
  gerne aus Bequemlichkeit Hierarchien unterordnen.
  
Das ist die bequemste Form der Arbeit. Geführt zu werden,
  und das in einem Klima, in dem ich darauf schimpfen darf, was die
  da oben alles für Mist machen. Ich kann mich über alles beklagen
  und bin eigentlich froh, mich verstecken zu können. Dieses
  angepasste, vermeidende Verhalten nützt der Firma natürlich auch
  nicht sonderlich.
  
  Was halten Sie von dem Versuch, den Mitarbeitern ein bisschen
  Intrapreneurship nahe zu bringen? Und von neuen Formen von
  Führung, die Eigenverantwortung fördern?
  
Das wäre dann ein besserer Weg, wenn es ernst genommen
  wird. Die meisten Fälle, die ich kenne, sind nichts anderes als
  eine Charade. Es ist mehr ein So-tun-als-ob-Spiel. Aber Führen
  ohne Verantwortung ist wie Fliegen ohne Flugzeug. Auch im
  Lernprozess.
  
  Ich denke, viele Unternehmen sind auch nicht bereit,
  Verantwortung an die Mitarbeiter abzugeben, weil sie Angst davor
  haben.
  
Reinhard Sprenger hat leicht sagen "Vertrauen führt".
  Leider hat die Vorstellung über das, was angeblich Management
  ausmacht, Menschen erzeugt, die nur bedingt bereit sind,
  Verantwortung zu übernehmen, weil sie nur wenig Selbstvertrauen
  haben. Das aber ist die zwingende Voraussetzung, anderen zu
  (ver)trauen. Vertrauen ist eine so empfindliche Pflanze, dass ich
  mich schon etwas wundere, mit welchem (Über-)Mut Sprenger seine
  Thesen zu "Vertrauen führt" vertritt. Es ist zwar klar, was er
  meint, aber es ist eine idealtypische Forderung und sollte als
  solche auch kenntlich gemacht werden, denn die Realitäten sehen
  leider anders aus. Mit anderen Worten: Vertrauen setzt
  Verantwortung voraus. Und das ist ja der Engpass der
  Hierarchie.
  
  Sind flache Hierarchien eine bessere Lösung? Oder zum Beispiel
  selbst organisierte Netzwerke?
  
Immer! Flache Hierarchien haben den Vorteil, dass sie die
  kurzen Entscheidungswege haben. Das Drama der Banken
  beispielsweise ist, dass fünf Unterschriften auf einem Vertrag
  stehen müssen. Wer soll denn da Verantwortung übernehmen? Flache
  Hierarchien sind deutlich effizienter. Auch Netzwerke beinhalten
  - entgegen allen Deutungen von Netzwerkanhängern - letztlich auch
  Hierarchien, denn es gibt ja auch Abstufungen von Kompetenz und
  Fähigkeiten. Hier herrscht aber eher eine Fähigkeitshierarchie.
  Netzwerke ergänzen sich gegenseitig, haben wenig bürokratische
  Verwaltung und gehen mit Informationen einfach schneller und
  effizienter um.
  
  Wie lehrt man denn Menschen, wieder selber zu denken, und
  Chefs, zu einer coachenden Rolle zu kommen?
  
Meiner Meinung nach gehören "Coaching" und "Führung"
  untrennbar zusammen. Beides ist erforderlich. Das war vielleicht
  nicht immer so. Früher war Führung gekoppelt an
  Informationsübertragung. Damit war sie stark hierarchisch. Heute
  ist der ergänzende Teil der Führung: Ich erarbeite das, was
  richtig ist, mit meinen Mitarbeitern, erarbeite aber auch, wie
  die Umsetzung geht. Denn wenn die umsetzende Komponente nicht mit
  eingebaut ist, dann brauche ich mich doch nicht zu wundern,
  weshalb die Leute zwar tolle Ideen haben, diese aber dann nicht
  verwirklicht werden. Führung muss sich durch Coaching adeln. Es
  gibt keinen anderen Weg und die Betonung dieser beiden Dinge wird
  künftig mehr auf Coaching als auf Führung liegen. Da sehe ich die
  eigentliche Chance, Menschen verantwortlicher und
  selbstvertrauender zu machen.
  
  Ist das auch quasi das Fazit Ihres Schaffens?
  
Ja, schon deshalb, weil wir dafür eintreten, dass
  Führungskräfte Coaching praktizieren. Wenn ich nicht die
  Instrumente dazu liefere, die Coaching nun mal braucht, um
  effizient zu wirken, dann bleibt Coaching wieder nur beim Appell.
  Vor allem im Verkauf, der ja nun wirklich der Brennpunkt des
  Unternehmens ist, wo sich alle Themen am deutlichsten zeigen.
  Deshalb treten wir im Customing-System ja auch so engagiert für
  eine Neubetrachtung des Vertriebs und der Vertriebsentwicklung
  ein. Denn von dort geht alles aus - und dorthin kehrt alles
  zurück. Der Hierarch der Zukunft heißt: Kunde.
Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.
Zum changeX-Partnerportrait: Peter Grimm Customing GmbH.
© changeX Partnerforum [28.04.2004] Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved.
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