Von Rum, Macht und Geld
Die Hitlers und Die Bacardis - die neuen Familienbiografien aus dem Campus Verlag.
Von Nina Hesse
Campus setzt seine erfolgreiche Serie über berühmte Familien fort und scheut dabei nicht vor Clans zurück, die das Licht der Öffentlichkeit meiden oder lieber ihren Mythos pflegen, als sich kritischen Fragen zu stellen. Ursula Voss ist mit ihrer Biografie über die Bacardís, Rum und Kuba ein informativer Schmöker mit viel Atmosphäre gelungen, Wolfgang Zdral hat Faszinierendes über die weitgehend unbekannte Familie Hitlers zu berichten.
Ein geschäftstüchtiger Vorfahr kann sehr praktisch sein. Dass der aus Spanien eingewanderte Facundo Bacardí in Santiago de Cuba einen Spirituosenhandel gründete und 1862 eine bankrotte Brennerei kaufte, ernährt seine Nachkommenschaft - dank kinderreicher Familien sehr zahlreich - noch heute. Kaum ein Mitglied des weitverzweigten Bacardí-Clans mit heute rund 600 Mitgliedern hat es nötig, zu arbeiten. Denn ihre Geschäftsanteile an dem, was längst ein weltweit agierender Konzern geworden ist, garantieren ihnen ein Leben ohne materielle Sorgen.
Rum ist schon im 19. Jahrhundert sehr beliebt, er gehört als Stimmungsaufheller der Mannschaft zur Grundausstattung der Royal Navy. Auf großen, mit Hilfe von Sklaven bewirtschafteten Plantagen wird der für die Rumherstellung nötige Zucker angebaut. Doch selbst auf der "Zuckerinsel" Kuba wird nur ein arg kratziges Gesöff hergestellt. Der ehrgeizige Facundo hat das Ziel, die auf der Insel gängige Qualität zu verbessern - und schafft das auch, weil er seiner Vision hartnäckig folgt. Einer der Meilensteine der frühen Gründerjahre ist ein Dankschreiben des spanischen Königshauses, nachdem der kleine Alfonso XII. sich durch den Genuss von Bacardí-Rum von einem schweren Fieber erholt hatte. Über die Jahre hinweg wird der Rum mit dem Fledermaus-Logo immer bekannter und beliebter, bis heute boomt dank cleverer strategischer Entscheidungen das Geschäft.

Politisch turbulent.


Doch auch heftige politische Umwälzungen muss die Familie überstehen. Ihr Schicksal ist eng verwoben mit dem ihrer Heimatinsel, und die Biografie der Bacardís ist gleichzeitig eine Geschichte Kubas - vom Unabhängigkeitskrieg bis zur kommunistischen Revolution, vom Kalten Krieg bis in unsere Tage hinein. Immer wieder wird der Clan politisch aktiv: Der älteste Sohn des Gründers, Emilio, verbringt viele Jahre in Gefängnissen, weil er sich für die Unabhängigkeit Kubas von Spanien einsetzt. Währenddessen hält sein Bruder - besessen von der Idee, guten Rum zu produzieren - die Fabrik am Laufen. Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg ist Kuba unabhängig, Emilio Bacardí y Moreau wird Bürgermeister von Santiago und die Besatzungstruppen erfinden den neuen Drink "Cuba Libre". Das goldene Cocktailzeitalter bricht an, und während der Prohibition in den 20er Jahren fallen Scharen von durstigen Amerikanern in Kuba ein.
Doch schon bald gibt es wieder Probleme, als der Diktator Machado an die Macht kommt - Bacardí baut sicherheitshalber einen Zweig in Mexiko auf. Als nach Machado Batista mit Unterstützung der USA die Insel regiert, arrangiert sich Bacardí zunächst mit den Verhältnissen, verlagert aber auch einen Teil der Produktion nach Puerto Rico. Das dient zwar erst einmal nur dazu, Schutzzölle in den USA zu umgehen, erweist sich jedoch später als segensreich. Denn das Verhältnis der Familie zu Politmafia rund um Batista verschlechtert sich stetig bis hin zur Feindschaft. Und nach der kubanischen Revolution enteignet Fidel Castro sämtliche Unternehmen auf Kuba - auch Bacardí. Die Familie muss ins Exil gehen, produziert wird forthin in Puerto Rico, und setzt dort die Erfolgsstory fort.
Doch auch heute noch betrachten die Bacardís Kuba als ihre eigentliche Heimat, und auf das kommunistische Regime sind sie nicht gut zu sprechen. Allein sechs Bacardí-Familienmitglieder waren an der gescheiterten Kuba-Invasion in der Schweinebucht beteiligt, die für Kennedy zum politischen Debakel wurde. Der Hass reicht so weit, dass aus der Familie sogar Geld für terroristische Aktionen gegen Castro floss. Biografin Ursula Voss verheimlicht ihr Entsetzen darüber nicht.

Unten anfangen und aufsteigen.


Familiensinn und Patriotismus, das sind die beiden roten Fäden, an denen sich der Werdegang der Bacardís und damit auch das Buch orientiert. Ein Teil des Bacardí-Erfolgsrezepts war sicher auch, dass ein dermaßen großer Clan auch einen großen Talentpool darstellt - der Senior war nie gezwungen, sich auf einen einzelnen Erben zu stützen, sondern konnte wählen. Der Firma standen zur rechten Zeit immer geschäftstüchtige Familienmitglieder oder Schwiegersöhne zur Verfügung. Zum Beispiel Pepín Bosch - eigenwillig, kompromisslos und ein genialer Geschäftsmann. Er versprach der Familie, sie reich zu machen, wenn sie ihm freie Hand lasse, und er hielt sein Versprechen.
Aber Familiensinn heißt nicht, dass es dem Bacardí-Nachwuchs leicht gemacht wird in der Firma - nach dem Motto "Im Leben wird dir nichts geschenkt, du musst dir alles selbst erarbeiten" muss jeder, der einsteigen will, im Lager oder in der Abfüllanlage anfangen. Und wer versagt, der darf nicht auf Mitleid hoffen: "Wer in der Familie dem Geschäft schadet, gehört nicht mehr ins Geschäft", so lautet die klare Botschaft.
Erst in den letzten Jahren hat der enge Zusammenhalt in der Familie etwas gelitten. Versuche, die Firma zu diversifizieren, waren ein Flop, und von einem heftigen, schmutzigen Streit um die Frage, ob Anteile verkauft werden sollten, profitierten vor allem die Anwälte.
Ursula Voss hat es nicht leicht gehabt bei der Recherche - nicht nur, dass es nicht ganz leicht gewesen sein kann, sich im verzweigten Stammbaum des Clans zu orientieren, es gibt auch wenig Material über die berühmte Familie. Angestellten ist streng verboten, über Interna zu sprechen. Und Voss' Versuche, vor Ort in Kuba mehr über die Bacardís herauszufinden und mit ihnen persönlich zu sprechen, waren erst spät von Erfolg gekrönt. Doch Voss hat aus der Not eine Tugend gemacht, immer wieder berichtet sie im Reportagestil von ihren Erlebnissen bei der Recherche in Kuba, in Puerto Rico und Miami - dadurch werden die Orte und die Menschen, von denen sie erzählt, lebendig, der Leser kann sich in Atmosphäre und Lebensgefühl der Zuckerinsel hineinfühlen.

Düstere Geheimnisse.


Bei den Hitlers konnte von Familiensinn dagegen keine Rede sein. Im Gegenteil. Adolf Hitler schuf den Mythos des Führers, der allein dem Volk angehört - er vertuschte seine Verwandtschaft so erfolgreich, dass sie bis heute nahezu unbekannt blieb. Schon als Jugendlicher hatte Hitler wenig Interesse an seinen Geschwistern, und als er zur politischen Größe aufstieg, sahen sie fast gar nichts mehr von ihm. Wirklich erstaunlich ist es nicht, dass der spätere Diktator nicht wollte, dass Details aus seiner Familiengeschichte an die Öffentlichkeit kamen, denn dunkle Punkte und düstere Geheimnisse gab es darin en masse, unter anderem eine Neigung zum Inzest. Wolfgang Zdral deckt Hitlers Selbstinszenierung auf und bietet in seinem Buch erstmals eine vollständige Darstellung der Familie - eine spannende Lektüre.
Wer befürchtet, dass es den Diktator menschlicher machen könnte, mehr über seine Beziehungen zu seiner Familie zu erfahren, der braucht sich keine Sorgen zu machen. Obwohl der Mensch Adolf Hitler in Zdrals Buch an Konturen gewinnt, fassbarer wird, obwohl klar wird, dass er durchaus zu Gefühlen fähig war, ist dieser Mensch alles andere als sympathisch. Im Umgang mit seinen Angehörigen zeigt er sich egoistisch, berechnend und kalt. Vieles spricht dafür, dass er in seine Nichte Geli verliebt war - sehr wahrscheinlich kam es zu einer Affäre. Besonders gut getan hat Geli das allerdings nicht, sie beging schon in jungen Jahren Selbstmord, möglicherweise nach einem Streit mit Hitler.
Basierend auf teils unbekannten Quellen und Interviews mit Zeitzeugen und Nachfahren rekonstruiert Zdral die Chronik einer zerrissenen und gestörten Familie: Da sind die zerrütteten Familienverhältnisse, die dubiose Herkunft, das pathologische Verhältnis zur Mutter. Hitler weist seine Verwandten ab, zwingt seine Schwester zur Namensänderung und wird vom Neffen erpresst. Zdrals spannend geschriebene Biografie beantwortet viele Fragen: Wie lebte Hitlers Familie während der Nazi-Herrschaft und danach? Welche Angehörigen Adolf Hitlers leben heute noch? Wie gehen sie damit um, dass sie mit einem "Jahrhundertverbrecher" verwandt sind? Reizvoll ist, dass in Die Hitlers neuste Forschungsergebnisse eingeflossen sind, darunter unveröffentlichte Dokumente aus den Archiven des FBI und des US-Geheimdiensts OSS, aus Privatsammlungen und aus deutschen und österreichischen Archiven.

Nina Hesse ist freie Mitarbeiterin von changeX.

Ursula L. Voss:
Die Bacardis. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution,
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005,
236 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37318-1

Wolfgang Zdral:
Die Hitlers. Die unbekannte Familie des Führers,
Campus Verlag, Frankfurt/New York,
257 Seiten, 24.90 Euro,
ISBN 3-593-37457-9

www.campus.de

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Zu den Büchern

: Die Bacardis. Der Kuba-Clan zwischen Rum und Revolution. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, 236 Seiten, ISBN 3-593-37318-1

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: Die Hitlers. Die unbekannte Familie des Führers. Campus Verlag, Frankfurt am Main / New York 2005, 257 Seiten, ISBN 3-593-37457-9

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