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Deutschlands Düsentriebe
Wirtschaftsfaktor Wissen. Wie unsere Spitzenforschung den Standort Deutschland voranbringt - das neue Buch von Michael O. H. Kröher.
Von Sigmar von Blanckenburg
Deutschlands wissenschaftliche Forschung ist besser als ihr Ruf. Sagt ein Buchautor. Er hat die Exzellenzcluster besucht, die an abgelegenen Orten Spitzenforschung betreiben. Sie tüfteln an Ideen, die einmal die Milliardenumsätze der Zukunft einfahren sollen. Denn für das Hochlohnland Deutschland sind Forschung und Entwicklung die einzige Ressource, seine Wirtschaftskraft und seinen Wohlstand zu bewahren. Wissen ist der Wirtschaftsfaktor Nummer eins. / 05.06.07
Kaum verzeichnet die deutsche Wirtschaft wieder einen zarten Aufschwung, melden sich wieder die Anhänger des großen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes zu Wort. Sie rufen nach Lohnerhöhungen, die den Konsum antreiben, den Aufschwung beständig machen und unserer Wirtschaft dauerhaftes Wachstum bescheren sollen. Viele indessen sehen das anders; in weiten Teilen der Öffentlichkeit hat Keynes' großer Kollege und Zeitgenosse Joseph Schumpeter Konjunktur. Der sagte nämlich, dauerhaftes Wirtschaftswachstum lasse sich nur durch Innovation generieren. Das ist auch die These des neuen Buches von Michael O. H. Kröher. Wirtschaftsfaktor Wissen zeigt nicht nur, wo in Deutschland Innovation stattfindet, sondern will auch den Nachweis liefern, dass die deutsche wissenschaftliche Forschung besser ist als ihr Ruf. An ihrer Wissensproduktion hängen die Arbeitsplätze der Zukunft. Denn Forschung und Entwicklung sind laut Kröher, der darin Schumpeter folgt, die einzigen Ressourcen, mit denen "ein Hochlohnland wie Deutschland" auf Dauer seine wirtschaftliche Stellung und seinen Wohlstand halten kann.

Daniel Düsentrieb im Jülicher Wald.


An unerwarteter Stelle im westfälischen Jülich zum Beispiel finden sich die Ausläufer der weitverzweigten deutschen Forschungslandschaft. Hinter der Stadt liegt ein ausgedehntes Gewerbegebiet. Darauf folgt ein Depot ausrangierter Bundeswehrfahrzeuge. Danach kommt ein tiefer, dunkler Wald. "Lange geht die Straße immer nur geradeaus, immer tiefer hinein ins Gehölz - bis schließlich eine Lkw- und Buswendespur ein nahes Ende der Sackgasse signalisiert. Hinter einem hohen Stacheldrahtzaun und großen Schlagbäumen beginnt dann erst das Forschungszentrum." Die Wegbeschreibung klingt fast ein bisschen nach James Bond. Es ist aber nur der Weg in das Forschungszentrum Jülich der deutschen Helmholtz-Gemeinschaft. Diese ist der Goliath unter den deutschen Forschungseinrichtungen. Mit 2,25 Milliarden Euro Jahresbudget und 15 Forschungszentren in Deutschland ist die Helmholtz-Gemeinschaft die mit Abstand größte deutsche Forschungsorganisation. Und die Direktoren der Helmholtz-Zentren sind "vielleicht die schillerndsten Figuren des deutschen Forschungsbetriebs".
Als "eingefleischte Forscher" sind sie zugleich Wissensmanager, die nicht selten Etats von mehreren hundert Millionen Euro verwalten und die Aktivitäten von insgesamt bis zu 10.000 Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen koordinieren. Zwar hat die Helmholtz-Gemeinschaft selbst noch keinen Nobelpreisträger hervorgebracht, aber einige ihrer Mitglieder gelten als heiße Kandidaten. Peter Grünberg etwa hat am Forschungszentrum Jülich den sogenannten Riesenmagnet-Widerstand entdeckt und nutzbar gemacht. Weitere Kandidaten aus der Gemeinschaft sind Harald zur Hausen und Peter Schlegel, die sich beide maßgeblich in der Krebsbekämpfung hervorgetan haben.
Die deutsche Spitzenforschung ist also nicht unbedingt schlechter als die anderer Länder. Sie findet nur weniger an den Universitäten statt, die sich in einer längeren Phase der Neuorientierung befinden. Forschung in Deutschland ist ganz wesentlich Sache der Forschungseinrichtungen, die meist die Namen berühmter deutscher Wissenschaftler tragen: Max Planck, Joseph von Fraunhofer, Gottfried Wilhelm Leibniz oder eben Hermann von Helmholtz.

Argumente für einen vorsichtigen Optimismus.


So wie in diesem Beispiel bietet Michael O. H. Kröher einen Überblick über die deutsche Spitzenforschung. Abwechselnd stellt er Standorte, Institutionen und Forschungsbereiche vor und zeigt, welches Potenzial in diesen Exzellenzclustern schlummert, die zum Teil schon seit langem von staatlicher Seite gefördert werden, wie etwa die Biotechnologie-Einrichtungen in Martinsried bei München oder in Dresden. Medizin-Nobelpreisträger Günter Blobel etwa ist sich sicher, dass Sachsen "schon bald Deutschlands größtes und wichtigstes Biotech-Zentrum" sein wird. Kröher macht plausibel, dass sich die deutschen Forscher in Gebieten tummeln, die in Zukunft enorme Wachstumsraten erwarten lassen.
Für die "denkenden Dinge" etwa, also Systeme, die uns Probleme des Alltags abnehmen, bevor wir ihrer überhaupt gewahr werden, prognostiziert Hans-Jörg Bullinger, der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, jährliche Umsätze von 500 Milliarden Euro. Es wäre schon schön, wenn da deutsche Wissenschaftler und Unternehmen mitmischten, denkt sich der Leser dabei. Und das tun sie auch. Miele, BMW, Siemens, Bosch - viele sind dabei. Und das auf einem Niveau, das China und andere Billiglohnländer nicht so schnell erreichen werden, wie Michael O. H. Kröher mit zahlreichen Beispielen deutlich macht. Letzten Endes ist man dankbar, dass man nach den Katastrophenszenarien der jüngeren Vergangenheit mal wieder etwas hoffnungsvoll Stimmendes lesen kann. Kröhers Buch ist eine sachliche Anleitung für vorsichtigen Optimismus, auch wenn das eine oder andere Szenario vielleicht geradezu märchenhaft anmutet. Nicht zuletzt bietet das Buch Anlass, über die staatliche Forschungsförderung nachzudenken, deren Mitteleinsatz die deutschen Forschungserfolge erst möglich macht. Letzten Endes aber bleibt da eine Frage stehen: Hatte Keynes am Ende vielleicht doch recht?

Sigmar von Blanckenburg ist freier Mitarbeiter bei changeX.

Michael O. H. Kröher:
Wirtschaftsfaktor Wissen.
Wie unsere Spitzenforschung den Standort Deutschland voranbringt,

Econ Verlag, Berlin 2007,
250 Seiten, 19.90 Euro,
ISBN 978-3-446-41005-3
www.econ.de

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: Wirtschaftsfaktor Wissen. . Wie unsere Spitzenforschung den Standort Deutschland voranbringt. . Econ Verlag, Berlin 1900, 250 Seiten, ISBN 978-3-446-41005-3

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Sigmar von Blanckenburg

Sigmar von Blanckenburg schreibt als freier Autor für changeX.

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